Praxistest Range Rover Hybrid Wenn seine Lordschaft unter Strom ist
12.10.2015, 10:16 Uhr
Im Range Rover Hybrid kann man noblen Limousinen-Komfort auch jenseits der Straße genießen.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Es ist normal, dass ein Range Rover auf unbekanntes Terrain vorstößt. Insofern kann es nicht verwundern, dass der englische Geländewagen-Spezialist bislang als einziger SUV-Hersteller ein Hydrid-Fahrzeug mit Dieselmotor anbietet. Was er kann, zeigt der n-tv.de-Praxistest.
"Stark wie ein V8 und sparsam wie ein Vierzylinder" verspricht Range Rover seinen Kunden. Eine kühne These, denn immerhin wiegt die britische Wuchtbrumme rund zweieinhalb Tonnen, die wollen erst einmal angeschoben sein. Im Gegensatz zu den Geländewagen von BMW, Mercedes und Porsche, die den Elektroantrieb mit einem Benzinmotor kombinieren, hat sich Land Rover für ein Dieselaggregat entschieden. Klingt klug, denn die Selbstzünder bringen von Hause aus mehr Drehmoment mit als Ottomotoren.

Die elektrische Heckklappe ist zweigeteilt, bis unters Dach gehen 2 Kubikmeter hinein.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Ob es tatsächlich eine gute Idee war, muss sich noch erweisen. Das Auto wird nicht nur in Europa angeboten, doch die Märkte USA und China mochten den Diesel schon nicht besonders gut leiden, bevor er dank VW unter Generalverdacht geriet. Auch die Chiffre "Hybrid", die der Toyota Prius als Ausweis für Umweltverträglichkeit etabliert hat, hat bisher nicht dazu geführt, dass dieses Angebot in größeren Dosen konsumiert wird. Aber als verbrauchssenkendes Medikament im Range-Rover-Flottenmaßstab hat der Wagen für den Hersteller eine wichtige Bedeutung. Audi wird dem Beispiel bald folgen und im Q7 die logische Fortentwicklung des Konzepts vorstellen: den Plug-In-Diesel-Hybrid.
Die Elektro-Einheit im Range Rover unterstützt mit 35 kW einen Dreiliter-V6-Diesel, der 292 PS leistet. So lange wie möglich auf seine Mithilfe zu verzichten, ist der Trick beim Hybrid fahren. Die Lithium-Ionen-Batterie des Range Rovers hat eine Kapazität von 1,76 kWh und kann nicht an der Steckdose aufgeladen werden, sondern der Wagen gewinnt seinen Fahrstrom durch Schubbetrieb oder bei der Brems-Rekuperation, wenn kinetische in elektrische Energie umgewandelt wird. So soll das Image-Problem, dass grundsätzlich den schweren SUV anhaftet, etwas abgemildert werden.
Fahren in geschönter Realität

In der Kommandozentrale geht es so nobel zu, wie man es von einem Range Rover erwartet.
(Foto: Busse/Textfabrik)
In der Summe kommt eine Systemleistung von 340 PS heraus, was der Leistung des V8-Diesels, den Range Rover ebenfalls anbietet, entspricht. Mit maximal 700 Newtonmetern Drehmoment liegt der verstromte Selbstzünder geringfügig unter dem Niveau des Achtzylinders, der mit 740 Newtonmetern unterwegs ist. Da die Normen des Neuen Europäischen Fahrzyklus’ Hybride rechnerisch bevorzugen, kam bei dem Testwagen, der noch unter den Bedingungen der Euro-5-Norm zugelassen war, ein kombinierter Verbrauchswert von 6,4 Litern über eine Strecke von 100 Kilometer heraus.
Die Kapazität der Batterie reicht unter günstigen Umständen für 1,6 Kilometer emissionsfreies Fahren. So kommt es, dass man unterwegs die Ladeanzeige bei ihrem Weg zum Zustand "leer" beobachten kann. Doch Trost ist nah: Die Nadel wandert fast ebenso schnell wieder in die Gegenrichtung, sei es bei Gefällstrecken, bei vorausschauendem Fahren im City-Verkehr oder sachtem Einbremsen, damit nicht zu viel von der kostbaren Bewegungs-Energie in Wärme statt in Strom umgesetzt wird.
Das Fahren im Range Rover schafft ohnehin seine eigene Wirklichkeit. Das liegt an der majestätischen Sitzposition fast einen Meter über dem Asphalt, an dem respektvollen Abstand, den andere Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Fünfmeter-Dampfer wahren und an der gediegenen Bequemlichkeit aus fein gemaserten Hölzern und handschuhweichem Leder. Seine Lordschaft, der IV. Earl of Range Rover, ist bekannt für seine erstklassigen Manieren, steigt furchtlos in unwirtliches Gelände und verwöhnt seine Gäste mit erstklassigem Komfort.
Der Hybridantrieb bringt eine weitere Ruhe und Gelassenheit ins Spiel, denn nach Drücken des Startknopfes gibt es nur ein leichtes Zucken an den Digital-Zeigern des TFT-Displays – sonst nichts. Die Insassen eines Range Rovers hatten noch nie Grund, sich über einen zu hohen Geräuschpegel zu beschweren, jetzt herrscht eine Stille wie in einem Einkaufszentrum am Karfreitag.
Suche nach Herausforderungen
Dass die Elektrifizierung keinen Verzicht auf Geländetauglichkeit mit sich bringt, ist für Range Rover Ehrensache. Für jeden Testfahrer ist es eine eichte Aufgabe, für diesen Wagen eine Herausforderung zu finden. Der Stadtwald um die Ecke reicht hier bei weitem nicht. Dann schon eher auf einem von Panzern umgepflügten Truppenübungsplatz. Aber was hat eine Luxuskarosse dieses Kalibers da zu suchen? Bis nahezu 30 Zentimeter Bodenfreiheit vorn und etwas mehr an der Hinterachse pumpt die Luftfederung im Bedarfsfall die Karosse hoch, hüfttiefe Wasserfurten durchwatet er souverän. Aussichtslos, den Range Rover mit Feld-, Wald- und Wiesen-Hindernissen in Verlegenheit bringen zu wollen.

