Der um die Kurven tanzt Hyundai Tucson - Der Wilde Westen ruft
24.07.2015, 09:18 Uhr
Größer, teurer und eleganter präsentiert sich der neue Hyundai Tucson.
(Foto: Holger Preiss)
Was Hyundai fehlt, sind Emotion, heißt es. Um die dem Nachfolger des ix35 einzuhauchen, wurde nicht nur der Name verändert, sondern ein neues Blechkleid geschneidert und die Fahreigenschaften deutlich verbessert. Und wo ist das "Aber"?
Der Hyundai Tucson ist zwar der Nachfolger des ix35, aber die beiden unterscheidet nicht nur der Name. Genau genommen, haben sie nichts mehr miteinander zu tun. Und das ist auch gut so. Denn der Tucson spricht um ein Vielfaches mehr die Sprache der Emotionalität, schlägt also jenen Ton an, den sich die Koreaner so sehr für ihre Fahrzeuge in Europa wünschen. Einmal mehr zeichnet Thomas Bürkle für das Design des Tucson verantwortlich, dessen Name in der Wiederholung - denn den Tucson gab es schon einmal - eine Reminiszenz "an die alten Western ist und den Hauch von Abenteuer verspricht, den sich die Käufer von SUV so oft wünschen", erklärt Pressechef Bernhard Voss.
Emotion im Blech

In der Grundausstattung gibt es die doppelten Endrohrblenden beim Tucson nicht.
(Foto: Holger Preiss)
Um das Abenteuer auch ins Blech zu falzen, hat Bürkle alle Register gezogen. Ein riesiger Hexagonalgrill, der extrem steil im Wind steht, ziert die Front. Das LED-Tagfahrlicht wurde im Stoßfänger weit nach außen gerückt, um die im Verhältnis zum ix35 um drei Zentimeter gewachsene Breite auch optisch zu unterstützen. Gleiches wurde mit den Reflektoren im Heck gemacht. Wobei hier bei den höheren Ausstattungsvarianten - ebenfalls für die Emotion - zwei trapezförmige Endrohrblenden in den angedeuteten Unterfahrschutz integriert wurden.
Auch in der Seitenansicht hat Bürkle sich etwas einfallen lasse, um dem Tucson, der in der Länge um sechs Zentimeter im Vergleich zu seinem Vorgänger gewachsen ist, etwa Außergewöhnliches zu geben. Gemeint sind hier nicht die Tornadolinie, die in den hinteren Kotflügeln zu einem Z ausläuft, die ansteigende Schulterlinie oder die extrem flache Front- oder Heckscheibe. Nein, es sind die Verblendungen der Radkästen. Die sind nämlich nicht rund, was dem Tucson im Verbund mit 19 Zöllern einen sehr individuellen Auftritt verleiht.
Wertig aber nüchtern
Doch während der ehemalige BMW-Designer, der seit zehn Jahren die Linien bei Hyundai bestimmt, außen alle Register ziehen konnte, musste er im Inneren Abstriche machen. Nicht beim Raumgefühl, da ist der Tucson Benchmark, nein, es ist der Blick auf die Armatur, der den Betrachter stutzen lässt. Hatte eben noch alles High Class, wohnt hier die Nüchternheit. Das sieht nicht schlecht aus, entlockt dem Betrachter aber auch kein "Ah" und "Oh". Fragt man Bürkle, dann stimmt er zu. "Wir hätten uns natürlich auch hier etwas mehr gewünscht. Aber der Tucson ist jetzt schon knapp 1500 Euro teurer als der ix35. Irgendwo mussten wir Abstriche machen."
Keine Abstriche gab es bei den Materialien. Das Volant ist nicht mehr mit diesem Glattleder bezogen, das einem im Verbund mit dem extrem schmalen Lenkradkranz in jeder Kurve durch die Finger zu rutschen droht, sondern ruht nunmehr satt und mit griffigem Nappa bezogen fest in den Händen. Die Knöpfe und Schalter haben angenehme Druckpunkte und selbst die Stoffe und die perforierte Rinderhaut wurden in Rüsselsheim, immer mit Augenmerk auf Wertigkeit und Langlebigkeit, ausgesucht. Auch das ein deutlicher Pluspunkt gegenüber dem Vorgänger.
Fünf Triebwerke im Angebot
Und da wir gerade bei den Pluspunkten sind, sollen auch Fahrwerk, Lenkung, Motor und Getriebe nicht unerwähnt bleiben. Na gut, eine Einschränkung mit Blick auf die Triebwerke gibt es. Der Einstiegsbenziner ist der 1,6 Liter Saugmotor mit 136 PS, der seine Arbeit bereits im i30 verrichtet. Mit diesem Aggregat muss man in jeder Hinsicht einen gewissen Langmut aufbringen. Auch wenn sich zugegebenermaßen der Handschalter ausgezeichnet durch die Gassen bewegen lässt.
