Meldung aus dem Eis Wetterfrösche leiten Piloten
27.02.2009, 10:51 UhrEin schweres Orkantief zieht über die Küste der Antarktis. An der japanischen Forschungsstation Syowa werden Windgeschwindigkeiten von 88 Knoten gemessen - weit mehr als Windstärke 12. Weiter westlich auf dem Flugfeld Novo nahe der russischen Station Novolazarevskaya sitzen Dutzende deutscher Wissenschaftler und Techniker in flatternden Zelten fest.
Bis zum Toilettenhaus sind es nur 300 Meter weit - doch der Weg dauert bei heftigem Schneefall eine Stunde. Jetzt sind die wenigen Meteorologen in der Region besonders gefragt: Von den "Wetterfröschen" der Antarktis hängt der ersehnte Rückflug der wartenden Passagiere nach Südafrika ab.
"Vier Tage zuvor hatten wir schon erste Hinweise auf die Zugbahn dieses Tiefs", sagt Meteorologe Arne Pols in der neuen deutschen Forschungsstation Neumayer III. Der Spezialist für Flugwetter und seine Kollegen vom Deutschen Wetterdienst (DWD) beraten Piloten und Forscher in der gesamten Region. Zwar pendelt nur eine Hand voll kleiner Maschinen zu den wenigen internationalen Stationen. Doch die Bedingungen für den Flugverkehr in der Antarktis sind weltweit einzigartig.
Kein Flug nach Südafrika ohne Meldung aus der Antarktis
Das russische Transportflugzeug "Ilyushin 76" bildet eine Art Nabelschnur zum 4200 Kilometer und sechs Stunden entfernten Kapstadt: Die vierstrahlige Maschine steht kräftig vertäut im Sturm auf der eisigen Rollbahn. Drei Tage später legt sich der Wind und die Maschine kann endlich abheben - genau so, wie es die Meteorologen vorausberechnet haben.
Ohne präzise Vorhersagen und vor allem ohne die individuelle Beratung der Piloten wäre der Flugverkehr von Südafrika und weiter landeinwärts nicht möglich. Die "Wetterfrösche" erkennen Gefahren rechtzeitig und warnen die Piloten per E-Mail oder Funk.
"Es gibt hier nirgends Radarüberwachung und wenig ausgebildete Wetterbeobachter", sagt Pols. Die auf Schnee und Eis gebauten Pisten haben keine üblichen Markierungen oder Funkfeuer. Geflogen wird hauptsächlich nach Sicht und wenn die Wolkenuntergrenze absinkt, kann das zu gefährlich werden.
Entscheidende Daten für Vorhersagekarten in den entlegenen Südpolargebieten liefern Wettersatelliten mit hochauflösenden Bildern und Infrarot-Aufnahmen. Hinzu kommen Prognosen aus Computermodellen, unter anderem vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage.
"Rosinenbomber" im Eis
Ergänzt wird dieses Bild von Messdaten einiger automatischer Wetterstationen und den Beobachtungen der wenigen Meteorologen in der Antarktis. Die Neumayer-Station III kann außerdem noch Wetterdaten der täglichen Ballon-Sonden beisteuern: Sie fliegen bis in eine Höhe von 35 Kilometern.
Nahe der Neumayer-Station landet der kanadische Pilot Brian Burchartz mit seiner zweimotorigen Turboprop "Polar 5", einer nachgerüsteten Douglas DC. Die robuste Maschine wurde nach dem Zweiten Weltkrieg während der Luftbrücke, bei der das von den Sowjets abgeriegelte West-Berlin mit Flugzeugen versorgt wurde, als "Rosinenbomber" zur Legende. Brian lässt sich vom Wetterexperten Arne Pols die Situation für den Weiterflug zur britischen Forschungsstation Halley erklären und erreicht zwei Stunden später problemlos sein Ziel.
Für Pols ist der Dienst damit nicht beendet: Er arbeitet täglich zwei ausführliche Wetterberichte für das riesige Gebiet der Nordantarktis aus und verteilt sie per Mail. Auch die mittelfristige Prognose hat der Flugwetter-Spezialist im Blick: Demnächst soll die Ilyushin die letzten Sommergäste aus der Antarktis fliegen. Bald kommt der Winter - und mit dem Sonnenlicht verlassen auch die Flugzeuge den weißen Kontinent.
Hans-Christian Wöste, dpa
Quelle: ntv.de