Dieselpower im Kleinformat Nissan X-Trail – Überraschung ohne Kanten
05.06.2015, 08:53 Uhr
Gefälliger und mit breiten Backen kommt der X-Trail seit 2014 daher.
(Foto: Holger Preiss)
Der Jammer war groß, als der kantige Nissan X-Trail dem gefällig gezeichneten Nachfolger weichen musste und inzwischen wie der große Bruder des Qashqai aussieht. Aber nicht nur optisch hat der Japaner einige Überraschungen zu bieten, wie der Praxistest von n-tv.de beweist.
Mit dem neuen Nissan X-Trail haben die Japaner versucht, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen wird der Qashqai +2 ersetzt, zum anderen gibt man dem kantigen Vorgänger eine gefällige Variante an die Seite. Die Fans eben jener Kasten-SUV werden sich mit abschätzigen Blicken abwenden, aber Nissan wird es nicht stören. Verkaufte sich doch der große Offroader 2013 in Deutschland gerade 1245 Mal.

Das Heck hat mit den kantigen Leuchten etwas vom eckigen Charme des alten X-Trail gerettet.
(Foto: Holger Preiss)
Eingedenk dessen nahm man die Form des Qashqai zur Grundlage und modellierte dem X-Trail wuchtige Rundungen in die Kotflügel, spitzte die Scheinwerfer, klammerte den Kühlergrill mit einer wuchtigen Spange und zog die Dachlinie mit einem Spoiler weit nach hinten. Auch das Heck zieren jetzt kantige Scheinwerfer, die gemeinsam mit den schnittigen Falzen an der Heckklappe der Hinterseite des X-Trail eine gewisse Dynamik geben. Kurz: Wer auf sportlich gezeichnete Wuchtbrummen abfährt, wird mit Blick auf den 4,67 Meter langen Japaner seine Freude haben.
Nichts für Fahrer mit Gardemaß
Freude werden auch die Insassen haben, solange sie die Körperhöhe von 1,90 Meter nicht überschreiten. Denn an diese Menschen hat Nissan nicht gedacht. Nicht etwa, dass der Riese im Fond über mangelnde Beinfreiheit klagen müsste, nein, da gibt auf den um 24 Zentimeter in Längsrichtung verschiebbaren Sitzen keinen Mangel. Auch der Umstand, dass die Rückenlehne auf den hinteren Plätzen im Neigungswinkel verstellbar ist, ist ein großes Plus für Klein und Groß. Lediglich den Kopf müssen hochgewachsene Menschen unter Kontrolle halten, denn die Sitzbank in der zweiten Reihe ist verdammt hoch gebaut.

Der Arbeitsplatz ist aufgeräumt, aber nichts für Menschen ab 1,90 Meter Körperlänge.
(Foto: Holger Preiss)
Das Problem mit dem Kopf wird der Pilot über 1,90 Meter nicht haben. Für ihn besteht die vertrackte Situation darin, dass, hat er sich frohen Mutes auf die sehr bequemen Polster geschwungen, der Rücklauf der Sitzschiene zu kurz ist, als dass er seine Beine zu den Pedalen in eine angenehme Position bringen könnte. Wer nun nicht zu den langen Kerlen gehört, wird kaum Grund zum Klagen finden. Klar könnte man sich wünschen, dass das Lenkrad angesichts der Größe des X-Trail etwas satter in den Händen liegt oder dass die Bedienelemente für die Multimedia-Einheit etwas benutzerfreundlicher erdacht wären. Letztlich ist das aber Jammern auf hohem Niveau, denn wie so oft ist das Erlernen von Bedienungsmustern auch immer eine Frage der Gewohnheit.
Rundumsicht gibt's im Paket
Denn die Knöpfe und Schaltet sind alle gut erreichbar, ein Teil der Funktionen lässt sich über den 7 Zoll großen Touchscreen bedienen und die Qualität des Interieurs ist insgesamt für einen Einstiegspreisen von knapp 27.000 Euro recht ansprechend. Da sind schwarze Klarlackeinlagen ebenso zu finden wie Intarsien in Kunststoff-Optik. Klar, Premium sieht anders aus, da ist zum Beispiel die Sitzheizung, deren in der Mittelkonsole verbauten Kippschalter lediglich zwei Heizstufen kennen oder die Fensterheber, von denen nur der des Fahrers auf einmaligen Druck oder Zug reagiert, alle anderen möchten bis zum völligen Öffnen oder Schließen der Scheiben bedient werden.

