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Neuer Ruhm an alter Stelle Opel belebt noch einmal das Grüne Monster

Das Grüne Monster von Opel, eine Höllenmaschine, die wohl nur die tollkühnsten Piloten beherrschen.

Das Grüne Monster von Opel, eine Höllenmaschine, die wohl nur die tollkühnsten Piloten beherrschen.

Das Grüne Monster von Opel trägt seinen Namen zurecht. Denn der Rennwagen aus dem Jahr 1914 ist die Hölle wenn er denn Rauch und Feuer spukt, während er teuflisch schnell wird. Ihn zu fahren braucht eine Portion Verwegenheit.

Carl Jörns war in den 1920er Jahren erfolgreicher Bezwinger des Grünen Monsters.

Carl Jörns war in den 1920er Jahren erfolgreicher Bezwinger des Grünen Monsters.

12,3 Liter Hubraum – sticht! Mit der aktuellen Modellpalette von Opel mag man sich im Autoquartett vielleicht schwertun. Doch wer den Kartensatz mit den historischen Rennwagen aus dem Regal zieht, der hat mit den Hessen gute Chancen. Denn zumindest in den 1920er Jahren haben sie in Rüsselsheim ein Auto gebaut, das so manchen Stich machen konnte, und nicht umsonst das Grüne Monster hieß. Sein 12,3 Liter großer Reihenvierzylinder ist der größte Motor, der je bei Opel zusammengeschraubt wurde, die Auspuffrohre sind dick wie bei einem Kanonenofen und spucken genau so viel Feuer und mit einem Tempo von 228 km/h hat der dunkelgrüne Zweisitzer 1922 am Strand der dänischen Nordseeinsel Fanö sogar einen Geschwindigkeits-Weltrekord eingefahren.

Ein Motor mit Rädern

Das ist jetzt 96 Jahre her und die meiste Zeit davon hat das Grüne Monster brav und friedlich im Werk gestanden. Doch weil sich mit großen Schritten der runde Geburtstag des Rekordes nähert und weil man sich in schweren Zeiten gerne seiner glorreichen Vergangenheit erinnert, hat Opel den Wagen in den letzten Monaten noch einmal flott gemacht und ihn zur ersten Ausfahrt nach der Restaurierung an den gleichen Strand gebracht, auf dem er damals seinen Sieg errungen hat.

Heute begegnet man dem Grünen Monster immer noch mit einer gehörigen Portion Respekt.

Heute begegnet man dem Grünen Monster immer noch mit einer gehörigen Portion Respekt.

Wo es eben noch ruhig und romantisch war, zerreißt plötzlich ein Knall die Stille, die Möwen stieben auf, der Sand spritzt meterhoch und schwarze Wolken aus Ruß, verbranntem Öl und hochoktanigem Treibstoff verdunkeln den strahlend blauen Himmel. Es ist genau wie damals, nur dass diesmal nicht der legendäre Draufgänger und Rennfahrer Carl Jörns am Steuer sitzt, sondern ein Journalist. Der hat zwar vom alten Bentley bis zum neuen Bugatti schon so ziemlich alles in Händen gehabt, was viele Zylinder und noch mehr Leistung hat. Doch ein Motor mit Rädern, und was anderes ist das Grüne Monster im Grunde nicht, ist auch für ihn eine Premiere.

Feinfühlig das Monster zähmen

Für einen "Sportwagen" sitzt man aufgrund der riesigen Speichenräder ungewöhnlich hoch. Einen Meter über dem sandigen Boden in einer winzigen grünen Wanne, klemmt der Fahrer fest zwischen einem mit Leder bespannten Holzbrett unter dem Hintern und dem riesigen Lenkrad vor dem Bauch. Direkt an den Füßen rotiert die offene Kupplung, unten schabt die Welle zur angetriebenen Hinterachse, davor nichts als Motor. Der hat zwar nur vier Zylinder, aber weil jeder einzelne davon mehr Hubraum hat als das größte Triebwerk aus der aktuellen Opel-Palette zusammen, kommt er auf imposante 12,3 Liter und baut so hoch, dass die 16 Ventile oben durch Löcher aus der endlos scheinenden Haube schießen.

12,3 Liter Hubraum: Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich.

12,3 Liter Hubraum: Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich.