Ganz anders zu Werke geht der neue turbogeladene 1,6 Liter Benziner, der mit 24.900 Euro aber schon 2500 Euro mehr kostet als das Einstiegsmodell. Der Selbstzünder leistet 177 PS und verteilt 265 Newtonmeter auf die Vorderachse oder auf Wunsch an alle vier Räder. Knapp neun Sekunden werden hier für den Sprint auf Tempo 100 benötigt. Bedenkenlos kann der Kunde hier auch zur Automatik greifen, die als Trockenkupplungsgetriebe (DCT) über sieben Schaltstufen den Tucson nach vorne schiebt. In der Spitze bewegt er sich so befeuert bis auf 200 km/h.

Mit 513 Liter Kofferraumvolumen liegt der Tucson deutlich über den Werten seines Vorgängers.
(Foto: Holger Preiss)
Den Verbrauch gibt Hyundai mit 7,5 Litern Super auf 100 Kilometer an. Flott gefahren, standen nach einer ersten Testfahrt knapp 9,0 Liter auf der Uhr. Sparsamer ist natürlich der 1,7 Liter Diesel, der mit 116 PS und 280 Newtonmetern immer noch recht druckvoll zu Werke geht, aber mit einer angegebenen Endgeschwindigkeit von 176 km/h eher zum Dahingleiten auf langen Strecken, denn zur sportlichen Kurvenhatz einlädt. Wer es dennoch versucht, dürfte vom Verbrauch ein wenig enttäuscht sein. Angegeben werden 4,6 Liter, abgelesen wurden satte 8 Liter, die sich der Tucson auf dem Loop genehmigte.
Deutlich kraftvoller ist man mit den zwei größeren Ausbaustufen der 2.0-Liter-Selbstzünder unterwegs. Beide Triebwerke sind bereits im ix35 und im Santa Fe verbaut, leisten 136 oder 185 PS, haben aber auch einen ordentlichen Zug am Leibe und sind im Alltagsbetrieb von den knapp fünf beziehungsweise sechs Litern Diesel weit entfernt.
Der kann auch um die Kurve hetzen
Doch für welchen Antrieb sich der Käufer auch entscheidet, einen großen Schritt haben die Koreaner bei der Fahrkultur und Fahrsicherheit gemacht, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass Fahrwerk und Lenkung in Deutschland entwickelt und im Testzentrum auf dem Nürburgring abgestimmt wurden. So gibt es jetzt eine erweiterte Traktionskontrolle, eine elektrisch unterstützte Servolenkung und einen Drive-Mode-Select-Schalter, der nur noch zwei Stufen bietet: Normal und Sport. Damit hat sich Hyundai von dem oft und nicht zu Unrecht kritisierten Flex-Steer-System verabschiedet, bei dem lediglich die Lenkwiderstände verringert oder erhöht wurden, was recht indirekt und synthetisch daherkam.
Jetzt werden über die zwei Stufen die Lenkung, die Gaskennlinie und die Schaltzeiten des Automatikgetriebes verändert. Noch mehr Spaß hätte man, wenn die Spreizung des Getriebes hier etwas größer wäre. Im Zusammenspiel mit der neuen hochsteifen Karosserie und dem schon erwähnten Fahrwerk kann der 1,5 Tonnen schwere Tucson, selbst mit 19-Zoll-Bereifung und besser spürbaren Rückstellkräften der Lenkung erstaunlich sportlich in die Kurven gelegt werden. Ohne große Seitenneigung oder dem Hang zum Untersteuern zieht das SUV seine Bahn, selbst dann, wenn die Reifen bei der Kurvenhatz schon quietschen. Womit wir auch gleich bei der Geräuschkulisse sind. Waren Roll-, Wind- und Motorgeräusche im ix35 noch ein Thema, überrascht der Tucson auch hier mit echter Fahrkultur.
Neue Assistenten
Zudem hat der Nachfolger des ix35 bei den Assistenzsystemen zugelegt. Neben einem radargestützten Auffahrwarnsystem, das auch Fußgänger und Radfahrer erkennt und im Ernstfall eine automatische Notbremsung einleitet, gibt es Totwinkelwarner, eine kamerabasierte Verkehrszeichenerkennug und einen aktiven Spurhalteassistenten. Wer will, kann das SUV auch mit einem automatischen Parkassistenten aufrüsten, der den Wagen nicht nur in, sondern auch vollautomatisch aus der Parklücke manövriert. Was es in absehbarer Zeit ebenfalls im Tucson geben wird, ist die Möglichkeit das Smartphone über GoogleAuto oder Apple CarPlay auf dem großen Acht-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole zu spiegeln. In den USA ist man jedenfalls schon so weit, versichert Voss.
Wer sich beim Kauf seinen Tucson für die höchste Ausstattungsvariante Premium entscheidet, die die hier aufgezählten Beigaben fast in Gänze enthält, der muss mindestens 34.450 Euro bereithalten. Dass das die Käufer nicht abschreckt, beweist der Umstand, dass Hyundai mit dem Tucson erstmals ein Auto in den Verkauf gebracht hat, bevor es den Weg in den Showroom schaffte. Die sogenannte Intro-Edition ist mit üppiger Ausstattung und 31.400 Euro kein Schnäppchen. Und dennoch war innerhalb von zwei Wochen die komplette Juni-Produktion aus dem Werk im tschechischen Nosovice ausverkauft.
Quelle: ntv.de