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Auch beim Fischfang Weniger ist mehr

Fischer können höhere Profite erwirtschaften, wenn sie vorübergehend weniger fangen und dauerhaft mehr Tiere im Wasser lassen. Dies ist das Resultat australischer und US-amerikanischer Meeres- und Wirtschaftsexperten. Ihre Studie im Journal "Science" erscheint vor dem Hintergrund dramatisch schwindender Ressourcen: Die Vereinten Nationen warnen eindringlich vor der Überfischung der Meere, ein Viertel der Bestände ist demnach bereits ernsthaft gefährdet.

Zugleich zeigt sich, dass Schutzgebiete im Pazifik vor den asiatischen Küsten die Lebensqualität der Bevölkerung verbessern. Dies wiederum ist Ergebnis einer Untersuchung der US-Naturschutzorganisation The Nature Conservancy (Arlington/US-Staat Virginia). Forscher hatten in deren Auftrag untersucht, wie sich marine Schutzgebiete auf die Bevölkerung in der Umgebung auswirken. Eines der Ergebnisse: Menschen, die in der Nähe von Fischverbotszonen lebten, kamen im Durchschnitt auf ein doppelt so hohes Einkommen wie Menschen ohne Reservate.

Weniger Aufwand pro Fisch

Quentin Grafton von der Crawford School of Economics an der Universität Canberra erläutert in "Science" den so genannten Bestandseffekt. Wenn Fische zahlreich vorhanden sind, lassen sich die Netze mit weniger Kosten füllen. Die Schiffe kommen mit weniger Treibstoff, die Fischer mit weniger Fangfahrten aus. Der Aufwand pro Fisch sinkt auf diese Weise. Anders formuliert: Je mehr Fisch vorhanden ist, umso billiger lässt er sich fangen. Für diese Aussicht lohne es, sich einige Jahre zu bescheiden.

Die höchsten Profite würden möglich, wenn die Bestände über jene Größe hinaus wachsen dürften, die bislang als ausreichend angesehen würden, berichtet Grafton: "Größere Bestände bringen größere Gewinne." Und sein Kollege und Mitautor Tom Kompas ergänzt: "Das wäre eine Win-Win-Situation für die globale Fischerei und die marine Umwelt." Die Debatte sollte sich daher nur noch um die Frage drehen, wie schnell sich die Bestände erholen sollten, nicht wann damit begonnen werde.

Mangelnder politischer Willen

Mehr als die Hälfte (52 Prozent) aller Seefischbestände würden bereits heute derart intensiv ausgebeutet, dass keine Steigerung mehr möglich sei, heißt in dem aktuellen Report "State of the World Fisheries and Aquaculture" der Welternährungsorganisation FAO. Von den 25 Prozent der bedrohten Bestände seien die meisten übernutzt (17 Prozent) oder stark geschrumpft (7 Prozent), nur wenige erholten sich langsam (1 Prozent). Die Vereinten Nationen beklagten mangelnden politischen Willen, gegen die Bedrohung der Fischbestände vorzugehen.

Messbare Verbesserungen

Vor den USA und in der Karibik brachten Schutzzonen messbare Verbesserungen für die Fischerei. In den Schutzgebieten lebten mehr Fische, die außerdem größer wurden und mehr Nachwuchs hatten. Außerdem stellte sich heraus, dass die Zahl der Fischeier in den Reservaten um Größenordnungen höher lag als außerhalb. Mit Meeresströmungen gelangten die Eier oder der junge Nachwuchs in weiter entfernte Regionen und halfen dort dabei, die Bestände zu sichern oder wieder aufzubauen. "Die Ergebnisse stützen Vorhersagen, dass marine Reservate eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung der Fischerei spielen", folgern die Forscher aus ihrer Analyse. Die aktuelle Studie der Nature Conservancy stammt unter anderem aus dem indonesischen Bunaken-Nationalpark. Dort profitierten die Menschen vom Tauchtourismus und erhielten einen Anteil an den Eintrittsgeldern. Zudem verbrachten die Fischer in der Region mit dem Schutzgebiet nur noch die Hälfte jener Zeit auf dem Meer wie ihre Kollegen in Gebieten ohne ein Reservat.

Anschauliches Beispiel der Versuchung

Im Schutzgebiet Navakavu Locally Managed Marine Area auf den Fidschi-Inseln hatte die Erhöhung der Bestände höhere Erträge beim Fisch- und Muschelfang zur Folge, der wichtigsten Einkommensquelle der Menschen. Das Einkommen der 600 Menschen der Gemeinschaft hatte sich im Januar 2007 auf durchschnittlich 251 Dollar (rund 170 Euro) im Vergleich zurzeit vor der Einrichtung des Reservates (118 Dollar) vor 5 Jahren verdoppelt.

Ein Priester im Navakavu-Reservat soll den neuen Fischreichtum sogar dazu heranziehen, seinen Gläubigen das Konzept der Versuchung zu erklären. Zwar scheint es verlockend, den Fischreichtum auf einen Schlag auszubeuten – aber dann bleibt für die Zukunft nichts zurück. Positive Folgen auch in der Arnavon Community Marine Conservation Area auf den Solomonen: Die Nahrungsmittelversorgung wurde gesichert, die Gesundheit der Menschen besserte sich. Auch die Menschen auf der philippinischen Apo-Insel berichteten aufgrund der besseren Proteinversorgung von ihrer besseren Gesundheit. Zudem wurden die zusätzlichen Einnahmen durch den Tourismus in bessere Bildung investiert. Weniger ist eben mehr.

Von Thilo Resenhoeft, dpa

Quelle: ntv.de

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