Leben

Von Ghana in die Welt Amoako Boafo feiert das Schwarzsein

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"Husdon in a Baby Blue Suit" - Boafos Bilder waren vor Jahren noch für wenige Hundert Euro zu haben, das ist vorbei.

(Foto: Juliane Rohr)

Lange wird afroamerikanische und afrikanische Kunst als exotisch angesehen. Die Künstler flüchten sich oft in abstrakte Formen. Das scheint vorbei zu sein: Der gebürtige Ghanaer Amoako Boafo mit seinen intensiven Porträts macht es vor.

Das ist sie, die Kunst, die im Kopf bleibt, nachhaltig beeindruckt: die Porträts von Amoako Boafo. Der aus Ghana stammende Künstler ist in Miami auf der Art Basel die gefeierte Neuentdeckung. Ob online, in Zeitungen oder via Instagram - er ist das Thema. Bei der Messe im Convention Center vertreten ihn gleich zwei Galerien, und im neu eröffneten Rubell-Museum belegt er mit seiner Malerei einen ganzen Raum.

Das Interesse an Neuem, Unverbrauchtem ist groß. Kunst von afroamerikanischen oder afrikanischen Künstlern ist immer mehr gefragt, sie wurde bereits im vergangenen Sommer auf der Venedig-Biennale mit Malern wie Njideka Akunyili Crosby zum Trend ausgerufen. Postkoloniale Kunst, exzellentes Handwerk oder exotische Minderheit waren in der Vergangenheit gern benutzte Labels für diese Künstlerinnen und Künstler.

Das scheint vorbei - Diversity ist in der Kunstwelt angekommen. Plötzlich flüchten afroamerikanische und afrikanische Künstler sich nicht mehr in abstrakte Malerei, um ihre Hautfarbe zu verstecken, sondern im Gegenteil: Sie stehen zu ihrer Identität und malen Schwarze, stellen so das Weißsein infrage.

Den Blick aushalten

Boafo malt Menschen, die er bewundert, wie die Maler-Ikone Jean Michel Basquiat, aber auch Freunde. Die Porträtierten schauen den Betrachter selbstbewusst, fast durchdringend an, strahlen dabei Verletzlichkeit aus. Dieser Blick, das Angeblicktsein ist es, das fasziniert und zwingt, sich mit eigenen Vorstellungen und im Kopf verankerten Stereotypen auseinanderzusetzen. Die Figuren des 35-Jährigen strahlen Lebensfreude aus, Kritik an Unterdrückung übt er nicht. "Black Diaspora" hat der in Wien lebende Maler die 2018 begonnene Bilderserie genannt. Mit diesen Figuren will er sich "der blackness auf einem neuen Weg nähern, sie repräsentieren, dokumentieren und feiern".

Der Mensch steht auf jedem Bild im Vordergrund. Er ist isoliert dargestellt mit einer einzigen Farbe im Hintergrund, der mal zurückhaltend weiß, mal als knalliger Farbkontrast erscheint. Seit drei Jahren malt er die Haut mit den Fingern, so wirkt es, als ob er die Gesichter aus der Leinwand herausschnitzt. Boafo mag das Gefühl, dass man bei der Fingermalerei "nicht viel Kontrolle hat". Dieser Kunstgriff ist inzwischen zu seiner Signatur geworden und hat seiner Malerei einen hohen Wiedererkennungswert verschafft.

Malen war immer Boafos Leidenschaft. 1984 in Accra als Sohn eines Fischers und einer Köchin geboren, war das Skizzenbuch schon früh ein Weg, um Ärger zu vermeiden. Sein Vater kam bei einer Flut ums Leben, als er neun war. Seine Mutter arbeitete als Haushälterin, um die Familie - ihn, seine beiden Geschwister und die Großmutter - zu ernähren. Als er mit der Highschool fertig ist, hat er das Glück, dass einer ihrer Arbeitgeber sein erstes Jahr auf dem Ghanatta College of Arts and Design finanziert.

Neue Heimat Wien

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Boafo hat seine eigene Maltechnik entwickelt.

(Foto: Juliane Rohr)

Nach seiner Graduation trifft er 2008 die österreichische Kuratorin und Künstlerin Sunanda Mesquita. Fünf Jahre später heiraten die beiden, und er zieht der Liebe wegen nach Wien, wo er derzeit an der Akademie der Bildenden Künste seinen Meisterschüler-Abschluss macht. In Österreich entdeckt er Künstlerinnen wie Maria Lassnig oder Maler wie Gustav Klimt und Egon Schiele. Letzterer "gab mir den richtigen Input", sagte er dem Magazin "Daily Front Row". "Ich will meine Bilder so frei wie möglich gestalten." Schieles Pinselstrich und Kompositionen hallen einem Echo gleich in Boafos Bildern nach. Allerdings kommen sie weniger dystopisch daher, sondern mit eleganter Leichtigkeit.

Diese eindrücklichen, großformatigen Porträts von Schwarzen sind zur Art Basel Miami Beach Teil der ersten Ausstellung des Rubell-Museums in Miami. Mera und Don Rubell gehören zu den wichtigsten Sammlern weltweit. Seit 1964 kaufen sie zeitgenössische Kunst, haben dafür von Beginn an einen großen Teil ihres Gehalts investiert und besitzen inzwischen über 7000 Werke. Zum Auftakt werden 300 Kunstwerke von 100 Künstlerinnen und Künstlern in dem 30.000 Quadratmeter großen Museums-Neubau gezeigt. Amoako Boafo war einen Monat vor der Eröffnung im sogenannten "Artist in Residence"-Programm der Rubells in Miami zu Gast und hat an Neuem gearbeitet. Jetzt zeigt er zwischen all den Superstars seine frischen Arbeiten, die locker bestehen.

Auch im Berliner Salon Dahlmann wird Amoako Boafo aktuell ausgestellt. Timo Miettinen, dem der Salon gehört und der auf Boafo schon vor Jahren in Wien aufmerksam geworden ist, erzählt ntv.de: "Menschen bleiben oft vor dem großen Fenster des Showrooms stehen, schauen fasziniert herein, klopfen an die Scheibe und wollen mehr über die Porträts wissen." Im winterlichen Berlin strahlen die Bilder von Amoako Boafo mit ihrer energetischen Kraft.

Ausstellung "Amoako Boafo: The Gaze, An Exchange", Miettinen Collection/Salon Dahlmann, Marburger Straße 3, 10789 Berlin, bis 29. Februar, geöffnet Samstags 12 bis 18 Uhr

Njideka Akunyili Crosby ist Teil der Ausstellung "Innenleben" im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München, bis 29. März

Quelle: ntv.de

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