Üppig ist das Angebot in der zweiten Reihe des X-Trail. Die Rückbank lässt sich in der Neigung verstellen und um 24 Zentimeter verschieben.
(Foto: Holger Preiss)
Aber das sind Kleinigkeiten. Denn ansonsten bietet der Nissan viel, was zum allgemeinen Wohlbefinden im Fahrzeug beiträgt. Wichtigstes Feature aus der Premium-Klasse, und das gibt es hier im Paket für 1250 Euro, ist die 360-Grad-Kamara. Sie befähigt den Fahrer, beim Einparken in einem Splitscreen nicht nur die Fahrzeuge vor und hinter dem eigenen Auto, sondern zum Beispiel auch den Bordstein zu sehen. Die Wahrscheinlichkeit, die ebenfalls in der Ausstattung angebotenen 19 Zoll großen Alus zu schinden, gehört hier also eher der Vergangenheit an. Ebenfalls im Paket enthalten sind Sicherheitssysteme wie der Totwinkelwarner und der Spurhalteassistent. Warum der sich aber nur über die Einstellungen im Menü an- und abschalten lässt, erschließt sich nicht wirklich. Ein separater Knopf, wie man es in anderen Fahrzeugen kennt, würde helfen, dass die Nerven im Stadtverkehr nicht blank liegen, wenn man das System dort schnell deaktivieren möchte.
Überraschung Kofferraum
Schön ist, dass Nissan im X-Trail für reichlich Ablageflächen gesorgt hat. Da ist unter der Mittelarmlehne ein ausreichend großes Staufach, Flaschensteckplätze gibt es in den Türen und ein Brillenfach im Himmel. Auch im Kofferraum setzt sich der Wille fort, Raum und Ordnung zu verbinden. Das ist aber nur zu Teilen gelungen. Wer sich nämlich die Eckdaten des X-Trail angesehen hat wird eingedenk der im Datenblatt verzeichneten 550 Liter Ladevolumen ziemlich zweifelnd gucken, wenn er die Heckklappe öffnet. Nissan hat den Ladeboden nämlich geteilt. Das hat den Vorteil, dass zur Ladekante eine plane Fläche entsteht, bedingt aber auch, dass die Höhe bis zur Laderaumabdeckung extrem schrumpft.

Wenn der doppelte Ladeboden bedeckt ist, wirkt der Kofferraum des X-Trail trotz seiner Größe recht klein.
(Foto: Holger Preiss)
Hinzu kommt, dass die zwei Teiler nicht klappbar sind, sondern über Plastikführungen geschoben oder eben ganz herausgenommen werden müssen. Schwierig, wenn sich im unteren Abteil Kleinigkeiten bis in die letzte Ecke verabschiedet haben und die zweite Etage zum Beispiel mit Reisetaschen vollgestellt ist. Die dann folgende Würgerei trägt nicht zur guten Laune bei. Rechnet man das Gesamtvolumen des Stauraumes auf (das heißt, wenn man den Ladeboden entfernt und die zweite Sitzreihe ganz nach vorn schiebt), kommen satte 1982 Liter zusammen, die aber auf Grund der entstehenden Klüfte und Ritzen kunstvoll bestückt werden müssen.
Kleiner Motor, große Leistung

