Praxistest

Trutzburg trutzt dem Diesel-Gate Alhambra - Familienbomber mit Raumgarantie

Vorzüge hat der Seat Alhambra eine ganze Reihe, aber auch ein paar kleine Schwächen.

Vorzüge hat der Seat Alhambra eine ganze Reihe, aber auch ein paar kleine Schwächen.

(Foto: Holger Preiss)

Wer auf der Suche nach einem Familien-Van mit sieben Sitzen ist, kann inzwischen auch bei einem deutschen Premiumhersteller einsteigen. Wer es deutlich preiswerter haben möchte, der sollte sein Glück im Seat Alhambra suchen. Ob er es findet, klärt der n-tv.de Praxistest.

Um es vorwegzunehmen: Ja, der im n-tv.de Test gefahrene Seat Alhambra ist mit einem Dieseltriebwerk bestückt. Nein, natürlich nicht mit dem anrüchigen EA189, sondern mit dem EA288. Der ist nach der Selbstprüfung durch Volkswagen über alle Zweifel der Manipulation erhaben. Ich weiß, schon die Oma sagte: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht." Nichtsdestotrotz wollen wir uns mal entspannt zurücklehnen und den Angaben glauben, denn zweimal kann keiner so dämlich sein und sich auf derart dünnes Eis begeben. Denn hier kommt noch ein anderes Sprichwort zur Geltung: "Lügen haben kurze Beine."

Zwei-Liter-Diesel mit Zug

Nach dem Facelift strahlen am Heck des Seat Alhambra LED-Leuchten.

Nach dem Facelift strahlen am Heck des Seat Alhambra LED-Leuchten.

(Foto: Holger Preiss)

So, und jetzt, nachdem wir alle Weisheiten ausgepackt haben, konzentrieren wir uns auf den Praxistest. Und da bleiben wir gleich bei dem 2.0-Liter Diesel. Der erfüllt die Euro-6-Norm und hat im Test-Alhambra seine höchste Ausbaustufe erreicht. Leistet also 184 PS und drückt 380 Newtonmeter auf die Vorderachse. Gesteuert wird die Kraftverteilung durch ein 6-Gang-Automatikgetriebe. Das verrichtet seine Arbeit gut, hat nur ein kleines Problem: Wenn der Schalter auf D wie Drive gestellt ist, legt die Elektronik den Schongang für die Kurbelwelle ein. Das heißt, die Drehzahlen werden zugunsten eines geringen Spritverbrauchs niedrig gehalten. Wenn jetzt der flotte Start an der Ampel droht, kommt es bis zur Gasannahme zu einer merklichen Atempause. Wenn dann aber Luft geholt wird, krallen sich die Räder überbordend kräftig in den Asphalt. Das ist dann auch der Moment, wo die Pneus nach Grip suchen und die ESP-Kontrollleuchte wild flackert. Fast seidig hingegen schnippt der 1,8 Tonnen schwere Spanier von der Kreuzung, wenn der Sportgang eingelegt ist. Die Drehzahlen liegen per se höher und die 380 Newtonmeter werden kraftvoll, aber dosiert auf die Vorderachse gebracht.

Insofern ist Sport hier nicht nur die Wahl für Dynamiker, sondern auch eine gute Option, um in der Stadt flott vom Fleck zu kommen. Wobei der Altambra von der Idee weder eine Rennmaschine noch mit seinen 4,85 Metern ein echter City-Flitzer ist. Klar, der Spanier ist agil, lässt sich also auch in der Stadt ordentlich bewegen und fährt unbeladen in der Spitze auch 214 km/h. In die Kurve mag er sich aber nicht so gerne legen, dafür ist sein Schwerpunkt einfach zu hoch. Hinzu kommt, dass der sich nochmal verlagert, wenn für 1100 Euro extra das wunderschöne Panoramadach gebucht wird, das sich über die gesamte Dachflächen zieht und im Sommer bis zur Hälfte aufgeschoben werden kann. Neben diesem Umstand, den üppigen Raumverhältnissen und den vielen anderen Beigaben wird der Alhambra definitiv zu einem Familienbomber für die Langstrecke. Über den Verbrauch kann man sich jetzt streiten. Im Test genehmigte sich der Spanier voll beladen im Mix 7,8 Liter Diesel. Das geht aber für 1,8 Tonnen, die auf der Autobahn auch mal mit Tempo 200 bewegt werden, in Ordnung.

