Lindholm am Ende Der Furtwängler-"Tatort" im Schnellcheck
05.11.2017, 21:46 Uhr
Hatte schon bessere Zeiten: Lindholm (Maria Furtwängler, r.). Links im Hintergrund ihr jüngeres Spiegelbild Schäfer (Susanne Bormann)
(Foto: NDR/Marion von der Mehden)
Kommissarin Lindholm wird am Rande einer Party verprügelt und erniedrigt - und projiziert die erfahrene Gewalt auf den Entführungsfall, in dem sie ermitteln soll. "Der Fall Holdt" lebt von der Bereitschaft, sich auf die Nabelschau der Ermittlerin einzulassen.
Das Szenario
Die Frau des Direktors einer Walsroder Bankfiliale wird auf dem Weg zu ihrem Reitverein von zwei maskierten Männern entführt, der Hund des Ehepaars kaltblütig erschossen. Die Entführer fordern 300.000 Euro von Frank Holdt (Aljoscha Stadelmann) und drohen mit der Enthauptung seiner Frau. Der verzweifelte und chronisch klamme Ehemann wendet sich in seiner Not an die Eltern der Gattin - aus der erhofften Finanzspritze wird allerdings nichts, stattdessen schaltet der patriarchalische Vater der Entführten die Polizei ein. Mit dem Fall betraut wird Kommissarin Lindholm (Maria Furtwängler), die indes mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen hat.

Die Familie der Entführten ist lange nicht so vereint wie es auf diesem Bild wirkt.
(Foto: NDR/Marion von der Mehden)
Nachdem Lindholm am Rande einer Party von einer Gruppe Männer verprügelt und gedemütigt wurde, befindet sich die sonst so taffe Ermittlerin in einer selbstzerstörerischen Abwärtsspirale. Lindholm projiziert ihre angestaute Wut auf den cholerischen und alles andere als sympathischen Holdt und verrennt sich mehr und mehr in einen persönlichen Rachefeldzug. Nach und nach kommt heraus, dass Holdt seine Frau wegen einer Affäre verprügelte und sie sich daraufhin von ihm trennen wollte. Gab der gehörnte Ehemann die Entführung am Ende gar selbst in Auftrag?
Die eigentliche Botschaft
Gewalt erzeugt Gegengewalt. Regisseurin Anne Zohra Berrached zeichnet detaillierte Psychogramme ihrer Protagonisten - und zeigt schmerzhaft auf, wie destruktiv der Strudel aus Verletzung, Hass und verbaler wie körperlicher Gewalt sein kann.
Darüber wird in der Mittagspause geredet
Lindholms erratische und von persönlichen Rachegedanken befeuerte Verhörtaktik treibt den an der Entführung unbeteiligten Holdt zum Selbstmord. Der Kloß im Hals beim Anblick der erhängten Leiche des Ehemanns ist garantiert.
Der Plausibilitätsfaktor
Hoch. "Der Fall Holdt" basiert auf dem realen Entführungsfall Bögerl aus dem Jahr 2010. Obwohl bis zu 80 Ermittler mehr als 1200 Spuren nachgingen, wurden die Täter bis heute nicht gefunden.
Die Bewertung
Zwischen 6 und 9 von 10 Punkten. Wie spannend man diesen "Tatort" findet, hängt gleich von zwei entscheidenden Faktoren ab: Wer mit der realen Vorlage vertraut ist, kennt bereits am Anfang des Films dessen Ende. Und wer mit der Fokussierung auf Lindholms Privatleben nicht klarkommt, hat ohnehin verloren. Alle anderen erleben einen packenden Krimi.
Quelle: ntv.de