Mit Feld-,Wald- und Wiesenhindernissen ist Seine Lordschaft, der Range Rover Hybrid, nicht aus der Ruhe zu bringen.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Im Zusammenspiel von Straßenfahrten und naturbelassenem Terrain kam der Testwagen auf einen Verbrauch von 8,5 Litern je 100 Kilometer. Obwohl dies mehr als zwei Liter über dem Prospektwert liegt, ist es ein vorzügliches Ergebnis. Warum? Einerseits bevorzugen Messmethode und Verbrauchsberechnung nach NEFZ-Norm Hybrid-Fahrzeuge gegenüber konventionellen Antrieben. Andererseits war hier ein Blech-Bollwerk unterwegs, das gut und gern doppelt so viel wiegt wie eine Kompakt-Limousine. Fraglich ist nur, ob der Kunde den Mehrpreis von rund 14.000 Euro gegenüber dem V8-Diesel durch den Verbrauchsvorteil wieder herein fahren kann. Aber ein gutes Öko-Gewissen ist ja auch etwas wert.
Mit Erscheinen des Modelljahres 2016 werden alle Range Rover, also auch der Hybrid, verschiedene Produktaufwertungen erfahren. Wer dann den englischen Edelmann in die Garage bittet, kann sich zum Beispiel über eine automatische Fahrzeug-Absenkung zum leichteren Ein- und Aussteigen freuen, eine Wischanlage für die Rückfahrkamera bekommen oder eine sensorgesteuerte Heckklappe. Am hochherrschaftlichen Fahrgefühl wird sich nichts ändern.
Fazit: Kein Wunder, dass Range Rover die Kombination aus souveränen Onroad- und erstklassigen Offroad-Eigenschaften so perfekt beherrscht. Schließlich hat die Firma das Konzept entwickelt und ist seit 45 Jahren damit beschäftigt, es stetig zu verbessern. Der Spagat zwischen Geröll und Genuss funktioniert in elektrifizierter Form ohne Einschränkungen, nur leider fordert diese Exklusivität einen saftigen Mehrpreis.
DATENBLATT | Range Rover Hybrid |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 5,00 x 1,98 x 1,84 m |
Radstand | 3,12 m |
Leergewicht / Zuladung | 2466 kg / 734 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 550 - 2030 Liter |
Wendekreis | 12,7 Meter |
Motor | V6-Turbodiesel, 2993 ccm, Direkteinspritzung |
Leistung | 292 PS bei 4000 U/min |
Leistung E-Maschine | 35 kW / 48 PS |
Kapazität Lithium-Ionen-Batterie | 1,76 kWh |
Systemleistung | 340 PS |
Getriebe | 8-Wandlerautomatik (ZF) |
Kraftstoffart | Diesel |
Tankvolumen | 80 Liter |
Antrieb | Allradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 218 km/h |
max. Drehmoment | 700 Nm bei 1500 – 3000 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 6,9 s |
ECE-Durchschnittsverbrauch | 6,4 l |
Testverbrauch | 8,5 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 169 g/km |
Emissionsklasse | EU 5 |
Grundpreis | 123.600 Euro |
Preis des Testwagens | 134.420 Euro |
Quelle: ntv.de