Boom in der Pandemie Mobile Saunen laden zum Schwitzen ein
25.10.2022, 10:58 Uhr (aktualisiert)
Die Sauna von Indra Küster ist auf einem Anhänger aufgebaut.
(Foto: dpa)
In der Pandemie waren öffentliche Saunabäder coronabedingt geschlossen. Immer mehr Menschen schaffen sich daher eine Alternative an: die Hitzekabine für Daheim. Die Wellness-Oasen im Miniaturformat lassen sich sogar mieten. Was macht den Reiz aus?
Klein und etwas versteckt am Rande von Lüneburg wirkt die mobile Sauna auf einem Anhänger verlassen und unscheinbar. Doch der Eindruck täuscht, drinnen ist es heimelig warm, ein Ofen heizt fast ständig ein, denn die Nachfrage ist groß. "Das hat sich so radikal herumgesprochen, dass ich die Sauna an vier Tagen die Woche vermiete", erzählt Indra Küster in dem kuscheligen Holzhäuschen. Mit einer Anschubfinanzierung von 2500 Euro als Förderung des urbanen Raumes hat sie den Ofen finanziert, das Häuschen baute sie selbst.
Um andere daran teilhaben zu lassen, entwarf die Kulturwissenschaftlerin den Plan in einem Workshop für Frauen, die ihr beim Bauen halfen. "Es gibt viele Interessierte, denen ich den Bauplan bereits geschickt habe", berichtet die 31-Jährige. Die Idee entstand nach einem Auslandsjahr in Schweden, wo Saunabesuche so populär sind wie in England die Einkehr in den Pub. "Ich habe das super vermisst in Lüneburg. In der Sauna sind alle Menschen gleich und es entstehen oft besondere Gespräche", sagt die Studentin der Leuphana-Universität.
Die schier nicht enden wollende Pandemie, die nasskalte, dunkle Jahreszeit und viel zu viele negative Nachrichten: Viele Menschen sehnen sich nach einer Auszeit, die der Seele guttut. "In der Sauna kann man wunderbar entspannen", sagt Rolf-Andreas Pieper. Seit 38 Jahren setzt sich der Sportwissenschaftler fürs Saunieren ein, er gehört zum Präsidium des Deutschen Sauna-Bundes mit Sitz in Bielefeld. Aus Piepers Sicht ist das gesundheitsfördernde Hobby in der Pandemie zu schlecht weggekommen, Politiker seien offenbar keine Saunafreunde. Zumindest im Innenraum bei Temperaturen von 70 Grad gingen die Coronaviren kaputt, betont er.
Private Saunen erleben Boom
Nach Angaben des Deutschen Sauna-Bundes bezeichneten sich vor der Pandemie knapp 31 Millionen Menschen bundesweit als Saunagänger, davon besuchten 16 Millionen öffentliche Bäder. "Während die öffentlichen Saunabäder pandemiebedingt 30 bis 50 Prozent Umsatzeinbußen verschmerzen müssen, haben Hersteller mit privaten Saunas 15 bis 20 Prozent höhere Verkaufserlöse", sagt Branchenkenner Pieper.
Den Zuwachs bei Privat-Saunas zeigten auch Daten des Statistischen Bundesamtes, sagt Thorsten Damm vom Bundesfachverband Saunabau, Infrarot- und Dampfbad in Wiesbaden. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 hätten 13 deutsche Hersteller im ersten Halbjahr 2021 bei Saunakabinen aus Holz eine Steigerung der Stückzahlen von 118 Prozent verzeichnet. Es seien deutlich mehr Kabinen eingebaut worden, aber im Schnitt weit günstigere als 2020, also eher im Privatbereich. In große Anlagen sei dagegen weniger investiert worden.
Vielerorts können inzwischen mobile Saunen gemietet werden. Die Geschäftsidee habe in der Pandemie einen starken Schub bekommen und sich für alle Betreiber hervorragend entwickeln können, sagen Gina Hoog und Timo Maurer. Sie vermieten in Celle seit kurzem eine hölzerne Fasssauna, derzeit noch als Nebengewerbe. Das Fass wird zu den Kunden aufs Grundstück geliefert, etwa in den Garten oder die Auffahrt - ausreichend Platz vorausgesetzt. Junge Erwachsene nutzten das Angebot genauso wie Rentner, berichten die beiden.
Mobile Sauna als Kunstprojekt
In Lüneburg verlangt Indra Küster minimale Beiträge für die Nutzung ihrer selbstgebauten Sauna. Wer kein Geld hat, darf auch kommen. Sie selbst kümmert sich um ihre künstlerischen Projekte in einem benachbarten Bauwagen, wenn der Saunabetrieb läuft. Das Ganze ist ein großer Aufwand, sie betrachtet es als ehrenamtliche Arbeit.
Über die Crowdfunding-Plattform "Startnext" findet sie schnell Helfer, wenn der Anhänger mit der Sauna an eine andere Stelle verrückt werden soll. Der Führerschein dafür fehlt Küster noch. "Ich bin mega-dankbar, wie viele Hilfsangebote ich ständig bekomme", erzählt sie. Bis zu fünf Menschen passen zum Schwitzen in die kleine Oase, vermietet wird immer für eineinhalb Stunden. Als kalte Dusche dient ein aufgehängter Eimer Wasser. "Es ist schön zu sehen, dass die Leute mit einem Strahlen nach Hause gehen." Sie freut sich, dass der besondere Ort niemals vermüllt oder dreckig hinterlassen werde.
Die Idee eines Lagerfeuers oder eines begleitenden Konzerts hat sie auf die Nach-Corona-Zeit verschoben. Dann soll der Anhänger auch umherfahren, mal in der Natur, mal in der belebten Innenstadt oder auch auf dem Parkplatz von Aldi genutzt werden. Für Indra Küster ist die mobile Sauna quasi auch ein Kunstprojekt.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 24. Januar 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, Britta Körber und Christina Sticht, dpa