Harvey Keitel findet seine Rollen Das Gesicht des Abgrunds
13.05.2014, 13:51 Uhr
Keitel steht auch mit 75 noch regelmäßig vor der Kamera.
(Foto: imago stock&people)
Gangster, Zuhälter oder korrupte Polizisten: Knallharte Rollen sind das Markenzeichen von Harvey Keitel. Doch der Schauspieler, der nun 75 wird, kann viel mehr. Zuletzt zeigte er gar seine skurrile Seite. Die wirklich guten Rollen vermisst er heutzutage allerdings.
In "Taxi Driver" von Scorsese ist Keitel (l.) der Widerpart von Robert De Niro.
(Foto: imago stock&people)
Ein knorriges, verwittertes Gesicht mit breiter Nase und meist grimmigem Blick: Das ist die Fassade, die Harvey Keitel berühmt machte. Über Jahrzehnte hinweg war er Hollywoods Idealbesetzung für korrupte Polizisten, abgebrühte Verbrecher und frustrierte, gewalttätige Männer.
In "Taxi Driver" (1976) war er der brutale Zuhälter, in "Die letzte Versuchung Christi" (1988) der verräterische Judas, in Quentin Tarantinos "Reservoir Dogs - Wilde Hunde" (1991) ein kaltblütiger Mörder, in "Bad Lieutenant" (1992) ein drogendealender Cop und in "Cop Land" ein korrupter Polizist. Den Oscar hat er nie gewonnen. Nur einmal war er für Hollywoods höchsten Preis nominiert - 1992 in der Rolle des Gangsters Mickey Cohen in dem Mafiastreifen "Bugsy".
Zu wenig gute Rollen
Im vorigen Jahr, als Ehrengast beim Filmfestival von Cartagena de Indias in Kolumbien, klagte er über den Mangel an guten Rollen. "Das Kino ist viel kommerzieller geworden, es gibt nur noch eine Handvoll guter Produktionen", sagte der gebürtige New Yorker. Eine der Ausnahmen seien die Filme von Quentin Tarantino, für den er in "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction" vor der Kamera stand: "Er hat ein einzigartiges Talent."
Keitel, der nun 75 Jahre alt wird, findet weiter seine Nischen. Seit seinem 70. Geburtstag drehte er knapp ein Dutzend Filme ab. An der Seite von Ralph Fiennes, Tilda Swinton und Bill Murray ist er in der Wes-Anderson-Komödie "Grand Budapest Hotel" zu sehen. Auf der Berlinale lief die Krimi-Neuverfilmung "La voie de l'ennemi" (Die Stimme des Feindes) mit Keitel und Forest Whitaker.
2013 holte ihn Ari Folman für den Zukunftsthriller "The Congress" als durchtriebenen Manager einer Schauspielerin vor die Kamera. In der Tragikomödie "Moonrise Kingdom", ebenfalls von Anderson, mimte er einen alten, skurrilen Pfadfinder-Haudegen. Hinzu kamen die Abenteuergeschichten "Das Vermächtnis der Tempelritter" und "Das Vermächtnis des geheimen Buches" mit Nicolas Cage.
Erinnerung an Czernowitz
Keitel wurde 1939 in New York geboren. Sein Vater, ein Hutmacher, stammte aus Polen, seine Mutter aus Rumänien. Der Spur seiner Vorfahren ging Keitel 2004 in Volker Koepps Dokumentation "Dieses Jahr in Czernowitz" nach. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen etwa zwei Drittel der Bevölkerung von Czernowitz an der ukrainisch-rumänischen Grenze, woher Keitels Mutter stammte, getötet.
Nach dem Militärdienst und Jobs als Schuhverkäufer und Gerichtsschreiber studierte er am renommierten Actors Studio von Lee Strasberg in New York - bis heute gilt er als herausragender Vertreter des dort gelehrten Method Acting. Nach zig kleinen Bühnenrollen landete er am Broadway in Stücken von Arthur Miller und Sam Shepard.
Zum Durchbruch beim Film verhalf ihm Ende der 60er Jahre seine Freundschaft mit dem damals noch unbekannten Regisseur Martin Scorsese. Keitel hatte auf eine Zeitungsanzeige geantwortet, die Scorsese auf der Suche nach Schauspielern aufgegeben hatte. Nach Rollen in "Hexenkessel" (1973) und "Taxi Driver" (1976) folgten über Jahre hinweg eine Reihe unbedeutende Gangsterfilme, bis mit Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" 1988 die Wende kam.
Dem Judas-Auftritt folgten Rollen in etlichen Kultfilmen der 90er Jahre: "Reservoir Dogs - Wilde Hunde", "Thelma & Louise", "Bad Lieutenant", "Pulp Fiction", "From Dusk Till Dawn" und "Smoke". In der Romanze "Das Piano" (1993) bewies Keitel in einer seltenen Liebhaberrolle seine Wandlungsfähigkeit.
Seitdem ist das knorrige Gesicht von der Leinwand nicht mehr wegzudenken. Doch er spielt nicht nur selbst, er gibt seine Erfahrung auch weiter. Er ist heute Co-Präsident des Actors Studio, wo er selbst seine ersten Schritte als Schauspieler machte.
Quelle: ntv.de, mli/dpa