Fünf oder sieben Sitze?

In der dritten Reihe des Seat Alhambra finden nur Menschen, die eine Körpergröße von 1,50 Meter nicht überscheiten, ausreichend Platz. In der zweiten hingegen sitzen Klein und Groß bestens.

In der dritten Reihe des Seat Alhambra finden nur Menschen, die eine Körpergröße von 1,50 Meter nicht überscheiten, ausreichend Platz. In der zweiten hingegen sitzen Klein und Groß bestens.

(Foto: Holger Preiss)

Wer für zusätzlich 810 Euro die dritte Sitzreihe auf die Hinterachse pflanzen lässt, der kann sogar sieben Personen von A nach B bringen. Wobei die Passagiere in der letzten Reihe nicht größer als 1,50 Meter sein sollten, denn beim Überschreiten dieser Länge wird es dort trotz der guten Bestuhlung ungemütlich. Auch dann, wenn die davor Sitzenden ihre drei Einzelsitze weit nach vorne schieben. Mit eigener Klimatisierung - die es in Form der Dreizonenautomatik für 860 Euro extra gibt - und dem Klapptisch an der Vorderlehne und Sonnenblenden ist man auch auf langen Strecken erstklassig aufgehoben.

Was das Gefühl etwas trübt, sind die je nach Straßenbelag deutlich wahrnehmbaren Rollgeräusche. Hinzu kommt bei Fahrten über Kopfsteinpflaster und Querfugen ein Hang zum Knarzen. Das wird um so deutlicher, als dass die Beschaffenheit der Straße durch das Fahrwerk sehr gut ausgefiltert wird. Letztlich ist man sich nie ganz sicher, wo die Geräusche herkommen und im besten Fall stammen sie aus einem der vielen Ablagefächer, die gerne mit allem möglichen Kleinkram befüllt werden. Da gibt es ein großes Klappfach auf der Armatur und riesige Seitenfächer in den Türen. Auch im Fußraum in der zweiten Reihe befindet sich jeweils ein Staufach.

Ausreichend Platz bietet auch der Kofferraum. Wenn alle drei Reihen besetzt sind, bleiben zum Verstauen des Gepäcks immer noch 267 Liter. Verschwinden die letzten zwei Sitze im Unterboden, was mit zwei Handgriffen erledigt ist, entfaltet sich eine plane Fläche, die es ermöglicht, auf 658 Litern seine Koffer zu verstauen. Wer auch die zweite Reihe umlegt, kann mit dem Alhambra getrost ins Möbelhaus fahren. Satte 2297 Liter stehen jetzt auf einer planen Ladefläche zur Verfügung. Für 1030 Euro extra lässt sich die Heckklappe auch elektrisch öffnen. Genau wie die seitlichen Schiebetüren, die das Ein- und Aussteigen gerade in engen Parklücke ungemein angenehm machen.

Rückenmassage und Spurhalteprobleme

Das Raumangebot im Seat Alhambra ist nicht nur großzügig, sondern auch ausgesprochen variabel.

Das Raumangebot im Seat Alhambra ist nicht nur großzügig, sondern auch ausgesprochen variabel.

(Foto: Holger Preiss)

Da wir nun geklärt haben, dass die Mitreisenden keine Probleme auf lange Strecken haben, bleibt noch zu klären, wie sich die Situation für Fahrer und Beifahrer gestaltet. Die gut ausgearbeiteten Polstern lassen sich in der Ausstattungslinie Style elektrisch verstellen und für 190 Euro zusätzlich wird einem sogar der Rücken massiert. Im Winterpaket gibt es auch noch eine Sitzheizung. Damit sind auch an diesen Plätzen alle Annehmlichkeiten für eine lange Reise gegeben.

Dem Piloten wird die Fahrt durch Tempomat und adaptiven Spurhalteassistent erleichtert. Wobei es schön wäre, wenn Letztgenannter nicht nur über die Menüführung in der Matrix deaktiviert werden könnte, sondern durch einen Knopfdruck irgendwo in der Konsole. Das Problem ist nämlich, das der Assistent seiner Funktion entsprechend beim Überfahren von Sperrstreifen gegenlenkt. Das ist wichtig und richtig, macht sich aber beispielsweise an Autobahnbaustellen extrem unangenehm bemerkbar. Eben immer dann, wenn durchgehende Linien überfahren werden, weil die Streckenführung verändert wurde.

