Unterhaltung

Angst essen Seele auf Macht es wie Madonna!

Madonna lässt sich nichts verbieten.

Madonna lässt sich nichts verbieten.

(Foto: imago/CTK Photo)

Tag 3 nach Paris: Was jetzt? Kopf in den Sand, Sand in den Kopf? Weitermachen, aufhören, jetzt erst recht? Einige resignieren - verständlich, aber unnötig. Wir sollten weitermachen. Noch mehr, noch besser, lauter, länger, weiter!

Drei Gedanken zu einem Wochenende, das so viele Emotionen ausgelöst hat - und ganz gegen meine sonstige Natur, immer gern sofort etwas zu allem zu sagen, musste ich mich erstmal sammeln.

Gedanke 1: "Die Alte hat Recht!" Und zwar 100 Prozent. Zwar ist sie einem in letzter Zeit oft auf die Nerven gegangen, denn zu belanglos war ihre Musik, jedenfalls für mich, und ein Konzert mit Madonna hatte seinen Reiz verloren. Sie wirkte kalkuliert und wie ein Show-Profi eben so ist: routiniert das Programm abspulend. Doch nun, im Angesicht des Schreckens, eine echt andere Madonna, eine echte Madonna: Im Gegensatz zu vielen anderen Musikern, die ihre anstehenden Konzerte oder ganze Tourneen aufgrund der Geschehnisse in Paris absagten, stand Madonna am Wochenende in Stockholm auf der Bühne. Der Terror-Opfer gedachte sie mit einer Schweigeminute und einer bewegenden Ansprache: "In dieser Show geht es darum, das Leben zu feiern und für seine Rechte zu kämpfen. Dafür zu kämpfen, woran man glaubt", so die Sängerin.

"Ich fühle mich zerrissen!"

"Das beschäftigt mich schon den ganzen Tag, und es war schwer, die Show bis jetzt durchzuziehen. Denn ich fühle mich ganz zerrissen: Was mache ich hier oben, tanze und habe Spaß, während andere Menschen um den Verlust ihrer Lieben weinen?", fuhr sie mit zitternder Stimme fort. "Doch das ist genau das, was diese Leute erreichen wollen. Sie wollen uns zum Schweigen bringen. Und das werden wir nicht zulassen. Denn es liegt Stärke in Einheit, und ich glaube, soviel Chaos, Schmerz, sinnlose Gewalt und Terrorismus sich auch auf der ganzen Welt - und nicht nur in Paris - abspielen, gibt es mehr Gutes in der Welt. Wir sind hier, um das zu beweisen." Das ist ihr gelungen! Nach der Gedenkminute für die Opfer wischte sich Madonna mit einem aus dem Publikum gereichten Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht und spielte eine Akustikversion ihres Hits "Like A Prayer".

"Danke, Stockholm", schrieb sie nach dem Konzert auf Instagram. "Das Konzert heute Abend war schwierig, aber in der Arena gab es so viel Liebe, dass ich das Gefühl hatte, dass wir die Dunkelheit in Licht verwandeln. Und das ist unsere Aufgabe als Menschen!" Und tatsächlich sieht das, was sie da macht, echt aus und dringt selbst auf dem Bildschirm zu uns durch.

Was wäre wenn ... ?

Gedanke 2: Am Wochenende trifft man sich mit seiner Familie, die Kinder spielen unbeschwert, man räumt auf und sortiert Fotos, man sieht seine Freunde, man feiert, kocht gemeinsam, trinkt, der eine oder andere lernt jemanden kennen, wir sind frei und unbeschwert, zumindest meistens, wenn nicht existentielle Störungen auftauchen. Existentielle Störungen sind: einer verliert seinen Job, jemand wird krank, stirbt, hat Drogenprobleme. Das sollte reichen als Störung. Störungen wie Terroranschläge sind nicht vorgesehen und versetzen uns nun, da der Terror zu uns kommt, in Angst und Schrecken. Paris ist nicht so weit wie Beirut, der Sudan oder Gaza. Paris ist uns nah, das Leben und überhaupt die Art zu leben, ist zu großen Teilen unsere. Der Terror am Ende der Welt macht uns auch betroffen, aber der Terror um die Ecke ist nochmal was anderes und macht den Terror am anderen Ende der Welt dennoch nicht kleiner oder weniger schlimm.

Der Gedanke kam mir Sonntagabend: Was würde ich zuerst einpacken, wenn ich jetzt, sofort und auf der Stelle weg müsste? Es ist spät, die Kinder liegen im Bett, wir haben gut gegessen, die Küche ist sogar aufgeräumt. Es gibt Pragmatiker, die sagen, pack was Warmes ein, die Ausweise, viel Bargeld und Omas Schmuck und den Lieblingsteddy. Aber die Schallplatten, die Fotoalben und die alten Möbel soll ich stehen lassen, damit Barbaren sie kaputtmachen könnten? Jetzt abhauen - ein Alptraum. Ums nackte Überleben kämpfen, bloß weil anderen mein Lebensstil nicht passt? Auf keinen Fall, ich würde das nicht hergeben wollen. Darüber sollten einige auch mal nachdenken, wenn sie über Flüchtlinge herziehen. Die hatten zu großen Teilen mal ein ähnlich gutes Leben, und wenn nicht, dann wird es Zeit, dass sie jetzt eins bekommen.

Die Fußballteams, die am Dienstagabend antreten - Deutschland gegen die Niederlande, England gegen Frankreich - lassen sich auch nicht einschüchtern und setzen Zeichen "für unsere Werte, unsere Kultur und unsere Freiheit", so Oliver Bierhoff. Für Bundestrainer Joachim Löw steht fest, dass "dieses Spiel stattfinden soll, stattfinden muss". Das Spiel hat eine klare Botschaft: Es findet statt für die Freiheit, die Demokratie und aus Respekt zu allen Franzosen.

Die Gnade der späten Geburt?

Gedanke 3: Ich kenne es fast nicht anders, als mit irgendeiner Form von terroristischer Bedrohung zu leben. Alle nach dem Zweiten Weltkrieg Geborenen haben glücklicherweise - zumindest in unseren deutschen Breiten - keinen Krieg erlebt. Terror aber schon. Durch die RAF beispielsweise, durch Al Qaida, Boko Haram, die Taliban. Der Terror fand und findet oft weit weg statt, aber weit weg machen wir ja gerne Urlaub. Und der Terror kommt näher, denn die Terroristen reisen ein - und sicher nicht erst, seit Flüchtlinge zu Tausenden zu uns strömen.

Und noch ein Gedanke: Ich kenne es auch nicht anders, als in einer bunten Gesellschaft aufzuwachsen. Die hatte es schon immer schwer. Aber es wurde letztendlich nie gezögert, an einem bunten, multikulturellen Leben festzuhalten. 1974 erschien ein Film von Rainer Werner Fassbinder: "Angst essen Seele auf". Darin geht es um Emmi Kurowski, eine verwitwete Putzfrau jenseits der 60, die einen jüngeren Mann kennenlernt und ihn heiratet, den Ausländer. Ali aus Marokko und Emmi haben es nicht leicht in den ach so freien Siebziger Jahren, ihre Liebe wird auf viele Proben gestellt, die von außen kommen. Doch das, was dem Paar das Ende bereitet, ist eben dieses "Angst essen Seele auf". Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen!

Quelle: ntv.de, mit spoton

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