"Bäm!!! Der Vizekanzler" Sigmar Gabriel ruft Til Schweiger an
30.07.2015, 15:52 Uhr
Sprachen eine halbe Stunde miteinander: Sigmar Gabriel (l.), Til Schweiger.
(Foto: picture alliance / dpa)
Filmemacher müsste man sein. Dann würde bei einem vielleicht auch mal Angela Merkel anrufen. Oder, nun gut, wenigstens Sigmar Gabriel. Der hat sich nämlich tatsächlich ans Telefon gehängt, um sich Til Schweigers Frust in der Flüchtlings-Debatte anzuhören.
Klar, Til Schweiger ist eine der gewichtigsten deutschen Kino-Größen in diesen Tagen. Ob mit seinen Komödien oder zuletzt dem nachdenklichen Alzheimer-Drama "Honig im Kopf" - seine Filme finden regelmäßig ein Millionenpublikum. Trotzdem ist es auch für einen wie ihn nicht gerade selbstverständlich, wenn am Abend einfach mal so der Wirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Chef am Telefon durchklingelt.
Dementsprechend jubiliert der 51-Jährige geradezu in seinem jüngsten Facebook-Post: "Bäm!!! Der Vizekanzler hat sich gemeldet! Und er hat sich eine halbe Stunde an seinem Feierabend meinen Frust angehört ... meinen Frust darüber, dass es in diesem Land, das noch vor nicht allzu langer Zeit selbst auf der Flucht war (und wer weiß, vielleicht irgendwann wieder sein wird), so viel Fremdenfeindlichkeit und blanken Hass gibt", schreibt Schweiger über sein Gespräch mit Sigmar Gabriel.
"Bitte übernehmen Sie!"
Hintergrund ist zweifellos der Shitstorm, den sich Schweiger vor knapp zwei Wochen eingehandelt hatte, nachdem er zur Hilfe von Flüchtlingen in Hamburg aufgerufen hatte. Viele fremdenfeindliche, deutschtümelnde und rechtslastige Kommentatoren tobten sich daraufhin auf seiner Facebook-Seite aus.
Der Regisseur und Schauspieler reagierte darauf zunächst mit einem schriftlichen Wutausbruch. In der Folge lud er immer wieder Bilder, Sprüche und Videos hoch, um seine Position zu unterstreichen. Zum Beispiel ein Zitat von Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer: "Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht."
Am Mittwoch schließlich postete Schweiger einen "Spiegel"-Artikel mit der Überschrift "Attacken gegen Flüchtlinge: Terror in Deutschland". Dazu schrieb er: "Diesem Artikel kann ich nichts mehr hinzufügen! Frau Merkel, Herr Gabriel, bitte übernehmen Sie!!!!!!"
"Danke, Herr Vizekanzler"
Vielleicht hat Sigmar Gabriel ja die Nachrichten von Til Schweiger abonniert. Oder ein aufmerksamer Mitarbeiter wies ihn auf den Post hin. Jedenfalls nahm der Politiker offenbar das Facebook-Statement zum Anlass, zum Telefon zu greifen.
Woher er Schweigers Nummer so schnell hatte, wissen wir nicht. Was wir jedoch wissen, ist, dass die Gesprächspartner grundsätzlich gleicher Meinung waren. "In einem Punkt waren wir uns sofort einig: dass die Mehrheit der Deutschen diesen Hass nicht teilt!!!! Danke, Herr Vizekanzler, für Ihren Anruf und eine Bitte an die Mehrheit: Erhebt Eure Stimme noch lauter! Es ist an der Zeit!", so Schweiger.
Auch Gabriel bestätigte später das Telefonat. "Den Zorn von Til Schweiger kann ich gut verstehen und es ist gut, dass er lautstark protestiert", begründete er gegenüber der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" den Anruf bei dem Filmemacher. "Til Schweiger setzt Zeichen - und gibt in den sozialen Medien vielen eine Stimme, die sich Sorgen machen über Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache", ergänzte der SPD-Vorsitzende. Mit dem Telefonat sei ein Anfang gemacht worden. Beide hätten vereinbart, das Gespräch fortzusetzen.
Quelle: ntv.de, vpr