Ein Blick unter die Haube ist beim X-Trail unspektakulär, aber der Diesel hat es trotz 130 PS in sich.
(Foto: Holger Preiss)
Ebenso überraschend wie der Kofferraum zeigte sich das Triebwerk des X-Trail. Die einzige im Angebot befindliche Dieselmotorisierung ist ein 1,6 Liter großer Selbstzünder, der lediglich 130 PS leistet. Die Sorge, das würde nicht ausreichen, um den 1,6 Tonnen schweren Bullen ordentlich voranzutreiben, erweist sich aber schnell als unbegründet. Grund dafür ist auch das ordentliche Drehmoment von 320 Newtonmetern, das, wenn man es will, mit Gewalt auf die Vorderachse des getesteten Fronttrieblers gelenkt wird. Fast ruppig kann der japanische Recke dann nach vorne schieben und beschleunigt sich für den, der die mechanische Sechsgang-Schaltung flott durch die Gassen schiebt, in knapp zehn Sekunden auf Tempo 100.
Viel beeindruckender sind aber noch zwei andere Dinge. Der X-Trail ist mit 188 km/h Spitze angegeben und bringt es mit ein wenig Anlauf auf knapp 200 km/h. Das macht ihn nicht zu einer Sportskanone, sichert dem Fahrer aber auf offener Strecke eine Reisegeschwindigkeit zwischen 160 und 180 km/h zu. Schön ist auch, dass es im großen Nissan dabei nie wirklich laut wird. Roll- und Windgeräusche bleiben zu großen Teilen dort, wo sie hingehören: draußen. Die größte Überraschung ist bei dem in Serie mit Start-Stopp-Automatik ausgestatteten Japaner aber der Verbrauch. Im Durchschnitt genehmigte sich der X-Trail 1.6 dCi nicht mehr als 5,9 Liter Diesel über die mehr als 2000 gefahrenen Testkilometer. Und die fanden nicht auf locker gerollten Landstraßen statt, sondern hier waren auch langwierige Stop and Gos im Stadtverkehr und eben jene schon erwähnten Autobahnabschnitte mit Tempo 200 drin, bei denen sich der Fahrer des einen oder anderen Premium-Schiffes verwundert umsehen musste.
Wer sich natürlich für einen X-Trail mit Allrad entscheidet, darf getrost von einem höheren Verbrauch und wahrscheinlich auch einer geringeren Endgeschwindigkeit ausgehen. Die Qualität des Marschierers sollte aber auch ihm eigen sein. Denn gerade auf langen Strecken beweist der Japaner seine Qualitäten. Hier läuft er und läuft. Für die Passagiere, die ohnehin auf den erwähnt bequemen Polstern ruhen, kommt ein recht ausgewogenes Fahrwerk hinzu, das lediglich bei Querfugen etwas bockig ist. Ansonsten ist es so abgestimmt, dass das SUV auch in flott gefahrenen Kurven, trotz tiefer Seitenneigung, keine Verwerfungen zeigt und ausreichend stabil ums Eck geht.
Fazit: Der neue X-Trail ist seit 2014 nicht mehr der kantige Offroader für Leute, die gerne einen Jeep oder Range Rover gehabt hätten, sondern der gefällige große Bruder des Qashqai. Wer also mehr Platz sucht, vielleicht sogar mit einer dritten Sitzreihe, der könnte im X-Trail fündig werden. Hinzu kommt ein erstaunlich flottes und dennoch sparsames Triebwerk, das die Geldbörse des Fahrers schont, ihn aber ohne Vertun gerade über lange Strecken sehr bequem ans Ziel bringt. Interessenten mit einer Körpergröße von über 1,90 Meter sollten aber, bevor sie sich für den X-Trail entscheiden, eine Sitzprobe machen. Auch beim Werterhalt zeigt sich der X-Trail nach den Berechnungen von Bähr & Fess Forecasts recht stabil. Nach vier Jahren sollten noch 50,5 Prozent des Neuwertes erreicht werden. Das ist mehr als für einen Hyundai Santa Fe Trend 2.0 CRDI.
DATENBLATT | Nissan X-Trail 1.6 dCi Acenta |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,64 / 1,82 / 1,71 m |
Leergewicht (DIN) | 1655 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 550 - 1982 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder 1598 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang-Handschaltung |
Systemleistung | 96 kW/ 130 PS |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Frontantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 188 km/h |
max. Drehmoment | 320 Nm bei 1750 - 2400 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 10,5 s |
Normverbrauch (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km | 5,7 / 4,5 / 4,9 l |
Testverbrauch | 5,9 l |
Tankinhalt | 60 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 129 g/km |
Emissionsklasse | EU 6 |
Grundpreis | 29.750 Euro |
Preis des Testwagens | 32.500 Euro |
Quelle: ntv.de