Französischer Hoffnungsträger Renault Rafale - Neustart in der Mittelklasse


Dass Renault mit der Namensgebung seines jüngsten SUV an das Flugzeugunternehmen Caudron erinnern will, welches der französische Hersteller Anfang der 30er-Jahre vor der Pleite rettete, wirkt bemüht und ist weit hergeholt. Nun gut, ein kleiner Gag eben.
(Foto: Hersteller/Renault)
Renaults Komplettierung der Mittelklasse erfolgt künftig mit einem weiteren SUV. Dieses ist tendenziell komfortabel ausgelegt und kommt mit einem gerüttelt Maß an Infotainment und sonstiger Technologie. Kommen Sie gerne mit auf die erste Fahrt.
Wer in den kommenden Tagen zum Renault-Händler schlendert und sich für die neue Mittelklasse der Marke namens Rafale interessiert, erfährt erstens, dass er weiterhin SUV wird fahren müssen (die Limousine sowie der Kombi mit der Bezeichnung Talisman wurden schon vor rund zwei Jahren eingestellt). Zweitens entfällt die Qual der Wahl, denn vorerst gibt es bloß einen einzigen Antrieb mit Hybridtechnologie sowie 200 PS Systemleistung. Im Herbst wird Renault noch einen Plug-in-Strang mit 300 PS nachreichen, aber dieser wird sich preislich absetzen und von der Zielgruppe spitzer positioniert sein.

Achten Sie bitte genau auf den Grill: Er ist im Op-Art-Stil gehalten. Schade, dass man das nicht so gut erkennen kann.
(Foto: Hersteller/Renault)
Also bitte zunächst auf das Grundmodell konzentrieren und bei dieser Gelegenheit einen Blick auf die Außenhaut werfen. Dabei stellt sich rasch heraus, dass der Franzose mit dem Modellschriftzug im schnörkeligen Schreibschrift-Stil gar kein klassisches SUV ist. Es handelt sich vielmehr um ein coupé-artiges Crossover mit einer Höhe von stattlichen 1,61 Meter. In der Länge bleibt der Rafale mit 4,71 Meter ein deutliches Stück unterhalb des Talisman (der misst als Kombi gar knapp 4,87 Meter), was ihn im Handling insbesondere in urbanen Gefilden und Parkhäusern besser beherrschbar macht. Es ist ein bisschen verwirrend. Der auf gleicher Plattform basierende Espace (beide 2,74 Meter Radstand) wildert zwar auch in der Mittelklasse, allerdings in eher sachlicher Form.
Der Rafale setzt auf extrovertierte Optik
Demnach möchte der Rafale visuell Akzente setzen und lockt potenzielle Kunden vor allem mit einer progressiv gestalteten Front. Schneidig gezeichnete adaptive LED-Scheinwerfer fallen mindestens so sehr auf wie der extravagant gestaltete Kühlergrill: Dieser ist mit einer Art 3D-Schuppen (aus Kunststoff) bestückt, die stilistisch an Op-Art erinnern. Dadurch ändert sich der optische Eindruck in Abhängigkeit von Blickperspektive und Lichteinfall. Das Heck ist geprägt von einer fließenden Dachlinie (typisches Fließheck eben) und zackig gestalteten Rückleuchten.
Wer den Rafale (der Name ist angelehnt an das Flugzeug Rafale des Unternehmens Caudron-Renault) entert, findet sich prompt vor einer ausladenden Display-Wand wieder. Insgesamt gibt es über 24 Zoll Monitor in L-Form, wovon der linke Teil als Kombiinstrument herhalten muss und der rechte Part als Touchscreen ausgeführt ist.
Mit dem vielfältigen Menü kann man nach etwas Eingewöhnungszeit klarkommen, allerdings ist auch die Sprachbedienung durchaus zu empfehlen. Damit das Ergebnis ordentlich ausfallen würde, hat Renault in weiser Voraussicht auf die Kompetenz von Google zurückgegriffen. Eine andere praktische Sache ist, dass gleich diverse (zu übergriffige) Assistenten mit einem einzigen Knopfdruck im Bereich der Armaturen rechts vom Lenkrad ausgeschaltet werden können.
Mit komfortablem Antriebsstrang
Zumindest die dauerpiepsende Tempowarnung sowie den einen Hauch zu eifrig arbeitenden Spurhaltewarner sollte man vor Antritt einer angenehmen Fahrt ausschalten. Spätestens jetzt wird es Zeit, sich einmal kurz nach dem Antrieb zu erkundigen. So steckt als wichtigster Taktgeber des Mehrmotoren-Antriebskonzepts ein 1,2 Liter großer Dreizylinder-Turbobenziner mit 130 PS unter der Haube. Das ist insofern spannend, als man in der Mittelklasse doch wenigstens einen Vierzylinder erwartet hätte wegen der in der Regel besseren Laufkultur. Doch das wird später noch Thema sein.

An Display mangelt es dem neuen Renault wahrlich nicht. Der große Griff in der Mittelkonsole wirkt deplatziert, dafür ist die Induktionsladeschale für Smartphones gut zugänglich, was keine Selbstverständlichkeit ist.
(Foto: Hersteller/Renault)
Unterstützt wird der mit 205 Newtonmetern Drehmoment gesegnete Verbrenner von einem 68 PS starken Elektroaggregat, das exakt das gleiche Drehmoment liefert. Hinzu kommt ein 34 PS kräftiger Startergenerator, um den ständig im On-off-Betrieb laufenden Verbrenner bei Bedarf blitzschnell wieder anzuwerfen. Dann wird es ein wenig kompliziert. Es gibt zwei unterschiedliche Übersetzungsstufen für den Elektromotor plus vier verschiedene für den Verbrenner, woraus sich insgesamt 15 verschiedene Übersetzungskombinationen ergeben. Entscheidend ist jedoch, dass der Rafale geschmeidig anfährt, was er tut - klar, es existiert keine vibrationsanfällige Reibkupplung. Den ersten Stupser bekommt der Mittelklässler also stets vom Elektroaggregat. Rollt er dann einmal, klinkt sich der Benziner ein.
Souveränes Auftreten
Die Schaltvorgänge erfolgen weitgehend ruckfrei. Es kommt jedoch auf die Lastsituation und Leistungsanforderung an. Ein beherzter Tritt auf das Gaspedal kann auch mal einen leichten Stoß verursachen. Fährt der mit 200 PS Systemleistung angegebene Rafale eigentlich souverän? Definitiv, wenngleich der Franzose ausdrücklich kein Sportler ist. Aber als phlegmatisch kann man ihn ebenfalls kaum bezeichnen angesichts 8,9 Sekunden von null auf 100 km/h (Topspeed: 180 km/h abgeregelt).
Interessant ist, was die französischen Ingenieure eigentlich mit ihrem Fahrwerk ausdrücken möchten. So erzeugen leichte Fahrbahnwellen immerzu Aufbaubewegungen. Hier müssten die Techniker noch einmal ran. Grundsätzlich bietet der Rafale aber doch ein gerütteltes Maß an Komfort, zumal auch seine Sitze mit optionaler Massagefunktion einen ganz ordentlichen Dienst verrichten.
Nicht mehr schocken lassen sich Renault-Jünger mit der Allradlenkung. Aber: Fünf Grad Lenkwinkel an der Hinterachse sind schon eine Ansage. Und damit schrumpft der Wendekreis um satte 1,2 von 11,6 auf 10,4 Meter. So wird aus der Mittelklasse plötzlich gefühlt ein Kleinwagen.
Beim Rafale ist alles leichtgängig
Auffällig sind die leisen Fahrgeräusche des Rafale. Und sein Dreizylinder (eigentlich sind Triebwerke dieser Art höherfrequent und nicht immer angenehm sirrende Kraftpakete) ist selbst unter hoher Last akustisch kaum auszumachen. Hier hat wohl jemand in ordentliche Dämmung investiert.

Mit mehr als 1900 Litern Kofferraumvolumen bei umgeklappten Rücksitzlehnen wird der Rafale zum Ladeprofi.
(Foto: Hersteller/Renault)
Lenkung und Bremse muten synthetisch-leichtgängig an, was aber nicht schlecht ist, bloß nicht unbedingt im Sinne fahraktiver Zeitgenossen. Das Pedalgefühl ist jedoch typisch für Hybride - allerdings kaschieren die Franzosen das sogenannte Blending gut. Es bezeichnet den Übergang zwischen rekuperativem Verzögern (so wird der zwei kWh große Akku durch das Einfangen von Bewegungsenergie geladen) und dem Aktivieren der klassischen Reibbremse.
Den vom Werk angegebenen gemittelten WLTP-Verbrauch von 4,7 Litern je 100 Kilometer hat der Rafale auf den zum sportlichen Fahren animierenden Landstraßen allerdings nicht geschafft. Die Rede ist eher von sieben Litern. Aber hier musste der 1,7-Tonner ja teilweise auch ganz schön dynamisch zu Werke gehen.
Welcher Eindruck bleibt?
Ganz sicher der des großen Panoramadachs, das auf eine mechanische Jalousie verzichtet. Es lässt sich einfach per Knopfdruck verdunkeln, indem Flüssigkristalle entsprechend mit Strom angeregt werden. Coole Sache. Wer zur Ausstattungslinie "Esprit Alpine" greift, bekommt als weiteres verrücktes Detail ein beleuchtetes Alpine-Logo im Bereich der Rückenlehnen. Wie fancy. Ach ja, der Rafale bietet neben Spielkram auch echten Nutzwert. Das Kofferraumvolumen von 1910 Litern ist eine gewaltige Ansage für das Segment.
Ob die Kombination aus all diesen beschriebenen Eigenschaften Renault wieder zu einem angesehenen Player in der Mittelklasse macht, bleibt abzuwarten. Mit 43.800 Euro Basispreis geht der Hersteller jedenfalls auch preiskompetitiv ziemlich sportlich vor, zumal die Serienausstattung solide ausfällt. Renaults erfolgreiche Zeiten in diesem Segment liegen lange zurück. Im Jahr 2003, also vor über 20 Jahren, rollten mehr als 23.000 Laguna von den Händlerhöfen. Vom späteren Talisman waren es nur noch etwas mehr als Tausend Exemplare jährlich. Und auch der jüngst neu aufgelegte Espace ist kein richtiger Topseller. Mal sehen, wohin die Reise mit dem Rafale geht. Ein bisschen Kundenzustimmung hätte er durchaus verdient.
Quelle: ntv.de