Neuer Blitz aus Rüsselsheim Opel Astra überstrahlt seine Klasse
23.09.2015, 08:02 Uhr
Mit neuem Grill und tieferen Sicken präsentiert sich der neue Opel Astra.
(Foto: Holger Preiss)
In den letzten Jahren ist das Selbstwertgefühl bei Opel gewachsen. Kein Wunder, Mokka und Insignia sind Verkaufsschlager. Jetzt soll der neue Astra aufschließen. Das Zeug dazu hat der Rüsselsheimer, wie eine erste Ausfahrt unter Beweis stellt.
Auf der IAA trumpfte Opel mit der fünften Generation des Astra auf. Scharen von interessierten Messebesuchern tummelten sich auf dem Stand der Rüsselsheimer, um den Nachfolger des Bestsellers in Augenschein zu nehmen. Und dennoch geben sich die Opelianer bescheiden. Natürlich werde man auch mit dem neuen Kompakten den ewigen Klassenbesten, den VW Golf nicht überholen. Aber, und da sind sich die Verantwortlichen sicher, Opel biete mit der fünften Generation ein Auto an, das so im Moment in dieser Klasse auf dem Markt nicht zu bekommen ist. Das wird besonders deutlich, wenn man bei der Kaufentscheidung das Preis-Leistungs-Verhältnis zurate zieht. Denn Opel hat seinen Bestseller nicht nur in ein schickes Kleid gesteckt, sondern ihm auch die neuesten Assistenzsysteme, eine komplett neue Motorenpalette, eine Konnektivität wie man sie bisher nur aus der Oberklasse kennt sowie ein Matrix-LED-Licht unters Blech gepackt, das keine Schattenseiten hat.
Die Abrisskante am Heck, der Bruch in der C-Säule sowie die neuen Heckleuchten zeichnen das Hinterteil des neuen Astra aus.
(Foto: Holger Preiss)
Das Wichtigste für den Interessenten dürfte aber sein, dass der neue Astra sich noch besser fährt als sein Vorgänger. Bereits die vierte Generation glänzte mit einem sehr ausgewogenen Fahrwerk. Nummer fünf kann es noch besser und dazu dürfte auch beitragen, dass der Wagen bis zu 200 Kilogramm abgespeckt hat. Allein 80 Kilo wurden dank fester und hochfester Stähle beim Rohbau gespart. In Summe ist es dann fast egal, ob man sich für einen der fünf Benziner, deren Leistung von 95 PS bis 200 PS reicht, oder einen der drei Diesel mit 95, 110 und 136 PS entscheidet. Alle Aggregate sind neu, wobei an dieser Stelle drei besonders herausgestellt werden sollen.
Quirliger Zwerg oder Langläufer?
Der kleinste Turbobenziner ist der Dreizylinder mit 105 PS. Ein Motor, der in erster Linie durch sein spontanes Ansprechverhalten begeistert und mit der Tatsache, dass er auch im unteren Drehzahlbereich recht durchzugsfreudig ist. Ebenfalls zu den positiven Überraschungen zählt die Laufruhe des Zwergs. Auf porösem Asphalt wird sein kerniger Klang sogar von den Rollgeräuschen übertroffen. Auch die Datenblattwerte gehen hier absolut in Ordnung. Mit den 170 Newtonmetern Drehmoment wird keiner den Gummi von den Felgen reißen, aber es reicht, um den Fünftürer in 11,2 Sekunden an die Tempo-100-Marke zu beschleunigen, mit etwas Geduld sind sogar 200 km/h in der Spitze möglich.
Allerdings ist anzunehmen, dass Käufer dieses Motors sich weniger von der Sportlichkeit, als vielmehr von den Vorzügen des versprochenen Verbrauchs locken lassen. Im NEFZ wurden erfreuliche 4,2 Liter vermerkt. Während der ersten Ausfahrt waren es dann doch 6,4 Liter und beim vermehrten Tritt auf den Pin standen schon mal über sieben Liter auf der Uhr. Dennoch ist das quirlige Kerlchen eine echte Überraschung und mit einem Einstiegspreis von 17.960 Euro eine echte Alternative zu den ebenfalls neuen 1,4 Liter Triebwerken mit 125 PS und 150 PS - über die wir zu gegebener Zeit noch sprechen werden.
Nicht unerwähnt sollen aber der 1,6 Liter Diese mit 136 PS und der 2.0 Liter Turbobenziner mit 200 PS bleiben. Während der eine sich auf der ersten Ausfahrt mit einem Durchschnittsverbrauch von echten 4,9 Litern als Sparkünstler erwies, zeigte der andere seine durchaus sportliche Seite. 235 km/h sind hier kein Problem, dafür im Moment der Erwerb. Während alle anderen Motoren bereits ab dem 10. Oktober bei den Händlern sind, wird der Sportfreund auf den vorerst stärksten Astra noch bis zum Frühjahr warten müssen. Auch wie viel für den momentan stärksten Astra berappt werden muss, ist noch nicht bekannt.
