Wissen

Genforschung nach Darwin Wunschbaby aus dem Katalog

Die Frage ist, wo natürliche Auslese endet und wo der unnatürliche Eingriff in die Gene beginnt. Wenn werdende Eltern sich lieber ein Mädchen oder einen Jungen wünschen, denkt sich niemand etwas dabei. Wenn sie aber das Angebot einer Fortpflanzungsklinik durchforsten, um Geschlecht, Augenfarbe und Charakterzüge ihres Wunschkindes festzulegen, dann schrillen auch bei Genforschern die Alarmglocken. Der britische Naturwissenschaftler Charles Darwin, der am 12. Februar vor 200 Jahren zur Welt kam, meinte jedenfalls nicht diese Art von Auslese, als er über die Entstehung und Entwicklung der Arten schrieb.

Noch ist es nicht so weit, dass Mütter im Katalog ankreuzen können, ob ihr Kind sportlich oder musikalisch wird, ob ein Wildfang oder eine Leseratte herauskommen soll. Aber "wir müssen uns diese Auswahltechniken genau anschauen", warnt die Wissenschaftlerin Marcy Darnovsky vom Zentrum für Genetik und Gesellschaft im kalifornischen Oakland.

In Chatrooms im Internet lese sie bisweilen Mitteilungen von Müttern, "die nicht einfach ein Mädchen wollen, sondern eine bestimmte Art von Mädchen", sagt Darnovsky. "Ich will mit ihr Einkaufen gehen, Barbie spielen, ihr die Zehennägel rosarot anmalen", zitiert die Wissenschaftlerin einen Chat-Eintrag - und fragt sich: "Was machen diese Mütter, wenn sie diese Art von Kind nicht bekommen - es zurückgeben?"

Profit mit dem Wunschbaby


Charles Darwin bezog sich mit seinen Betrachtungen zur Entstehung der Arten auf Pflanzen und Würmer, nicht auf den Menschen. Das Konzept der "natürlichen Auslese" griff beim Menschen seiner Ansicht nach nicht - weil der Mensch zu moralischem Denken fähig ist. Und um Moral geht es auch in der Frage, welchen Einfluss die Eltern bei einer Samenspende oder künstlichen Befruchtung auf das Erbmaterial ihrer Kinder ausüben dürfen.

Bei der US-Firma Xytex Corporation zum Beispiel können Mütter mit Kinderwunsch einen Samenspender auswählen, der mit Foto und genauer Beschreibung angegeben wird - bis hin zur Länge der Wimpern und der Religionszugehörigkeit. Den Vogel schoss bislang eine Firma aus dem US-Bundesstaat Texas ab, die Wunschembryos zum Einpflanzen in den Mutterbauch "herstellen" wollte: Die künftige Mama konnte dort aus den angebotenen Eizellen und Samen diejenigen auswählen, von denen sie sich das beste Paarungsergebnis, sprich Kind erhoffte. Erst angesichts heftiger Proteste ließ das Unternehmen von diesem Geschäft ab.

Was bringt die Zukunft?

Es dauere vermutlich nicht mehr lange, bis fortpflanzungswillige Paare derartigen Druck ausübten, dass sie auch auf wissenschaftliche Verfahren wie die so genannte Keimbahntherapie zurückgreifen könnten, glaubt US-Forscher und Buchautor Peter Ward. Dieses Verfahren, das in Deutschland verboten ist, dient der Heilung von Erbkrankheiten, indem ein gesundes Gen in die Keimzelle des Trägers eingesetzt wird. "Eines Tages wird es in unserer Macht stehen, eine neue menschliche Art zu erschaffen", sagt Ward.

Nicht alle Wissenschaftler sehen das so. "Ich glaube, dass diese ganzen Sorgen fehl am Platze sind", sagt Evolutionsforscher Steven Pinker von der Harvard-Universität. Die Genetik sei viel zu kompliziert, "als dass man menschliche Züge so einfach manipulieren könnte". Nahezu alle Eigenschaften und Krankheiten würden nicht von ein oder zwei Genen bestimmt, sondern durch das Zusammenspiel vieler Gene, betont Pinker. Mit anderen Worten: Es gibt kein Mastergen für Intelligenz, Musikalität oder Sportlichkeit.

Quelle: ntv.de, Von Marlowe Hood, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen