Reise

Nordsee-Wandern im Winter Watt auf Eis

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Ins entfernte Watt sollten Besucher nur mit ausgebildeten Wattwanderern gehen. Die wissen auch über die Tide-Zeiten Bescheid.

(Foto: Sonja Gurris)

Wattwandern ist ein echter Nordsee-Klassiker. Aber haben Sie sich schon mal im Winter eine solche Wanderung durch die Priele gemacht? Ein nordisches Original zeigt, warum sich ein Ausflug auch bei Eiseskälte lohnt.

Eiskalt peitscht der Wind über den Deich. Mehrere Paar Thermostrumpfhosen und Socken reichen kaum aus, um sich im Winter wirklich watttauglich und wetterfest anzuziehen. Die Außentemperaturen kreisen um den Gefrierpunkt. Ein bisschen Qual gehört wohl einfach dazu, wenn man in der kalten Jahreszeit eine typische Wattwanderung mitmacht. Doch anstelle eines Barfußerlebnisses mit den Füßen im Schlick herrscht dieses Mal eindeutig Gummistiefelgebot.

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Franzen kennt das Watt vor Büsum wie kaum ein anderer.

(Foto: Sonja Gurris)

Johann Franzen lädt zu Winterwattwanderung vor Büsum ein. Und eines ist sofort klar: Die Drei-Priele-Wanderung ist am heutigen Tag nichts für Weicheier. Eigentlich soll sie vier Stunden gehen, doch der Wattführer winkt schon am Anfang ab und sagt, dass er die Tour aufgrund der Eiseskälte etwas verkürzen muss. Deshalb verliert der zupackende und erfahrene Wattführer auch keine Zeit: "Ich begrüße euch herzlich mit einem Dithmarscher Moin Moin. Ich möchte mich vorstellen, ich bin Johann Franzen, Nationalparkwattführer und bin seit Jahrzehnten hier vor der Dithmarscher Küste unterwegs."

Zu Beginn muss Franzen die Tour in Büsum per Funk bei einer Meldestelle ankündigen, damit die Behörden wissen, welche Gruppen im Watt unterwegs sind. Sicherheit hat oberste Priorität. Besonders wenn Menschen im Watt unterwegs sind, die sich alleine verirren könnten und nicht rechtzeitig vor der Flut zurückfinden. Diese Gefahr besteht immer, wie Franzen nicht müde wird zu betonen. Regelmäßig müssen Menschen aus dem Watt gerettet werden. An diesem zunächst so grauen Vormittag möchte man das sofort glauben, schließlich ist eine Entfernung im Watt kaum richtig abzuschätzen. Bei eisigen Temperaturen wäre es umso schlimmer, die Orientierung zu verlieren.

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Der Nationalpark Wattenmeer ist Unesco-Weltnaturerbe.

(Foto: Sonja Gurris)

Ein empfindliches Schutzgebiet

Die Gummistiefeln platschen im Watt, der Wind ist rau, die Luft eisig, die Sicht schier unendlich. Wie groß das Wattenmeer wirklich ist, wird klar, als Franzen in die Einzelheiten geht. "Herzlich willkommen im Nationalpark schleswig-holsteinisches Wattenmeer. Ein Nationalpark ist der höchste Status für ein Naturschutzgebiet. Und das hier ist der größte Nationalpark in ganz Europa - mit einer Größe von 441.000 Hektar." Eine Wattführung ist immer auch ein kleiner Lehrausflug.

"Wir finden hier einen geschlossenen Biokreislauf vor. In einem Kubikzentimeter Wattenmeer leben bis zu 1,2 Millionen Mikroorganismen. Das sind Kleinstlebewesen - wie Plankton, Bakterien und Algen und sie bilden die Lebensgrundlage für Muscheln, Schnecken und Würmer." Dabei klingt Franzen ein bisschen wie ein Biologielehrer. "Die sind wiederum das Fressen für die Vogelwelt und aus dem Kot der Vögel, entstehen wieder Bakterien", erklärt der Wattführer den Kreislauf und geht noch weiter ins Detail: "Als der Nationalpark 1985 gegründet wurde, hatten wir eine Vogelpopulation von ungefähr 70 verschiedenen Arten. Heute haben wir durch Umwelt- und Naturschutz weit über 130 verschiedene Vogelarten."

In Büsum ist das Wattenmeer vor der Haustür. Das ist Erholung und mögliche Bedrohung zugleich. "Da vorne sehen wir schon auf halber Strecke das Hochhaus von Büsum. Da schlägt das Herz gleich ein bisschen höher. Das gehört einfach dazu. Ein altes Friesenhaus hinterm Deich reißt man ja auch nicht einfach ab", sagt er mit einem breiten Grinsen, als er auf den grauen Koloss am Horizont deutet. Doch Orte wie Büsum müssen auch für die Zukunft geschützt werden.

Aufklären und sensibilisieren

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Im Winter hat ein Wattausflug ganz besonderen Charme.

(Foto: Sonja Gurris)

Das Land Schleswig-Holstein gibt jedes Jahr rund 300 Millionen Euro für die Küstensicherung aus. Der Meeresspiegel steigt und die Ortschaften müssen gerüstet sein. Man merkt dem älteren Herrn an, dass er schon seit 1986 dabei ist. Er sieht den Schutz des Wattenmeer-Natioalparks auch als seine persönliche Aufgabe. Andere Menschen aufzuklären ist ihm sichtlich wichtig. Auch dafür quält sich Franzen durch die Kälte und wird nach zwei Stunden durch die aufziehende Sonne belohnt. So hat eine Winterwattwanderung auch ihren ganz eigenen Charme. Ganz besonders, wenn Eiskristalle auf dem Boden glänzen und eine einzigartige Stimmung über dem Wattenmeer liegt.

Dann gräbt Franzen mit der mitgebrachten Mistgabel - so wie es wohl bei jeder Wanderung vorkommt - den Schlick um. Ein Klassiker, der nicht fehlen darf. Doch die Wattwürmer verstecken sich vor den neugierigen Zuschauern. Denen ist es wohl zu kalt. Das ist dann auch das Zeichen für die Winter-Wattenmeer-Besucher, den Rückweg anzutreten.

Die nächste "Drei-Priele-Tour" findet im Rahmen der Grünkohlwattwanderung am 9. Januar 2019 statt. Weitere Informationen erhalten Besucher bei Nordsee Tourismus.

Quelle: ntv.de

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