Die Krux mit dem Kraxeln Klettern hat Folgen für die Flora
15.05.2011, 14:00 Uhr
Um die Vegetation zu schützen, müssen manche Felsen unzugänglich bleiben - auch für Kletterer.
(Foto: picture alliance / dpa)
Weltweit wächst die Begeisterung fürs Klettern. Dadurch steigt aber auch der Druck auf die Vegetation - gerade in solchen Gebieten, die sich bei Kletterern großer Beliebtheit erfreuen.
Kletterer gelten als naturverbunden. In direktem Kontakt mit der Natur, mit ihrem Körper häufig an den eigenen Leistungsgrenzen und ständig auf der Suche nach einem wunderschönen Bergpanorama: So werden sie gemeinhin als Prototyp für den umweltbewussten Menschen angesehen. Ganz unproblematisch ist die Ausübung ihrer Sportart jedoch nicht, wie jetzt Forscher der Universität Regensburg nachgewiesen haben. Untersuchungen der Biologen um Christoph Reisch und Frank Vogler vom Lehrstuhl für Botanik der Universität Regensburg zeigen, dass das Klettern negative Folgen für die Verbreitung und die genetische Struktur von seltenen Pflanzen in Bergregionen haben kann.
Der nördliche Franken-Jura und die Schwäbische Alb etwa gehören nicht nur zu den bedeutendsten Kletter-Regionen Deutschlands, sondern auch zu den Hauptverbreitungsgebieten des seltenen gelben Hungerblümchens (Draba aozides). Um herauszufinden, ob das Klettern einen Einfluss auf die Verbreitung und die genetische Struktur der Pflanze hat, verglichen die Regensburger Biologen die Pflanzenpopulationen auf insgesamt 16 Felsen. Acht von ihnen wurden beklettert, die anderen acht blieben bislang unberührt.
Kletterer gelangen in unzugängliche Gebiete

Das seltene "Gelbe Hungerblümchen" (Draba aozides) wird auch "Immergrünes Felsenblümchen" genannt und wächst auf Kalksteinfelsen.
(Foto: Universität Regensburg)
Die Forscher fanden heraus, dass sich die Pflanzenpopulationen auf den beiden Felstypen deutlich voneinander unterscheiden. So sind die Pflanzen auf den Kletterfelsen kleiner und weniger zahlreich als ihre Artgenossen auf den nicht bekletterten Felsen. Darüber hinaus konnten die Regensburger Forscher auch Auswirkungen des Kletterns auf die genetische Struktur der Populationen feststellen: Die genetischen Unterschiede zwischen der oberen und der unteren Hälfte der Populationen waren auf den bekletterten Felsen signifikant niedriger. "Eine Veränderung, die auf die Ausbreitung von Samen und Pflanzenteilen durch Klettern zurückzuführen ist", sagt Studienleiter Reisch.
Zwar fördern Bergsteiger durch ihre Auf- und Abstiege die Verteilung der Pflanzensamen. Doch die Fähigkeit der Pflanzen, in ihrer ursprünglichen Umgebung zu überleben, kann durch die genetischen Veränderungen beeinträchtigt werden.
"Unberührte Felsen erhalten"
Durch ihre relative Unzugänglichkeit gehören vor allem die Felsmassive der Mittelgebirge zu den wenigen Ökosystemen, die bisher nur bedingt durch den Menschen in ihrer Entwicklung gestört wurden. Sie beheimaten zumeist eine große Bandbreite seltener und gefährdeter Pflanzenarten. "In Gebieten, die bei Kletterern besonders beliebt sind, ist es deshalb dringend erforderlich, unberührte Felsen zu erhalten, auf denen sich die einzelnen Pflanzenarten ohne äußere Einflüsse entwickeln können", meint Reisch.
Quelle: ntv.de, asc/idw