Dafür steht der Preis für den auf Langstrecke ausgelegten Diesel schon fest. Ab 24.910 Euro ist hier der Einstieg möglich. Letztlich ist es aber egal, für welche Motorisierung man sich entscheidet. Eines ist allen Modellen eigen: Das Fahrwerk ist extrem gut gelungen, Unebenheiten der Straße werden sauber ausgefedert und unangenehme Wankbewegungen bei schnellen Lastwechseln sind dem neuen Astra fremd. Auch die Spurtreue in Kurven muss an dieser Stelle gelobt werden. Ebenso wie die über alle Modelle sauber durch die Gassen zu führenden Fünf- und Sechsganghandschalter. Die Frage nach den Automatikgetrieben, die es für alle hier besprochenen Motorisierungen geben wird, muss der Autor an dieser Stelle allerdings schuldig bleiben. Zur Zeit der Testfahrt waren die noch nicht verfügbar.
Mehr Platz und neue Sitze
Nicht unerwähnt bleiben sollen aber die neu entwickelten Polster. Wer sich hier für die ergonomisch ausgeformte Highend-Schale entscheidet, kann für 1790 Euro extra auf 18 Verstellmöglichkeiten zugreifen, sich den Rücken massieren, den Po kühlen oder beheizen und sogar die Seitenwangen elektrisch in den Latissimus pressen lassen. Wer nicht alle hier erwähnten Features haben will, kann sich bereits ab 390 Euro ergonomisch korrekt betten. Fünf Jahre haben Opel Ingenieure gemeinsam mit der Aktion gesunder Rücken diese Sitze entwickelt. Rückenschmerzen sollte hier jedenfalls keiner mehr bekommen.
Im Übrigen haben die neuen Sitzschalen noch einen anderen Vorteil und den bekommen vor allem die Fondpassagiere zu spüren. Durch die schmaleren Rückenlehnen wächst deren Kniefreiheit nämlich deutlich. Ohnehin haben die Reisenden in dem um 4,9 Zentimeter geschrumpften Astra deutlich an Platz gewonnen. Stolz ist man bei Opel auch darauf, dass es im Kompakten jetzt Assistenzsysteme gibt, die man so in Funktion und Breite nur aus der Oberklasse kennt. Dank einer neuen Frontkamera sind jetzt neben Verkehrszeichenerkennung auch ein adaptiver Spurhalteassistent und eine Multikollisionsbremse optional zu haben, die bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h eingreift. Über IntelliLink können Smartphones, egal ob Apple- oder Google-Betriebssystem, auf einem sieben Zoll großen TFT gespiegelt werden. Wer aber doch lieber auf ein integriertes Navi zugreift, der muss auf die Google-Konnektivität noch einen Moment warten und entsprechend tiefer in die Tasche greifen.
Matrix-LED überstrahlt die Konkurrenz
Nicht warten muss der Astra-Interessent auf das neue Matrix-LED-Licht. Dessen großer Vorteil für 1150 Euro extra ist, dass es sich dem Verkehr adaptiv anpasst. Fahrzeuge im fließenden Verkehr werden bei permanentem Fernlicht punktgenau ausgeblendet, wobei Verkehrszeichen und die rechte Fahrbahnseite bis zu 95 Prozent ausgeleuchtet bleiben. Die dadurch verbesserten Reaktionszeiten beziffert Opel auf insgesamt 1,5 Sekunden, was im Durchschnitt einer Strecke von etwa 40 Metern entspricht. Als weiterer Vorteil für den Käufer kommt hinzu, dass Matrix-Lampen wesentlich langlebiger sind als herkömmliche Strahler. Und weil die Innovationen damit noch nicht abgeschlossen sind, sei auch erwähnt, dass im neuen Astra auf Wunsch ein WLAN-Hotspot zur Verfügung steht, an den sich bis zu sieben Endgeräte koppeln lassen.
Die notwendige SIM-Karte ist ohnehin verbaut, denn Opel bietet für hiesige Fahrzeuge jetzt das System OnStar an. Ein Service, der bei Modellen von General Motors bereits seit 19 Jahren in den USA genutzt wird und auch bei in China verkauften Fahrzeugen zur Anwendung kommt. Zu den Vorzügen gehören ein Concierge-Service, der auf Knopfdruck Routendaten auf das Navi überträgt oder auch das nächste Hotel bucht, Fahrzeugdiagnosen liefert, das Auto ortet, wenn es gestohlen wurde, und bei einem Unfall die Rettungskräfte ruft. Das alles rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. OnStar ist bei den Ausstattungslinien Dynamik und Innovation Serie. Die Kosten für den Telefondienstleister, den es dafür braucht, sind im Kaufpreis für ein Jahr enthalten. Danach muss ein entsprechender Vertrag abgeschlossen werden. Wobei auch hier im Monat nicht mehr als 10 Euro fällig werden.
Selbst wenn der Astra auch diesmal nicht am Golf vorbeizieht, dürften Käufer, die mit ähnlichen Konkurrenzmodellen liebäugeln, überlegen, ob nicht der Opel die bessere Wahl ist. Denn das, was die Rüsselsheimer in Summe für den Kompakten anbieten, sucht für den Moment in dieser Klasse seinesgleichen. Natürlich wird alles hier Erwähnte auch für den in Deutschland beliebten Sportstourer zu haben sein. Allerdings wird der Kombi erst im Frühjahr kommenden Jahres auf den Markt rollen. Für Opel ist der neue Astra bei der Modelloffensive auf jeden Fall ein weiterer Schritt nach vorne. Bis 2020 wollen die Rüsselsheimer fußend auf dem neuen Design, das auch den geschärften Astra prägt, 29 neue Modelle auf den Markt bringen. Insofern ist der Kompakte zwar eine Art Auftakt, aber kein Blitz aus heiterem Himmel.
Quelle: ntv.de