Windkraft-"Tatort" aus Bremen Grün ist der Tod
14.06.2015, 21:52 Uhr
Kleine Familienaufstellung: Wer war's denn nun?
(Foto: Radio Bremen/Jörg Landsberg)
Offshore-Windparks sind böse! Könnte man jedenfalls denken, wenn man nach der Hälfte des neuen Bremer "Tatorts" abschaltet. Natürlich ist am Ende alles viel komplizierter. Aber: Warum sollte man bei so viel Spannung am Sonntagabend wegschalten?
Früher war alles besser: Kernkraftwerke und ihre Betreiber waren die Bösen, Umweltschützer die Guten. In Zeiten der Energiewende aber ist aus dem klaren Schwarz-Weiß-Schema diffuses Grau geworden. Offshore-Windparks zum Beispiel: großartig, weil sie grünen Strom liefern - und abgrundtief böse, weil der Lärm bei ihrem Aufbau Schweinswalen das Hirn aus den Gehörgängen hämmert und die fertigen Rotoren Tausende Seevögel schreddern. Als Umweltaktivist kann man da schon mal den Überblick verlieren und Tabula rasa machen. Wie soll man bei so viel Grau schließlich auch danebenliegen?
Die Bremer "Tatort"-Kommissare haben in ihrem neuesten Fall jedenfalls ein ganzes Wollknäuel an Verstrickungen zu entwirren: "Ich will doch nur die Welt ein Stückchen besser machen", sagt der Offshore-Windpark-Besitzer Lars Overbeck (Thomas Heinze), der seit seinem Wandel vom Aktivisten zum Realisten erklärter Hauptfeind seiner früheren Brüder und Schwestern und nach dem Mord an einem Umweltschützer und dem Verschwinden eines weiteren inklusive Blutspur auf einem Hochsee-Windrand schwer verdächtig ist. Je tiefer Inga Lürsen (Sabine Postel) und Kollege Stedefreund (Oliver Mommsen) allerdings graben, desto undurchsichtiger werden die Motive der Umweltschützer selbst - wollen sie Overbeck den Mord in die Schuhe schieben? Als sich dann auch noch ein schmieriger Hedgefonds-Manager einschaltet, ist das Chaos komplett.
Von der ersten bis zur letzten Minute spannend
Drehbuchautor Wilfried Huismann entwirft in "Wer Wind erntet, sät Sturm" ein spannendes Szenario und stellt gleich mehrfach übliche Moralvorstellungen von Gut und Böse infrage. Wie weit darf man in Verfolgung seiner Ideale gehen und wann muss man Kompromisse eingehen? Kann ein grüner Deal mit dem Teufel auch gleichzeitig ein guter Deal sein? Und wo hört eigentlich Idealismus auf und wird zu Fanatismus? Die Antworten darauf gibt Regisseur Florian Baxmeyer in gewohnt düsterer Bremer "Tatort"-Manier, die im Zusammenspiel mit dem spröden Kommissaren-Duo oft deplatziert wirkt, in diesem Fall aber voll ins Schwarze trifft: "Wer Wind erntet, sät Sturm" ist von der ersten bis zur letzten Minute spannend.
Das liegt nicht zuletzt an der sorgfältig ausgewählten Besetzung, die auch deshalb so gut zur Geltung kommt, weil Lürsen und Stedefreund ohne private Wehwehchen und andere Plotkiller auskommen. Thomas Heinze nimmt man den jovialen Ex-Aktivisten, der den richtigen Mittelweg zwischen Umweltschutz und Machbarkeit zu finden versucht, genauso ab wie Annika Blendl ihre Rolle als Katrin Lorenz, die als Vizechefin einer großen Umweltorganisation den Kompromiss mit Unternehmen sucht, um überhaupt irgendwas zu erreichen. Rafael Stachowiak mimt grandios den rücksichtslosen Manager, der noch spätabends im Büro seinen Workout macht und dessen einzige Schwachstelle das innige Verhältnis zu seiner Oma zu sein scheint. Allerdings dürfte die Rolle des Milan Berger nicht jedem gefallen: Im sonst so farblosen Bremer Milieu wirkt der völlig überzeichnete Hedgefonds-Hai wie ein Fremdkörper.
Das dürfte dann aber auch der einzige größere Kritikpunkt sein: Anders als Umweltschutz in Zeiten der Energiewende ist dieser "Tatort"-Abend nämlich größtenteils frei von Grautönen und deshalb auch fast uneingeschränkt zu genießen.
Quelle: ntv.de