Inzwischen gefragter Oldtimer Golf I GTI - der Revoluzzer macht sich rar
02.04.2017, 07:04 Uhr
In zehn Sekunden stürmte der starke Golf I GTI aus dem Stand auf Tempo 100. Maximal waren 180 km/h möglich.
Kompakt, dank Frontantrieb modern und als GTI auch noch ziemlich schnell – mit diesen Attributen installierte der erste Golf eine neue Kultur des Fahrens. Heute ist das Topmodell des Ur-Golfs eine ziemlich seltene Erscheinung. Und eine teure dazu.
Ein heutiger junger Autofan gähnt nur schläfrig beim Blick auf das Datenblatt: 81 kW steht im Schein des 76er Golf GTI, umgerechnet 110 PS. Der neue Golf VII mit dem Basisdiesel, den Papi zum Achtzehnten spendierte, sattelt noch einmal fünf Pferdchen drauf. Doch der oberflächliche Blick übersieht etwas. Also Taschenrechner raus. Masse durch Leistung, so ermittelt man, wie viel Gewicht jedes einzelne "Pferd" schleppen muss. Macht bei 780 Kilogramm Leergewicht und 110 PS also 7,1 kg/PS – damit liegt der alte GTI nicht schlecht. Dagegen der brandneue 115 PS-Golf mit 1376 Kilogramm Leermasse – hier muss jedes einzelne PS rund 12 Kilo schleppen.
Der Fahrer sitzt immer vorn

1976 brachte VW den ersten Golf GTI in den Markt. Damals mussten 110 PS lediglich 780 Kilogramm bewege.
Mit diesem Wissen erscheint der über 40 Jahre alte Veteran doch gleich viel cooler. Nun weisen die Mundwinkel also schon vor Fahrtantritt – zumindest leicht – nach oben. Zwei Personen in der ersten Reihe kommen sich nah im ersten Golf, das kann man nicht leugnen. Im Fond will man aus heutiger Perspektive möglichst kurz bis gar nicht ausharren, so ist das bei einem 3,71-Meter-Gefährt, 26 Zentimeter kürzer als ein aktueller Polo. Dabei trifft es den Fondfahrer im damals hochmoderne VW noch gut, denn die Wettbewerber Ford Escort und Opel Kadett – die immerhin auch mit über 100 PS starken Sportversionen gewappnet waren - setzen Mitte der Siebziger noch auf Heckantrieb und müssen ihre Kardanwelle unterbringen. Das kostet richtig Platz.
Doch sei's drum, der Fahrer sitzt immer vorn. Und während dem Beifahrer bei der recht steil stehenden Windschutzscheibe nostalgische Gedanken kommen, fällt der Blick des Piloten unweigerlich auf das Kombiinstrument. Der Drehzahlmesser war hier noch nicht selbstverständlich – solche Dinge vergisst man oft, wenn man sich beim neuen Auto über die fehlende Massagefunktion oder die nicht vorhandene Lenkradheizung beschwert.
Mit Vier etwas lauter
Ab mit dem dürren Zündschlüssel ins Lenkradschloss und umdrehen. Schwups, da springt der betagte Vierzylinder-Einspritzer an und verharrt knapp unterhalb der Tausend in einem leicht zittrigen Leerlauf. Der "Golfball" am oberen Ende des Schalthebels liegt gut in der Hand und ist ein guter Bekannter, den es selbst im aktuellen GTI noch gibt. Nur die Möglichkeiten der Vorwärts-Übersetzungen waren damals auf schlichte vier begrenzt. Das machte den GTI zwar nicht unbedingt phlegmatischer, aber lauter. Eine Eigenschaft, die den bisweilen flatterig wirkenden Fronttriebler quirliger erscheinen lässt als er ist. Glaubt man den Werksangaben von damals bewegt sich der GTI in 10 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo.
Am besten sollte man erst nach der Fahrt ins Datenblatt schauen. Denn gefühlt geht der Oldie richtig gut. Er setzt Gaspedalbefehle prompt um und liefert so etwas wie moderaten Schub. Auch vor Kurven muss man sich mit dem gutmütigen Untersteuerer nicht fürchten. Bevor es Richtung Graben geht, quietschen die für damalige Verhältnisse potenten 175er Pneus lautstark um Hilfe. So richtig präzise rasten die Gänge übrigens nicht, aber nach etwas Übung fliegt der ergonomisch einwandfreie Shifter behände durch die Gassen.
Übung macht den Meister

Mittlerweile macht sich die erste GTI-Generation rar. 2015 waren in Deutschland nur noch 910 der frühen 110 PS-GTI beim Kraftfahrt-Bundesamt gelistet.
Und die besagte Übung bekommt man schnell, denn wer den alten Golf dynamisch bewegen will, hat viel zu schalten. Die Übersetzungs-Spreizungen fallen groß aus, also muss man öfter mal in den kleinen Gang, um den munteren Vierzylinder rotieren zu lassen. Drehzahlen verträgt der 1,6er, wenn der Zahnriemen frisch ist und man das Öl warm fährt. Ohne Probleme haben die studentischen Verbrauchtwagen in den Achtzigern und frühen Neunzigern 200.000 oder sogar 250.000 Kilometer abgespult, ehe sie – durchgerostet bis auf die Grundfesten – in die Schrottpresse wanderten. Und genau das macht den begehrten Ur-GTI heutzutage so unerschwinglich, es gibt nämlich quasi keine mehr am Markt. Bereits vor zwei Jahren waren in Deutschland nur noch 910 der frühen 110 PS-GTI beim Kraftfahrt-Bundesamt gelistet, Tendenz naturgemäß fallend. Von den ersten Serien mit den kleinen Stoßstangen dürften es noch sehr viel weniger sein.
Teuer, weil rar
Besteht man auf das Urmodell mit den kleinen Blechstoßstangen oder wenigstens den kleinen Rückleuchten und dem alten Tacho samt den zierlich-länglichen Kontrollleuchten, braucht man beides: Geduld und Geld. Wenn von Zeit zu Zeit mal ein früher und vor allem ein originaler GTI in den einschlägigen Internetbörsen auftaucht, kann der fünfstellige Wert schon mal mit einer Zwei beginnen. Eine schnelle Entscheidung ist geboten, denn nach ein paar Tagen ist die Offerte erfahrungsgemäß wieder weg, so das Fahrzeug ehrlich war.
Ehrlich, einfach und pur – das ist der Golf GTI auch in einer anderen Hinsicht, nämlich, was seine Fahreigenschaften angeht. Hier besteht der einzige Luxus im ungefilterten Vorwärtskommen sowie einer wohldosierten Portion Fahrdynamik. Auf elektrische Helferlein oder gar Fahrprogramme pfeift dieser Siebziger-Star – gab es nicht, braucht er auch nicht. Der erste Golf I GTI ist längst zum Kultauto geworden inzwischen mit dem Reiz des Exotischen. Ob man die inzwischen hohen Preise bezahlen mag, muss man mit sich und seinem Konto ausmachen. Übrigens: Mit Ersatzteilen hat man bei den Oldtimern aus Wolfsburg dank der hauseigenen Ersatzteil-Schmiede Volkswagen Classic Parts keine Probleme.
Quelle: ntv.de, Patrick Broich, sp-x