Steht der ESC-Sieger schon fest? Finale in Wien droht zur Farce zu werden
22.05.2015, 11:40 Uhr
Aminata aus Lettland erinnert nur von Weitem an Conchita.
(Foto: dpa)
Der Countdown zum ESC-Finale in Österreich läuft. Und wie jedes Jahr ranken sich wilde Spekulationen um mögliche Favoriten. Ein Teilnehmer scheint jedoch die Nase bereits so weit vorn zu haben, dass die ESC-Party zum Gähn-Event werden könnte.
Eins ist klar: Wenn es nach den österreichischen Zuschauern ginge, dann würde Conchita Wurst auch in diesem Jahr den Eurovision Song Contest gewinnen. Und in den nächsten zehn Jahren. Dass sie gar nicht zum Teilnehmer-Feld gehört, sondern lediglich die Interviews im "Green Room" führt, spielt da keine Rolle. Auf der Bühne mag sich gerade abmühen, wer will - kein Grund für das Publikum in der Wiener Stadthalle, nicht zu spontanen "Conchita"-Sprechchören anzusetzen.
So, wie sogar die kleinen Steppkes ganzer Schulklassen beim Anblick der Frau mit Bart ausrasten, sollten Regenbögen künftig die Form einer Wurst annehmen. Mehr hat für die sexuelle Toleranz in den vergangenen Jahren kaum jemand erreicht. Und auch die Journalisten waren begeistert, als die österreichische Queen am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz Hofe hielt. Selbst die Tatsache, dass Madame Wurst den Anlass vor allem als Werbeveranstaltung in eigener Sache - für ihr Buch und ihre CD - zu nutzen wusste, vermochte die Euphorie nicht zu schmälern.
Die Stunde der Spekulationen
Seit Donnerstagabend wissen wir nun endlich auch, wie das Teilnehmerfeld im großen ESC-Finale am Samstag schlussendlich aussehen wird - und wer kurz vor der Zielgeraden die Koffer packen muss: Tschechien, Island, Irland, Malta, Portugal, San Marino und die Schweiz sind im zweiten Semifinale gescheitert. Und spätestens jetzt schlägt die Stunde der Spekulationen.
Nein, wer beim ESC Prophezeiungen vom Stapel lässt, tut sich keinen Gefallen. Und so könnte es ein Glück sein, dass dieser Text auch schon bald wieder digitaler Buchstaben-Salat von gestern sein wird. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass beim Song Contest in Wien bereits eine Vorentscheidung gefallen ist. Die Abstimmung im Finale droht jedenfalls ziemlich langweilig zu werden.
Alter Schwede
Gerade mal drei Jahre ist es her, dass Schweden mit Loreen das bislang letzte Mal den ESC gewonnen hat. Und trotzdem könnte die Gesangskrone nun schon wieder mal ins Eurovisions-Stammland gehen. Und das nicht nur, weil die Buchmacher den Beitrag von Måns Zelmerlöw aus der ABBA-Heimat bereits seit Wochen ganz vorne sehen. Nicht nur, weil Zelmerlöw ein sympathischer Typ mit Lausbub-Grinsen ist. Und nicht nur, weil sein "Heroes" ein international tauglicher Popsong mit Ohrwurm-Potenzial ist.
Es liegt vor allem an der Performance. Keine Frage, die High-Tech-Bühne mit einer 30 mal 9 Meter großen LED-Wand im Hintergrund bietet allen Wettbewerbern in Wien optimale Bedingungen. Doch was die Schweden mit dreidimensional anmutenden Effekten aus den technischen Möglichkeiten herausgeholt haben, stellt alles andere in den Schatten. Beim ESC kommt es nicht zuletzt darauf an, in rund drei Minuten einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Und Zelmerlöws Auftritt bleibt im Gedächtnis kleben. Es ist halt doch nicht nur ein "Song" Contest.
Wer taugt zum Favoriten-Schreck?
Trotzdem ist ja noch nicht aller Tage Abend. Und abgesehen vom Mega-Favoriten Zelmerlöw gibt es da schon noch ein paar andere Kandidaten, die den Schweden vielleicht doch einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Estland und Norwegen etwa. Beide Länder schicken ein ähnlich schaurig-schönes Duett ins Rennen - die Esten Elina Born und Stig Rästa mit "Goodbye To Yesterday", die Norweger Mørland und Debrah Scarlett mit "A Monster Like Me".
Beim österreichischen Publikum kommt auch Nadav Guedj aus Israel mit seinem Party-Song "Golden Boy" besonders gut an. Lettlands Aminata besticht durch ihren außergewöhnlichen Vortrag von "Love Injected", irgendwo zwischen Loreen und Björk. Litauen verbreitet mit "This Time" von Monika Linkytė und Vaidas Baumila Flower-Power-Stimmung. Und "Here For You" von Sloweniens Maraaya bekommt man so schnell nicht wieder aus dem Kopf.
Die Nerven der ESC-Gemeinde
Vor allem aber sollte man noch Serbien auf dem Zettel haben. Die stimmgewaltige Matrone Bojana Stamenov trifft mit Textzeilen wie "I'm different and it's okay" in ihrer Hymne "Beauty Never Lies" so ziemlich jeden Nerv der ESC-Gemeinde. Und sollten die Song-Contest-Fans besonders gut drauf sein, dann küren sie vielleicht auch den australischen Ehrengast Guy Sebastian mit "Tonight Again" zum Sieger. Man will ja schließlich ein guter Gastgeber sein.
Kurzum: Auch wenn ein Durchmarsch Zelmerlöws wie vor zwei Jahren bei Emmelie de Forest und "Only Teardrops" schon vorgezeichnet scheint - noch ist der ESC für eine Überraschung gut. Wie immer halt. Nur für Deutschlands Ann Sophie wird es extrem eng. Daran ändert leider auch nichts, dass sie ihre Erkältung mittlerweile im Griff hat. "Black Smoke" droht angesichts der starken Konkurrenz in Wien sang- und klanglos zu verdampfen.
Quelle: ntv.de