Europäer bekommen weniger Kinder Wirtschaftskrise verhindert Babyboom
10.07.2013, 11:24 Uhr
In Deutschland ist die Geburtenrate stabil. Hier bekommt im Schnitt jede Frau knapp 1,4 Kinder.
(Foto: picture alliance / dpa)
Arbeitslosigkeit hat zahlreiche Auswirkungen, auch die Familienplanung bleibt nicht unbeeinflusst. Forscher, die 28 Länder unter die Lupe genommen haben, zeigen: Die Wirtschaftskrise verändert die Geburtenraten in Europa - allerdings nicht überall gleich stark.
Wegen der Wirtschaftskrise sind im zurückliegenden Jahrzehnt in Europa weniger Kinder geboren worden. Im Durchschnitt von 28 europäischen Ländern sank die Kinderzahl pro Frau umso stärker, je mehr die Arbeitslosenquote stieg. Das geht aus einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock hervor, die in der Fachzeitschrift "Demographic Research" veröffentlicht wurde. Wie Mitautorin Michaela Kreyenfeld sagt, hat die Krise einen europaweiten Aufschwung der Geburtenraten unterbrochen.
Das erste Kind kommt später
Besonders deutlich sei das in den südeuropäischen Ländern wie in Spanien und Kroatien, außerdem in Ungarn, Irland und Lettland. Insbesondere Menschen unter 25 Jahren verzichteten bei steigender Arbeitslosigkeit auf Kinder. Das wirkte sich vor allem auf die Geburt eines ersten Kindes aus. Die jungen Leute verschoben die Familiengründung, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen konnten, erläutert Kreyenfeld.
Ob und wie wirtschaftliche Bedingungen das Geburtenverhalten der Menschen beeinflussen, ist nach Angaben des Max-Planck-Instituts eine der großen offenen Fragen der demografischen Forschung. Die Studie belege für das heutige Europa, dass die Höhe der Arbeitslosigkeit im eigenen Land sich durchaus auf die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, auswirkt, sagt Kreyenfeld. Steige die Arbeitslosenrate um ein Prozent, sinke die Geburtenrate bei den 20- bis 24-Jährigen um etwa 0,1 Prozent, in Südeuropa um 0,3 Prozent.
Eine besonders deutliche Zäsur erlebte der Studie zufolge Spanien. Dort wuchs die Kinderzahl pro Frau von 1,24 zu Beginn des Jahrtausends Jahr für Jahr und erreichte 2008 einen Wert von 1,47. 2009 sackte sie auf 1,40 ab, nachdem die Arbeitslosenquote sprunghaft von 8,3 Prozent (2008) auf 11,3 Prozent (2009) gestiegen war. 2011 lag sie bei 1,36 Kindern je Frau.
Russische Familienplanung unverändert
In Tschechien und Polen, Großbritannien oder Italien stoppte die Krise laut Studie die wachsende Geburtenrate lediglich. In anderen Ländern wie Russland oder Litauen zeigte sie nur schwache oder gar keine Auswirkungen auf die Geburten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ergab die Studie keine bedeutenden Einflüsse. Dort stieg die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren allerdings auch nicht oder nur wenig an, in Deutschland sank sie sogar. Die Geburtenrate in Deutschland ist stabil. Sie pegelte sich bei einem Wert von unter 1,4 Kindern pro Frau ein.
Die Forscher schließen nicht aus, dass sich die Krise weiter negativ auf die Geburtenrate auswirkt. Bislang wurden Daten für die Jahre 2001 bis 2010, teils bis 2011, untersucht.
Quelle: ntv.de, dpa