
Deutlich verschärft präsentiert sich der neue Nissan Micra der europäischen Käuferschaft.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Das Ding mit den Weltautos ist irgendwie flächendeckend in die Hose gegangen. Insofern muss auch Nissan der Versuch mit dem Micra verziehen werden. Zumal die fünfte Generation sich jetzt mit geschärften Linien und einem außergewöhnlichen Extra präsentiert.

Der kühne Schwung bis in die Rückleuchten soll an den Nissan 370Z erinnern.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Der neue Nissan Micra hat sich verändert. Die Idee des Weltautos ist nach mauen Verkaufszahlen über die letzten zehn Jahre endgültig passé. Lediglich 75.000 Exemplare wurden von der hoch bauenden Variante der vierten Generation weltweit verkauft. Scharfe, fast expressionistische Züge zeichnen den "All New Micra" jetzt aus. Wie Qashqai, X-Trail und Juke wurde auch der Micra im Designzentrum in England gezeichnet und ganz auf den europäischen Geschmack zugeschnitten. Mit Spannung zieht sich eine große Welle vom gepfeilten Kühlergrill über die Kotflügel bis in die Heckleuchten. Die sollen im Übrigen mit ihrer Bumerang-Form eine Hommage an den 370Z sein.
Mit den kühnen Schwüngen hat sich der Micra auch auf stattliche 3,99 Meter gestreckt. Die Dachlinie läuft weit aus und sorgt zusammen mit den in den Holmen versteckten Griffen für die Fondtüren für einen unerwartet sportlichen Auftritt. Nachteil dieses Design-Kniffs ist der Umstand, dass der Schulterblick des Fahrers im Nichts endet, denn im Zusammenspiel mit der C-Säule verdeckt er den hinteren Bereich komplett. Darüber kann man greinen, aber Dynamik hat eben ihren Preis und Nissan bietet für den Micra immerhin einen Around View Monitor mit 360-Grad-Rundumsicht und einen Totwinkelwarner an, der optional bereits für die unterste Ausstattungslinie Visia gebucht werden kann.
Nicht ganz überzeugend

Kühn geschwungen und aufgeräumt zeigt sich der Innenraum des neuen Nissan Micra.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Auch sonst geizt der Japaner nicht mit Assistenzsystemen. Neben einem aktiven Bremsassistenten, der auch Fußgänger erkennt, gibt es einen adaptiven Spurhalteassistent. Der soll laut Nissan nicht wie die bekannten Helfer anderer Hersteller beim Verlassen der Spur in die Lenkung eingreifen, sondern mit einem dezenten Bremseingriff den Wagen wieder auf den Weg bringen. Leider ist beim ersten Testlauf auch bei mehrfachen Versuchen von diesem Feature nichts zu spüren. Zwar machte das System akustisch und über die Lenkrad-Vibration auf das Überfahren von Trennlinien aufmerksam, eine Rückführung des Micra konnte hingegen nicht festgestellt werden. Auch die Bremshilfe zeigte eine etwas späte Reaktion, die auf gute Bremsen und Mut zu setzen scheint.
Eine positive Überraschung ist der Innenraum. Um den sportlichen Anspruch zu unterstreichen, hat Nissan den Fahrer tiefer als in den Vorgängermodellen platziert. Sein Blick spannt sich über ein Armaturenbrett, das die Designer nicht zu Unrecht mit den Flügeln eines Segelflugzeugs vergleichen und das in der höchsten Ausstattungslinie Tecna sogar mit gestepptem Leder bespannt ist. Auch die Seitenauflage für die Knie in der Mittelkonsole ist mit dem Naturmaterial verkleidet und weich unterlegt. Insgesamt sind mehr als 75 Prozent des Dashboards mit weich geschäumter Plastik überzogen und sorgen so an den Hauptteilen auch für ein haptisches Vergnügen.
Klein, fein und sportlich
Auf Knöpfe und Schalter zur Bedienung der wesentlichen Funktionen verzichtet der neue Micra bewusst. Zeitgemäß erfolgt die Steuerung entweder über die im Tecna verfügbare 7 Zoll große Multimediaeinheit mit Touchscreen oder über die Bedienelemente am Sportlenkrad, wobei die Menüführung in einem 5 Zoll großen Vollfarbdisplay zwischen den analogen Rundinstrumenten ablesbar ist. Ebenso erfreulich sind die ausgezeichneten Sportsitze, die in Kurven nicht nur einen entsprechenden Seitenhalt, sondern auch ordentlichen Langstreckenkomfort bieten.
In der ersten Reihe kann man so platziert ohne Probleme auch die Urlaubsreise angehen. Schwieriger wird es im Fond. Hier ist hochgewachsenen Menschen die dynamische Dachlinie im Weg und auch die Kniefreiheit ist trotz eines außergewöhnlichen Radstandes von 2,52 Meter beschränkt. Dafür erfreut der Kofferraum mit 300 Litern Fassungsvermögen bei aufrechter Rückbank und 1004 Litern, wenn sie umgelegt wird. Dass hier eine recht hohe Stufe entsteht, ist in diesem Segment nicht außergewöhnlich und deshalb auch nicht zu bekritteln.

