Münchener "Tatort" Männer in Erklärungsnot
04.05.2014, 21:44 Uhr
Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl).
(Foto: BR/Denise Vernillo)
Eine Prostituierte ist tot. Kommissar Leitmayr kannte sie besser, als er zugeben will. Ein starker "Tatort" aus München - über die Lügenwelt, die sich Männer kaufen.
Es ist schon der 67. gemeinsame Fall, aber plötzlich versteht Ivo Batic den Kollegen Leitmayr nicht mehr. Die Prostituierte Lisa Brenner ist nach einem Sturz vom Balkon gestorben, und während der Ermittlungen stellt sich heraus, dass auch der Kommissar eine Beziehung mit ihr hatte. Ein Umstand, den Leitmayr den Kollegen auch nach dem Mord vorenthalten hat. Nun ist er suspendiert. "Ich habe versucht, dich herauszuhalten, aber jetzt kann ich nichts mehr für dich tun", sagt Batic.
Kommissar Leitmayr ist nicht der einzige Mann, der in diesem "Tatort" in Erklärungsnot gerät. Es ist ein starker, spannender Krimi über die Anziehungskraft der Prostitution - und die Lügenwelt, in die sich die Männer flüchten, die sie in Anspruch nehmen. Die Tote bediente erfolgreich eine ganze Bandbreite von Begierden.

Ermittler Radtke berichtet Kriminalhauptkommissar Leitmayr, Kriminalhauptkommissar Batic und dem Assistenten Hammermann (v.l.) von der Personenbefragung vor Lisa Brenners Haus.
(Foto: BR/Denise Vernillo)
Einen Manager begleitete sie bei Kurztrips in Nobelhotels, natürlich ohne Wissen der Ehefrau. Ein kleiner Bankangestellter durfte im Bett mal richtig die Sau rauslassen. Ein millionenschwerer Wirt - Franz Xaver Kroetz spielt ihn großartig als bayerisches Urviech - wurde bei ihr weich, ein Rentner mit Helferkomplex besorgte ihre Einkäufe. Und der Kommissar? Dem gab sie die starke Gefährtin, bis sie herausfinden musste, dass er nicht zu ihr stand. Gekauft hatte er sie für die Affäre zumindest nicht. Als sie kurz vor ihrem Tod seine Hilfe brauchte, rief er nicht zurück.
Die Männer müssen büßen
Wer Lisa Brenner vom Balkon stieß, lässt dieser Film lange offen; wer ihr wahres Gesicht gesehen hat, enthüllt er gar nicht. Stattdessen zeigt er Männer, die mit der Polizei über starke Gefühle zu einer Frau sprechen müssen, mit der die meisten in der Öffentlichkeit nichts zu tun haben wollten. Einen einfachen Ausweg gönnt die Geschichte (Drehbuch: Catharina Schuchmann und Max Färberböck) niemandem. Wer dieser Frau verfallen war, ohne sie kennen zu wollen, muss dafür büßen. Ein Mann endet mit einem Hammer auf dem Kopf und einer in einer Autobahnbaustelle, viele vermutlich vor dem Scheidungsrichter. Selbst der Kommissar kommt nicht unbeschadet aus der Geschichte heraus - auf die Fortsetzung darf man gespannt sein.
Regisseur Max Färberböck ("Aimée und Jaguar") zeigt das Geschehen in einer kalten Bildersprache mit harten Schnitten. Der Regisseur feiert "Tatort"-Premiere, genau wie gleich mehrere neue Figuren im Ermittlerteam. Sie sollen das ergraute und über Jahrzehnte eingespielte Duo ergänzen - keine leichte Aufgabe. Die Fallanalytikerin Christine Lerch (Lisa Wagner) kommt charmant forsch daher, muss allerdings immer wieder psychologische Erkenntnisse beisteuern, die das erklären, was der Zuschauer sowieso sieht: "Die Tote hat in jedem der Männer was anderes ausgelöst." Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) ist ein blutjunger Kollege, bei dem man sich noch nicht so recht vorstellen kann, wie er gegen die gestandenen Kommissare ankommen soll.
Ob die jungen Kollegen einen schleichenden Generationenwechsel einleiten sollen? Hoffentlich nicht so schnell, denn der Münchener "Tatort" hatte zuletzt einen guten Lauf, der sich auch mit diesem Film fortsetzt. Das kann gern noch lange so weitergehen - falls sich Batic und Leitmayr nach dieser Geschichte noch in die Augen sehen können.
Quelle: ntv.de