Leben

Wohnschiff statt Mietwucher Wem das Wasser bis zum Haus steht

Das Wohnzimmer direkt am Wasser: Im Hausboot von Falk Viczian finden vier Personen Platz.

Das Wohnzimmer direkt am Wasser: Im Hausboot von Falk Viczian finden vier Personen Platz.

(Foto: Falk Viczian)

In immer mehr deutschen Städten ist Wohnen zum Luxus geworden - die Preise für Grund und Boden steigen stetig. Weshalb also nicht einfach aufs Wasser ausweichen? Ein Hausboot kann die Alternative zur Immobilie sein. Doch es gibt ein paar Haken.

Es klingt traumhaft: Wohnen auf 130 Quadratmetern, zwei Schlafzimmer, Ankleideraum und große Panoramafenster. Fußböden aus skandinavischer Fichte, Terrasse und Einbauküche inklusive - und das alles direkt am Wasser. Mitten in Berlin. Für 140.000 Euro. Jeder, der schon einmal eine Wohnung in der Hauptstadt gesucht hat, dürfte ein solches Angebot als dreisten Betrugsversuch anzeigen. Innenstadtlagen, in denen sich die Bodenpreise innerhalb der vergangenen zehn Jahre teils um 1000 Prozent verteuert haben, machen Immobilien für Normalverdiener faktisch unerschwinglich. Dennoch ist dieses Kaufangebot keine Utopie - jedenfalls dann nicht, wenn Interessenten vom Land aufs Wasser wechseln.

Das "Ei-Home" von Tchibo lockte mit einem Rundumblick aufs Wasser.

Das "Ei-Home" von Tchibo lockte mit einem Rundumblick aufs Wasser.

(Foto: Tchibo)

Hausboote waren bisher eher etwas für Individualisten und Freigeister. Doch die wachsende Wohnungsnot in den Metropolen macht das schwimmende Zuhause nun auch für Paare und junge Familien attraktiv, die sich Wohnungen in den Innenstädten nicht mehr leisten können (oder wollen) - und denen auch das nötige Kapital für ein Eigenheim fehlt. Die Wirtschaft hat den Bedarf an modernen Wohnkonzepten auf dem Wasser schon vor Jahren erkannt. Vorbei sind die Zeiten, in denen Hausboote hauptsächlich in Gestalt halbprofessionell umgebauter, etwas klappriger Lastkähne im Gedächtnis blieben. Die schwimmenden Wohnträume der neuesten Generation bieten jeden Komfort - von der Fußbodenheizung bis zur integrierten Sauna. 

Selbst der Kaffeeröster Tchibo wollte schon 2014 auf dem Hausbootmarkt mitmischen - und brachte "Designerschiffe" mit einer Wohnfläche zwischen 16 und 160 Quadratmetern an die solvente Kundschaft. "Die Zahl der Anfragen war enorm", erinnert sich Tchibo-Sprecherin Helen Rad im Gespräch mit n-tv.de. Dabei muss auch derjenige, der dauerhaft auf dem Wasser leben will, Anschaffungskosten im Wert eines Einfamilienhauses einplanen. Der Einstiegspreis für das größte Tchibo-Modell "Ei-Home" lag bei 189.000 Euro - wohlgemerkt ohne Motor und Steuer. Etwas günstigere Anfertigungen, darunter auch das eingangs beschriebene Hausboot für 140.000 Euro, baut der polnische Hersteller HT Houseboats. Gemessen an den Preisen für eine Eigentumswohnung in Berlin-Mitte oder ein Häuschen samt Grundstück in Münchner Stadtteil Schwabing ist das immer noch ein Schnäppchen - doch der Teufel steckt wie immer im Detail.

Mit Mut und Ausdauer zum Hausboot

In der Düsseldorfer Marina steht das Hausboot "Cruising Home": Es wird an Urlauber vermietet.

In der Düsseldorfer Marina steht das Hausboot "Cruising Home": Es wird an Urlauber vermietet.

(Foto: Falk Viczian)

Wer ein Boot kaufen will, braucht zuallererst einen Liegeplatz. Und die sind in den deutschen Großstädten nach wie vor Mangelware. Während die Stadt Hamburg zuletzt ein paar Dutzend Eignungsflächen für Hausboote ausgewiesen hat, macht es die Berliner Senatsverwaltung den Liebhabern von Wohnschiffen reichlich schwer: Denn wer in der Hauptstadt einen Liegeplatz beantragen will, braucht die Genehmigung von gleich drei Behörden. Und die Genehmigungsverfahren können sich über Monate hinziehen. Ausgewiesene Flächen für Hausboote zu Wohnzwecken gibt es überhaupt nicht. "Hausboote haben für den Senat im Rahmen des Wohnungsbaus keine Bedeutung", erklärte die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vergangenes Jahr in einer Antwort auf eine CDU-Anfrage.

