Streit um Kohlendioxid-Lagerung Wird Brandenburg ein "CO2-Klo"?
06.05.2011, 13:24 Uhr
Bei der Erprobung der unterirdischen Lagerstätten sollen höchste Sicherheitsstandards gelten. Dennoch regt sich in der Bevölkerung massiver Widerstand.
(Foto: picture alliance / dpa)
CCS, die Technik, mit der CO2 im Kraftwerksbetrieb abgetrennt und dann tief in die Erde injiziert wird, ist in Brandenburg am weitesten entwickelt. Doch das Land ist gegen einen Alleingang. CCS-Gegner sprechen von einer Risikotechnologie.
Ausweg oder Irrweg? Die Zukunft der Braunkohle in Deutschland ist eng mit dem CCS-Verfahren verbunden. In Brandenburg ist die umstrittene Technik, wonach Kohlendioxid (CO2) im Kraftwerksbetrieb abgetrennt und in porösem Gestein gespeichert werden soll, am weitesten entwickelt. Doch das Land ist gegen einen Alleingang. Das Verfahren spielt angesichts des Streits um den Atomausstieg eine Schlüsselrolle. Befürworter sehen in CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage) einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, Gegner eine Risikotechnologie.
Seit 2008 erforscht der Energiekonzern Vattenfall CCS mit einer Kraftwerks-Pilotanlage in Spremberg. Daneben läuft unter Leitung des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) bei Ketzin westlich von Berlin das EU-Projekt CO2-Sink, bei dem industriell hergestelltes Kohlendioxid in Salzwasser führende Gesteinsschichten gepresst wird. Bisher wurden fast 50.000 Tonnen des Gases, das zum Beispiel für die Getränkeproduktion eingesetzt wird, in mehr als 600 Meter Tiefe eingelagert. Seit Anfang Mai verpresst das GFZ dort einen Monat lang erstmals in Deutschland 2000 Tonnen abgeschiedenes CO2 aus der Spremberger Pilotanlage.
Verweigerung ist möglich
Die Bundesregierung will das CCS-Verfahren bis 2017 erproben lassen. Grundlage dafür ist der lange erwartete CCS-Gesetzentwurf, den Schwarz-Gelb Mitte April beschloss. Doch eine Ausstiegsklausel ermöglicht es den Bundesländern, bei begründeten Bedenken die CO2-Speicherung zu verweigern. Damit ist in Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu rechnen. Diese Bundesländer haben zwar günstige geologische Voraussetzungen, lehnen aber die CO2-Speicherung angesichts massiven Widerstands in der Bevölkerung ab.
Damit bliebe Brandenburg als Testfeld für die Speichertechnik übrig und müsste alle Konflikte mit den Gegnern allein durchstehen. Um die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen, hat die rot-rote Koalition von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die CCS-Technologie bisher unterstützt. In der potenziellen Speicherregion um Beeskow und Neutrebbin, im Osten des Landes, laufen die Bewohner derweil schon seit längerem Sturm gegen die bloße Erkundung von zwei CO2-Lagerstätten, die Vattenfall vorbereitet.
Erst allein, dann gemeinsam?
Auch wenn vor allem die CDU-Opposition fordert, jetzt die Erforschung von CCS auf eigene Faust voranzutreiben, um dann womöglich später den Rest der Republik mitzuziehen, kommt für SPD und Linke in Potsdam eine "Lex Brandenburg" nicht infrage. Platzeck fordert ebenso wie sein Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) ein CCS-Gesetz, das für ganz Deutschland gilt. Beide hoffen noch auf entsprechende Änderungen im Bundesrat.
Die Koalitionspartner halten - auch mit Blick auf den geplanten Atomausstieg - am Energiemix mit heimischer Braunkohle fest. Zu den Zielen gehört, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken und den Anteil erneuerbarer Energien zugleich um das Dreifache auf 20 Prozent zu steigern. Zwischen Elbe und Oder drehen sich rund 3000 Windräder - nur Nordrhein-Westfalen hat mehr. Bei Lieberose produziert die größte Solarstromanlage Deutschlands sauberen Strom.
Beherrschbar oder nicht?
Platzeck hat schon klargemacht, dass er CCS nicht um jeden Preis will: "Falls sich die unterirdische CO2-Speicherung als nicht beherrschbar herausstellen sollte, wird sie nicht eingesetzt." Damit bleibt offen, ob die von Vattenfall geplante 300-Megawatt-CCS-Demonstrationsanlage im zweitgrößten deutschen Braunkohlekraftwerk Jänschwalde bei Cottbus überhaupt errichtet wird. Vattenfall plant in der Region zudem einen neuen Tagebau Jänschwalde-Nord, der die Zwangsumsiedlung von drei Dörfern mit 900 Einwohnern bedeuten würde.
Die Bewohner befürchten, dass das verpresste Kohlendioxid das Trinkwasser versalzt oder durch Spalten nach oben dringt und ihre Äcker vergiftet. Sylvia Wadewitz von der Initiative "CO2ntra Endlager" aus dem Landkreis Märkisch Oderland kritisiert: "Wir werden nicht hinnehmen, dass die Kohlepolitik der Landesregierung Brandenburg zum Müllplatz der Nation und die Menschen hier zu Versuchskaninchen macht."
Quelle: ntv.de, Peter Jähnel, dpa