Auch der Parkassistent gehört zu den angenehmen Beigaben des Alhambra. Mit Rückfahrkamera und etlichen Sensoren soll er für das Einfädeln in Quer- und Längslücken sorgen. Leider verweigerte er im Testwagen zeitweise die Arbeit. Was in der Behauptung mündete, dass die Lücke zu klein sei oder der Abstand zu den am anderen Straßenrand geparkten Autos zu gering. Das Lenkrad selber in die Hand genommen, ließ sich der Alhambra aber problemlos in die Parkbucht manövrieren.

Preiswerter als der VW Sharan

Im Cockpit des Seat Alhambra ist alles am richtigen Platz.

Im Cockpit des Seat Alhambra ist alles am richtigen Platz.

(Foto: Holger Preiss)

Bis auf diesen einen Punkt gibt es aber an der Bedienbarkeit nichts zu bemängeln. Drehregler und Knöpfe haben schöne Raster- und Drehpunkte. Das im Vergleich mit der Konkurrenz fast schon wieder klein wirkende 6,4 Zoll große Farbdisplay mit Gestensensor ist ebenfalls intuitiv und das Telefon ebenso schnell eingerichtet wie ein x-beliebiges Gerät mit Bluetooth. Was der Testwagen nicht zu bieten hatte, aber in der Ausstattungslinie Connect zur Basis gehört, ist die Möglichkeit zur Spiegelung des Smartphones. Entweder über AppleCarplay, GoogleAuto oder den MirrorLink. Entscheidender Vorteil ist hier eben, dass man sich ein teures Navi sparen kann, denn die Nutzung von Google Maps oder AppleKarten funktioniert problemlos. Immer vorausgesetzt, die eigene Datenflatrate lässt die längere Nutzung zu.

 Insofern findet der Alhambra also auch auf die eine oder andere Art und Weise seinen Weg. Den muss auch der Käufer finden, denn der Spanier kostet nicht wenig. Ohne einen Großteil der hier aufgeführten Extras werden 40.640 Euro fällig. Mit den Features sind es nicht weniger als 50.375 Euro. Das ist eine Stange Geld. Um den Schock dann doch ein wenig zu dämpfen, bleibt nur der Blick auf den Wolfsburger Bruder Sharan. Der kostet nämlich bei gleicher Ausstattung 56.480 Euro. Viel trennt die Brüder also nicht. Selbst beim kürzlich für beide propagiertem Facelift zog keiner der beiden blank. Verhalten setzte man hüben wie drüben auf leichte Modifikationen der Scheinwerfer und der Heckleuchten und beschränkte sich ansonsten auf die Verbesserung der inneren Werte. Insofern bleiben als Argument für den Alhambra 6000 Euro Preisvorteil und der persönliche Geschmack.

Fazit: Wer auf der Suche nach einem Familienvan ist, der neben Raum auch viele Annehmlichkeiten bietet, der sollte unbedingt einen Blick auf den Seat Alhambra werfen. Der spanische Sharan trägt alle Tugenden seines Wolfsburger Genspenders unter dem Blech und steht dem auch optisch in nichts nach. Hinzu kommt, dass er in jedem Fall etwas preiswerter ist als der VW.

DATENBLATTSeat Alhambra Style Plus 2.0 TDI
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,85 / 1,90 / 1,74 m
Leergewicht (DIN)1830 kg
Sitzplätze7
Ladevolumen267 - 2297 Liter
MotorReihen-Vierzylinder mit Turboaufladung 1968 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang-DSG
Systemleistung135 kW/ 184 PS
KraftstoffartDiesel
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit214 km/h
max. Drehmoment380 Nm bei 1750 - 3000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h9,4 s
Normverbrauch (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km6,1 / 4,8 / 5,3 l
Testverbrauch7,8 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
139 g/km
EmissionsklasseEU 6
Grundpreis40.640 Euro
Preis des Testwagens50.375 Euro

Quelle: ntv.de

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