Beim Start stottert er ein bisschen, verschluckt sich und schickt noch ein paar Rauchschwaden durch den hoch oben entlang des Wagens geführten Auspuff, der nach wenigen Minuten glüht und sich bei so manchem Beifahrer buchstäblich in Erinnerung gebrannt haben soll. Doch je feinfühliger man mit dem in die Mitte gerückten Gas spielt, desto runder läuft das Stahlgebirge im Bug.

Der Moment der Wahrheit

Sobald die Zylinder rhythmisch stampfen, kommt der Moment der Wahrheit. Mit sanftem Nachdruck zwingt man den außen angeschlagenen und armlangen Schaltknüppel durch die Messing-Kulisse in den ersten Gang, lässt vorsichtig die schwere Kupplung kommen, bevor die Wade die Kraft verliert, und fühle sich plötzlich wie die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten, die zu unserer Jugend durchs Fernsehprogramm geflimmert sind. Denn noch nie haben sich 260 Pferdestärken derart wild und wütend angefühlt, wie bei diesem Urzeitmonster. Ein Ferrari oder ein McLaren sind dagegen handzahm und friedlich und vor allem hoffnungslos unterkühlt.

Es braucht Kraft, um das Monster mit diesem Lenkrad um die Kurven zu zwingen.

Es braucht Kraft, um das Monster mit diesem Lenkrad um die Kurven zu zwingen.

Mit unglaublicher Kraft schiebt der Wagen geradeaus und man mag gar nicht daran denken, wie man ihn um die Kurven zwingen soll. Selbst wenn das Lenkrad für den besseren Grip mit einer groben Schnur umwickelt ist. Gut, dass es hier am Strand von Fanö immer schön gerade ausgeht. Denn mit dem Schalten hat der Pilot weiß Gott genug zu tun. Ans Lenken und ans Bremsen mit dem Pedal ganz rechts oder besser mit dem noch längeren Hebel neben der Schaltung will man da gar nicht denken.

Aber wer hat schon die Bremsen in einem Renner im Sinn, der allein für Rekorde gebaut worden ist. Schneller und immer schneller schiebt der die Bestie deshalb über den betonharten Sand, immer höher wirbeln die hüfthohen Speichenräder den Schlick hinter das Auto, der Wind pfeift einem um die Ohren und jedes Mal, wenn irgendwo noch ein bisschen Wasser von der letzten Flut steht, klatscht einem eine Ladung nasser Matsch ins Gesicht. Das kommt davon, wenn man sich aus der Deckung der viel zu kleinen Scheibe traut, die sie einst hinter das Lenkrad gesteckt haben. Und dabei fährt das Ungetüm doch bislang mit kaum mehr als Standgas und hat es gerade mal in den zweiten von vier Gängen geschafft.

Was für ein Himmelhund

Mit dem Grünen Monster war Opel seinerzeit in aller Munde.

Mit dem Grünen Monster war Opel seinerzeit in aller Munde.

Kaum auszudenken, wie sich eine Fahrt mit Vollgas anfühlt, wenn der damals rund 80.000 Reichsmark teure Renner auf mehr als 200 Sachen beschleunigt. Und was muss dieser Jörns für ein Himmelhund gewesen sein, dass er den Wagen nicht nur beim Sprint am Strand gefahren hat, sondern auch auf Rundstrecken und bei Bergrennen. Über 100 Rennen hat er gewonnen und das Grüne Monster zu einem der erfolgreichsten Autos in der Opel-Historie gemacht. Dagegen war selbst Walter Röhrl ein Waisenknabe.

Vom aktuellen Fahrer ganz zu schweigen. Denn selbst wenn das Schalten irgendwann halbwegs ohne Knarzen gelingt und man die bollernde Bestie im ganz großen Bogen sogar tapfer um die Kurven zwingt, ist man von Vollgas Lichtjahre entfernt. Aber wer Angst oder zumindest Respekt hat angesichts dieses Gebirges aus Stahl und Kraft, der muss sich dafür nicht schämen, sondern befindet sich in guten Gesellschaft. Denn selbst Carl Jörns soll das Gaspedal nie voll durchgetreten haben. Jahre, nachdem der Rennfahrer in Rente gegangen ist, hat er deshalb eingeräumt, dass er zwar immer wissen wollte, ob vielleicht sogar 250 Sachen drin gewesen wären, sich aber nie getraut habe, es auszuprobieren. Musste er ja auch nicht. Denn beim entscheidenden Rennen haben ja schon 228 km/h für den großen Erfolg gereicht und das Grüne Monster zu einem Spitzentrumpf im Autoquartett gemacht.

Quelle: ntv.de, sp-x

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