Zwischen 300 und 1004 Liter Ladevolumen bietet das Gepäckabteil im Nissan Micra.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Auch über das Fahrwerk kann nicht gemeckert werden. Das ist Nissan eigen und fußt auf der sogenannten variablen Plattform, auf der zum Beispiel auch der Juke ruht. Unebenheiten der Straße wurden ordentlich ausgefedert und die Seitenneigung in flott durchfahrenen Kurven hielt sich in Grenzen. Auch hier war der sportliche Ansatz spürbar, der durch zwei Technologien unterstützt wird: Zum einen die sogenannte "Intelligente Fahrkomfortregelung", die Fahrbahnunebenheiten auszugleichen versucht und die "Spurkontrolle", die Geschwindigkeit, Lenkwinkel und Bremsaktivität überwacht. Durch eine einzelnes Abbremsen der Räder können hier Tendenzen zum Untersteuern unterdrückt werden. Nicht ganz so überzeugend stellte sich hingegen die Lenkung dar. Die gab zwar ausreichend Rückmeldung, wirkte aber dennoch etwas synthetisch, was die Dynamik dann wieder etwas bremst.
Echte Dynamiker müssen warten
Apropos Dynamik: Zum Marktstart im März wird der Micra vorerst mit drei Motoren angeboten. Zum einen steht ein 1.0 Liter Vierzylinder Saugmotor mit 73 PS zur Verfügung, dessen Performance allerdings sehr limitiert sein dürfte, zum anderen gibt es einen 1,5 Liter Diesel, der 90 PS leistet, und einen ebenso starken 0.9 Liter Dreizylinder Benziner mit Turboaufladung. Letztgenanntes Aggregat stand auf einer ersten Fahrpräsentation zur Verfügung und konnte so einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Das von Renault übernommene Triebwerk, das im Übrigen auch im Clio und im Smart zu finden ist, wurde selbstredend nicht eins zu eins in den Micra übernommen.

Für den Micra hat Bose seine Lautsprecher in den Kopfstützen der Vordersitze verbaut.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Die Kennlinie wurde dem optischen Anspruch angepasst, was in dieser Klasse seine natürlichen Grenzen hat. Im Ansprechverhalten ist der kleine Japaner recht spontan und zieht aus dem Stand behände an. Mit 12,5 Sekunden auf Tempo 100 reißt der Micra natürlich nicht den Asphalt auf und auch eine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h ist nicht dazu angetan, die Rennstrecke zu besuchen. Wer das möchte, muss sich noch etwas gedulden. Nissan plant zum einen eine potentere Motorisierung für die Standardmodelle, aber auch eine Nismo-Version, die dann auch Performance-Freunde begeistern soll.
Hammer-Sound nicht unter der Haube
Für den Normalbetrieb reicht der Dreizylinder aber allemal. Limitiert ist der Dreiender lediglich auf bergigen Passagen. Hier muss das sauber schaltende manuelle Fünfganggetriebe fleißig bewegt werden, damit die Fuhre gut am Gas hängt. Ein Automatikgetriebe könnte die Arbeit an dieser Stelle deutlich erleichtern. Perspektivisch soll das auch für den Micra angeboten werden, wann, steht allerdings noch nicht fest. Die entsprechend höheren Drehzahlen, die beim Auf und Ab in den Bergen benötigt werden, sorgen dann natürlich auch für einen entsprechend höheren Verbrauch. Mit etwa acht Litern muss hier gerechnet werden. Im ruhigen Lauf hingegen werden kaum mehr als 6,4 Liter über 100 Kilometer konsumiert. Ein akzeptabler Verbrauch, der ebenso erfreute wie die Laufruhe. Der Motor hielt sich dezent im Hintergrund und auch Roll- und Windgeräusche blieben dem Innenraum fern. Lediglich Steinchen, die ab und an in die Radkästen flogen, waren deutlich zu vernehmen.
Diese Geräuschkulisse lässt sich aber im neuen Micra mit einem in dieser Klasse bis dato einzigartigen Klangerlebnis übertönen. Nissan bietet in Kooperation mit Bose ein Soundsystem an, dessen Lautsprecher sich in den Kopfstützen von Fahrer und Beifahrer befinden. Im Zusammenspiel mit den Tieftönern in den vorderen Türen und den Hochtönern in der A-Säule sorgen sie für ein tatsächlich erstaunlichen Hörgenuss. Bose verspricht sogar für Freunde von basslastigen Beats, dass ein zusätzlicher Subwoofer im Kofferraum überflüssig ist. In der höchsten Ausstattungslinie Tecna ist das System in den 19.990 Euro, die für den Dreizylinder verlangt werden, bereits enthalten. Andernfalls werden hier zusätzlich 1000 Euro fällig.
Die preiswerteste Variante des Micra, der 1.0 Liter Benziner mit besagten 73 PS, kostet in der untersten Ausstattungslinie Visia 12.990 Euro. Hier muss der Käufer sich allerdings mit einer doch recht abgespeckten Variante zufrieden geben. Die Highlights belaufen sich auf eine in Höhe und Längsrichtung verstellbare Lenksäule, einen Berganfahrassistent und die schon erwähnte Spurkontrolle und die Fahrkomfortregelung. Für Sparfüchse könnte also auch das eine Option sein. Wer Wert auf technische Finessen wie schlüssellosen Zugang, Bluetooth, USB-Anschluss, Navigationssystem und Ambientelicht legt, der sollte mindestens 18.590 Euro in die Hand nehmen. Im Vergleich mit der direkten Konkurrenz, die die Japaner im Ford Fiesta, VW Polo oder Skoda Fabia sehen, soll der Preis bei gleicher Ausstattung unter denen der Mitbewerber liegen. Wer sich selbst ein Bild vom Micra machen will, muss sich bis April gedulden, dann steht er bei den Händlern.
Quelle: ntv.de