"Mord im Moor" Wissenschaftler als Kriminologen
29.05.2009, 13:12 Uhr
Hinter dem Abdruck eines Kinderschädels befindet sich die Gesichtsrekonstruktion des Schädels.
(Foto: dpa)
Einen bislang ungeklärten Mord an zwei Kindern, der vor 3000 Jahren geschah, wird in der Ausstellung "Mord im Moor" aufgeklärt. Anhand der Funde werden Ermittlungs- und Verfahrensweisen moderner anthropologischer Forschung bis hin zur Gesichtsrekonstruktion präsentiert.
Seit Wochen regnet es ununterbrochen. Die Felder nahe der spätbronzezeitlichen Siedlung Wasserburg in Bad Buchau (Baden-Württemberg) versumpfen zunehmend. Mehrere Ernten sind schon ausgefallen. Das Futter wird knapp und die Tiere sterben. Doch der Pegel des Federsees steigt weiter. Um die bösen Geister zu beschwichtigen, muss ein Opfer gebracht werden. "Kinder sind als Opfer das höchste Gut", versucht der Leiter des Federseemuseums, Ralf Baumeister, einen vor 3000 Jahren begangenen Mord zu erklären.
In der Ausstellung "Mord im Moor" vom 31. Mai bis 1. November beginnt alles mit der Spurensicherung: 1928 entdeckten Forscher bei Ausgrabungen die menschlichen Überreste einer 50-jährigen Frau und mehrerer Kinder im Alter zwischen 3 und 16 Jahren. Doch von den Kindern fanden sie nur die Schädel ohne Unterkiefer, die kreisförmig um die Siedlung verteilt waren. Die "Tatort"-Fotos hängen in einer im Museum nachgebauten Polizeidienststelle. Weil nur zwei Kinderschädel gut erhalten sind, kümmern sich die "Ermittler" fortan nur um die Aufklärung dieser Taten. Das Museum hat dabei alle Register gezogen.
In einem im Museum nachgebildeten Labor wird nachgewiesen, dass die zwei Kinder im neunten Jahrhundert vor Christus gestorben sind. Das beweisen Untersuchungen der Holzpfähle, mit denen die Siedlung gebaut worden ist. Zudem fanden die Forscher anhand der Schädel heraus, dass es sich bei den Opfern um einen Jungen und ein Mädchen handelt. "Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass beide sehr eng miteinander verwandt waren", erklärt der Anthropologe der Universität Tübingen, Martin Menninger. Außerdem sind sie vermutlich in der Wasserburg geboren, ergänzt der Archäologe Baumeister. Und das bedeutet, sie wurden vermutlich nicht bei einem Raubzug in die Wasserburg entführt und dann dort getötet.
Ermittlungen wie im TV-Krimi
Die Forscher haben den Opfern sogar Gesichter gegeben und ihre Gesichtszüge rekonstruiert. Die Fotos der beiden Opfer sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. "Wir haben versucht, lebendige Details hereinzubekommen", sagt Menninger. Dafür wurden die Schädel in einem Computertomographen untersucht und Nachbildungen der Schädel aus Kunstharz gegossen. Menninger bildete dann in Handarbeit die Gesichtsform der Kinder nach - genau wie in Fernseh-Krimis.
Doch wie mussten die Kinder sterben? Der Junge ist vermutlich mit einer stumpfen Keule und das Mädchen mit einer scharfkantigen Metallwaffe getötet worden. Das ergeben Bruchstellen an den Schädeln. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Verletzungen zu ihrem Tod geführt haben", sagt Menninger. Die Forscher fanden sogar Kupferpartikel an einem Schädel. Dabei handelt es sich vermutlich um Reste der Tatwaffe - Schwert, Keule oder Lanze.
Doch war ihr Tod Absicht oder Versehen, Ritual oder Mord? Vieles spricht für ein Ritual. Vieles sehe danach aus, dass die Kinder für die Gemeinschaft geopfert wurden. Vor allem die Anordnung ihrer Schädel um die Siedlung herum spricht gegen häusliche Gewalt oder einen Überfall von Feinden, erklären die Wissenschaftler. Die Siedlung sollte vermutlich mit ihren Köpfen geschützt werden.
Quelle: ntv.de, Berit Schmidt, dpa