Münster-"Tatort" als Gay-Klamauk Eine Hochzeit zum Fremdschämen
31.05.2015, 21:43 Uhr
Süß, die beiden.
(Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
Thiel und Boerne heiraten? Wurde aber auch Zeit, werden manche jetzt wohl sagen. Was der Onkel aus Florida und ein toter brasilianischer Lover damit zu tun haben, verrät "Erkläre Chimäre" Zuschauern mit unverwüstlichem Humorzentrum.
Münster-"Tatorte" sind die Trumpfkarten der öffentlich-rechtlichen Abendunterhaltung: Wer das Glück hat, bei einem der WDR-Krimis Regie führen zu dürfen, könnte wahrscheinlich auch Mario Barth einen 90-minütigen Monolog über die 1200-jährige Geschichte der Domstadt halten lassen - und würde trotzdem noch Rekordquoten einfahren. Der Horrorkomiker bleibt dem Sonntagabendpublikum zwar erspart, aber was Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) in ihrem neuesten Fall anstellen, ist so viel besser dann auch wieder nicht.
Das fängt schon beim Plot an: Der schwule Onkel des Professors hat aus dem Frachtraum eines vor Kuba untergegangenen Schiffs drei fast 200 Jahre alte Champagnerflaschen stibitzt - und wollte die 300.000 Euro teuren Schätzchen von seinem brasilianischen Lover in Münster verhökern lassen, um damit seine eigene Krebsbehandlung zu finanzieren. Genau dieser brasilianische Lover aber, in einem Waisenhaus in Rio aufgewachsen und als Kind von einem Münsteraner Wohltätigkeitsverein unterstützt, liegt jetzt mit aufgeschlitzter Kehle in einem Gasthaus in Münster, während Kommissar Thiel so tun muss, als wäre er frisch mit Boerne verheiratet - weil der Professor seinem Onkel weismachen will, ebenfalls unter die "bekennenden Homosexuellen" (Boerne) gegangen zu sein, um in der Erbfolge aufzusteigen und die Villa des vermeintlich todkranken Onkels in Florida zu erben. Uff.
Gay-Klamauk mit dem Holzhammer
Ja, schon klar, verrückte Zufälle sind eine der Hauptzutaten der Münster-"Tatorte" - und in den besseren Fällen funktioniert das als Stilelement auch ganz wunderbar. "Erkläre Chimäre" aber stürzt schon nach wenigen Minuten vom schmalen Grat des infantil-witzigen Humors ins tiefe Tal des fremdschämerischen Klamauks und bleibt da für den Rest der Episode.
Am schlimmsten schmerzen die Szenen, in denen Boerne und Thiel dem Onkel vorgaukeln, glücklich verliebt zu sein: "Süß seid ihr miteinander", gurrt der Silberrücken aus Florida dann und kneift die beiden beherzt in die Wangen. Man kann sich die Drehbuchautoren Stefan Cantz und Jan Hinter beim Brainstormen über typisch schwul-witzige Gesten quasi bildlich vorstellen. Dass es Prahl und Liefers trotz all des mit dem Holzhammer präsentierten Gay-Klamauks schaffen, nicht allzu tuckig rüberzukommen, ist den beiden Schauspielern hoch anzurechnen.
Das war's dann aber eigentlich auch schon mit den lobenden Worten für "Erkläre Chimäre": Die Handlung plätschert genauso vor sich hin wie die Witzchen - und nach 90 Minuten sind nicht nur Thiel und Boerne froh darüber, dass die Scharade endlich ein Ende hat.
Quelle: ntv.de