Im Auge des Orkans "Polizeiruf 110" im Schnellcheck
28.05.2017, 22:30 Uhr
Bukow im Gespräch mit der Ehefrau (Anna König) des Polizisten Kauschau.
(Foto: NDR/Christine Schroeder)
Alles ultra in Rostock: Fußballfans, Friseusen, Familienverhältnisse. Mittendrin Katrin König und Sascha Bukow, für die es nur noch zwei Möglichkeiten gibt: Entweder sie fahren vollends gegen die Wand. Oder landen demnächst miteinander im Bett.
Das Szenario
Die "Red Rostocks" haben ihre ganz eigenen Vorstellungen vom Dasein als Fußballfan: Erst einmal kommt die Hauerei mit den gegnerischen Anhängern, dann kommt das Bier - und dann erst einmal ganz lange gar nichts. Als bei einem ihrer Prügeldates unter einer Autobahnbrücke ein Rostocker Hooligan, im wirklichen Leben ganz solide Zahnarzt von Beruf, ums Leben kommt, nehmen Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Sascha Bukow (Charly Hübner) die Ermittlungen auf. Dabei stoßen sie in dieser latent verstörenden Parallelwelt auf einen älteren Fall, bei dem ein Polizist so schwer verletzt wurde, dass er seitdem im Rollstuhl sitzt und nicht mehr ansprechbar ist. Der frisch entlassene Stefan Momke (Lasse Myhr) scheint mit der Sache etwas zu tun zu haben, ebenso seine Ex, die Friseuse und Freizeitschlägerin Doreen (Lana Cooper). Oder steckt der undurchsichtige SEK-Mann Rico Schmitt (Shenja Lacher) hinter diesem Rachekomplott? Als wäre das alles nicht diffus genug, taumeln auch König und Bukow durch ihren Alltag: Sie immer noch angeschlagen wegen des letzten Falls, bei dem sie nur knapp einer Vergewaltigung entging und ihren Peiniger mit einem Schraubenzieher schwer verletzt hat, er im Trennungsdilemma zwischen Alkohol und Animositäten mit den Kollegen. Gin Tonic und ein Tänzchen in Ehren helfen da nur kurzzeitig.
Die eigentliche Botschaft

Die Ex-Ultra Doreen (Lana Cooper) und ihr Sohn haben sich mit Patrick Timmermann (Frederic Linkemann) eine neue Existenz aufgebaut.
(Foto: NDR/Christine Schroeder)
Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite? Von wegen. Selten verwischten die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen schlimm und schlimmer wohl so extrem wie in diesem ultra-harten "Polizeiruf 110". Die Hools scheinen für die Gesellschaft verloren und nehmen ohne mit der Wimper zu zucken ihre Dreikäsehochs mit in die Schlacht. Auf dem Revier kämpft Katrin König mit den Schatten der Vergangenheit und dem etwas laxen Wahrheitsverständnis ihrer Kollegen. Und selten wohl schmeckte Rache bitterer als die der seelisch zerstörten Polizistengattin.
Darüber wird in der Mittagspause geredet
Vielleicht darüber, wann wer denn zuletzt mal in Rostock gewesen ist und ob es denn da wirklich so düster zugeht, wie ein ums andere Mal im hiesigen "Polizeiruf 110" dargestellt. "Ficken ist das Maximum an Romantik in Rostock" heißt es an einer Stelle. Wirklich so schlimm?
Der Plausibilitätsfaktor
Wollte man Plausibilität abklopfen, müsste man wohl die Art und Weise unter die Lupe nehmen, mit der Autor Wolfgang Stauch und Regisseur Matthias Tiefenbacher sich dem Kosmos der Ultras widmen. Die Kleberänder der Tattoos sind ein bisschen zu sichtbar und ob derlei Typen wirklich so viel Wortwitz haben wie etwa Momke mit seinem "Schweißfuß"-Bonmot, sei dahingestellt. Die Dialoge unter den Ultras, immer knapp vor der Explosion, sind theaterhaft choreografiert, die Massenszenen irgendwo zwischen "Warriors" und "West Side Story" auf einer Kleinkunstbühne.
Die Welt der Wochenend-Wüteriche bildet letztlich jedoch nur den Hintergrund eines universellen Rache-Dramas, das so auch in jedem anderen Beziehungsgeflecht hätte stattfinden können.
Die Bewertung
9 von 10 Punkten. In Rostock brennt der Baum und die Hitze spürt man bis ins Wohnzimmer. Ultraharter Stoff von der Ostseeküste.
Quelle: ntv.de