Die Erfahrung, dass Hausboote politisch nicht immer gewollt sind, hat auch die Autorin Uta Eisenhardt gemacht. Gemeinsam mit ihrer Familie bezog sie im Frühsommer 2004 ihr schwimmendes Domizil im Berliner Osthafen. Nur zwei Jahre später kam die Kündigung des Liegeplatzes. Für die Familie ein Schock. "Wer ein Hausboot kauft, muss Mut aufbringen", schreibt Eisenhardt in ihrem Buch "Vier Zimmer, Küche, Boot - eine Familie zieht aufs Wasser". "Insbesondere seitens der Stadtplaner weht ein scharfer Gegenwind." Vor allem Flussufer seien eben öffentliche Räume für Erholung und Naturschutz - und diese Tatsache sei in den Augen vieler Beamter mit der Anwesenheit von Hausbooten nicht in Einklang zu bringen. Bleibt also nur ein fester Liegeplatz in einem Yachthafen oder einer Marina. Und die sind teuer. In Berlin kommen für ein 13,5 Meter langes Wohnschiff jährlich schon mal 7500 Euro Liegegebühren zusammen. Da kann man schon fast wieder zur Miete wohnen.

Wenn Hausboot, dann umweltfreundlich

Auf seinem Forschungsboot "SolarWave" wird alles rein solar-elektrisch betrieben: Falk Viczian.

Auf seinem Forschungsboot "SolarWave" wird alles rein solar-elektrisch betrieben: Falk Viczian.

(Foto: Falk Viczian)

Und es lauern noch weitere versteckte Kosten - etwa für die Instandhaltung des Bootes, Reparaturen und Versicherungen. "Viele Leute haben da ganz falsche Vorstellungen", sagt Falk Viczian. Der Physiker und Solarbootpionier vermietet ein luxuriöses Wohnschiff im Düsseldorfer Medienhafen an Touristen. "Ein einfaches Hausboot", erklärt er, "hält ohne regelmäßige Wartung keine 20 Jahre. Und es verliert mit den Jahren an Wert - anders als zum Beispiel Grund und Boden. Man muss bei einem Boot einfach sehr viel mehr investieren als bei einer Immobilie." Insofern seien Hausboote nur etwas für Gutverdiener. Auch das Argument, die Boote seien eine umweltfreundliche Wohnalternative, stimmt nur zum Teil. Denn viele Modelle heizen und fahren mit Diesel. Grünere Varianten - sogenannte Hybridboote - gibt es zwar, aber sie sind wesentlich teurer.

Seit 2014 forscht Viczian deshalb an solarbetriebenen Hausbooten. Sie sollen eines Tages komplett autark funktionieren - also weder ans Stromnetz angeschlossen werden müssen, noch Ableitungen für Abwasser benötigen. Möglich machen könnten das einerseits Solarzellen auf dem Dach des Bootes, eine eingebaute Wärmepumpe sowie moderne Kleinstkläranlagen an Bord. Das könnte letztlich auch die Bedenken der Umweltämter verringern, die bei der Erschließung neuer Liegeflächen immer wieder die zu erwartenden Eingriffe in die Natur monieren. Es gebe noch viele erschließbare Wasserflächen, sagt Viczian, weil diese aber häufig auch als Naherholungsgebiete dienten, sei es "absolut notwendig, dass sie bei einer zusätzlichen Wohnnutzung möglichst ökologisch genutzt und nicht stark belastet werden".

Dass Hausboote das Wohnungsproblem in den Großstädten lösen können, glaubt Viczian aber ohnehin nicht. "Es gibt so viele Möglichkeiten, diese Problematik intelligenter anzugehen - etwa, indem Wohnen und Arbeiten stärker entkoppelt werden." Stichwort: Home Office. Der Experte rät davon ab, aus rein ökonomischen Gründen aufs Wasser zu ziehen. Denn das Leben ist einem Hausboot ist letztlich vor allem eines: ein Lebensgefühl mit einem Hauch Exklusivität - und keineswegs eine sichere Bank in Zeiten steigender Mieten. Hausbootbesitzerin Uta Eisenhardt musste nach der Kündigung ihres Liegeplatzes im Osthafen lange mit den Berliner Behörden verhandeln, bis eine neue Anlegestelle in Alt-Stralau genehmigt wurde. Doch auch dort fürchtet sie, verdrängt zu werden. "Wer weiß, wem wir ein Dorn im Auge sind?", sagte sie 2016 im "taz"-Interview. "Ich meine: Unser Hausboot, das Symbol für Freiheit schlechthin. Und direkt dahinter: die neuen, hochpreisigen Wohnungen und Town Houses in Alt-Stralau."

Quelle: ntv.de

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