Hausgemeinschaften im Fokus Warum die Sterblichkeit in Italien hoch ist
01.04.2020, 19:47 Uhr
Besonders Italien hat aktuell mit vielen Toten durch das Coronavirus zu kämpfen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Betrachtet man die Sterblichkeitsrate von Covid-19, so lassen sich allein in Europa große Unterschiede feststellen. Forscher der Universität Bonn finden nun heraus, warum die Mortalität so stark variiert. Es hat demnach mit der Art des Zusammenlebens zu tun.
Die Sterblichkeitsrate aufgrund des Coronavirus ist in Italien um ein Vielfaches höher als in Deutschland. Während in Italien nach jüngsten Angaben des Robert-Koch-Instituts fast zehn Prozent der Erkrankten an der Infektion mit dem Erreger Sars-CoV-2 sterben, sind es in Deutschland zuletzt lediglich 0,8 Prozent. Wie ist das zu erklären?
Die Bonner Wirtschaftswissenschaftler Moritz Kuhn und Christian Bayer haben in einer Studie untersucht, ob ein Zusammenhang besteht zwischen der Sterblichkeitsrate durch das Coronavirus und der Art, wie die Generationen in einer Gesellschaft zusammenleben. Etwa, ob es viel Kontakt zwischen der älteren Generation und der jüngeren gibt oder ob beide eher getrennt voneinander leben.
Zur Beantwortung der Frage wurde in den verschiedenen Ländern untersucht, wie hoch der Anteil der 30- bis 49-Jährigen ist, die mit älteren Generationen zusammenleben. Die Forscher halten dies deshalb für ein wichtiges Indiz, da sie davon ausgehen, dass das Virus über Arbeitskräfte von China nach Europa kam und sich dann innerhalb der arbeitenden Bevölkerung verbreitete. Gleichzeitig könnte es auch im Haushalt lebende ältere Menschen infizieren, unter denen die Sterblichkeit generell höher ist.
Und tatsächlich zeigte sich: Die Kultur des Zusammenlebens in den untersuchten Ländern variiert stark. In Italien leben viele Berufstätige eng mit älteren Menschen zusammen. Viele junge Berufseinsteiger könnten sich noch keine eigene Bleibe leisten und wohnten im Haus ihrer Eltern, heißt es in einer Mitteilung der Uni Bonn. Großeltern seien räumlich sowie sozial oft fest in das Familiengefüge eingebunden, passten beispielsweise auf die Enkel auf. Es komme zu viel mehr Kontakten im täglichen Leben. Die Schlussfolgerung: Je höher in einem Land der Anteil an berufstätigen Menschen ist, die in ein familiäres Gefüge mit älteren Generationen eingebunden sind, desto höher fällt dort die Sterblichkeitsrate aus.
Die Folgen davon sind verheerend: Sobald sich das Virus in solchen Gesellschaften unter der älteren Bevölkerung verbreite, könne es schnell zu vielen Toten kommen, weil das Gesundheitssystem überlastet werde. In Deutschland oder den skandinavischen Ländern, in denen bekanntermaßen weniger sozialer Kontakt zwischen den Generationen besteht, habe das Virus dementsprechend weniger dramatische Auswirkungen.
Anderen Ländern könnte es wie Italien ergehen
Doch auch andere Regionen seien gefährdet, warnen die Forscher. Sie fürchten, dass osteuropäische Länder künftig mit ähnlichen Szenarien zu kämpfen haben könnten wie Italien, sollten dort bei Ausbruch des Virus Maßnahmen der Kontakteinschränkung nicht rechtzeitig eingeführt werden.
Dass sich in asiatischen Ländern trotz stark ausgeprägter Kontakte zwischen den Generationen anhand niedrigerer Sterberaten ein gegenläufiger Trend ablesen lässt, führen die Wissenschaftler auf unterschiedliche Gründe zurück: Die Bevölkerung sei durchschnittlich jünger und die Begrüßungsrituale seien distanzierter. Außerdem vermuten sie, dass asiatische Länder aufgrund der Sars-Krise von 2003 mehr Erfahrungen mit Pandemien hätten.
Insgesamt schlussfolgern die Wissenschaftler auf Grundlage ihrer Ergebnisse: Vor allem Maßnahmen, die das soziale Zusammenleben einschränken, müssten frühzeitig und beherzt getroffen werden.
Quelle: ntv.de, swa