Batic und Leitmayr im Bettlermilieu Unschöne Bescherung
24.12.2016, 19:35 Uhr
Kommissare sind auch nur Menschen mit normalen Bedürfnissen: Gänse, Wichteln ...
(Foto: dpa)
Ein Tatort zur Weihnachtssaison - kein leichtes Unterfangen. Hier Adventssingen und Julklapp, dort soziales Elend und Einzelschicksale. Die Münchner Kommissare mühen sich redlich, hätten für dieses Krimi-Geschenk aber besser den Bon aufbewahrt.
"Ist es herzlos, nichts zu geben?" hatte die "Hamburger Morgenpost" erst vor wenigen Wochen ihre Leser gefragt. Wie in allen deutschen Metropolen häufen sich auch in der Hansestadt so kurz vor dem Weihnachtsfest die Bettler in den Fußgängerzonen. Dabei handelt es sich zunehmend um "Profis". Organisierte Gruppen, oftmals aus osteuropäischen Ländern, die dem üblichen Haste-mal-'ne-Mark-Treiben von Punkern, Obdachlosen und anderen Gestrandeten ein zynisches Geschäftsmodell entgegensetzen und, die Antworten der Mopo-Leser belegten dies, entsprechend kritisch bis ablehnend betrachtet werden.
In diesem Milieu nun siedelt Dinah Marte Golch, bereits zum vierten Mal für den "Tatort" an der Tastatur, ihre Geschichte "Klingelingeling" an. Ganze Busladungen von rumänischen Bettlern werden in die Isar-Metrople gekarrt. Zu Dutzenden strömen sie in die Einkaufsstraßen, um nicht etwa für sich oder ihre Familie Geld zu erbetteln, sondern für eine kleine Gruppe gnadenloser Sklaventreiber. Zwei der Bettlerinnen sind die Schwestern Tida (Mathilde Bundschuh) und Anuscha Dablika (Cosmina Stratan), ihr Bandenchef ist der miese Radu Stelica (Florin Piersic jr.), der die beiden und ihre zahlreichen Leidensgenossen nachts in einem Industriegebiet in vergitterten Verschlägen unterbringt. Als wäre das Leben nicht schon so hart genug, ist Tida zudem auch noch schwanger und steht unmittelbar vor der Niederkunft.
Kein Date, dafür eine Gans
Die Probleme der Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) sind dagegen Petitessen: Erst muss dem Weihnachtschor der Kollegen gelauscht werden, dann steht Wichteln an und während Batic kein Date für den Heiligabend an Land ziehen kann, nervt den guten Leitmayr die Mama mit dem geplanten Gans-Kauf.
Der saisonale Tatort - kann man machen, muss man nicht. In den letzten Jahren haben sich nur die Saarbrücker an den Festtagsbraten herangetraut und mit Zoltan Spirandellis "Weihnachtsgeld" 2013 ein leidlich gelungenes Weihnachtsgeschichten-Update geliefert. "Klingelingeling" nun hat in seinem Kern so gar nichts Heiligabendliches, im Gegenteil: Der Plot ist düster, seine Protagonistinnen tränentief überzeugend, ihr Schicksal dem Scheitern zugetan. Die Bettel-Mafia und das Personal dahinter - potentiell der Stoff für einen recherche-intensiven Hintergrundfall. Eine Option, die die Autorin unter dem Baum liegen lässt und sich stattdessen für eine zutiefst erschütternde Alternativ-Geschichte um das Christkind entschieden hat.
Leider schafft es der Fall nicht, seine beiden Fronten miteinander zu verweben, auch zwei der Hauptbestandteile eines Krimis - Täterrätsel und Suspense - sucht man hier vergeblich. So tragisch und düster und dicht am Knochen gespielt die Geschichte der rumänischen Schwestern ist, so deplaziert wirkt das Gefrotzel und Gemeckere der Münchner Kommissare, die die Schwere des Themas mit dünnen Buddy-Movie-Witzchen unterminieren. Hendrix-Klingeltöne, die das Adventssingen stören, Mütter, die auf ihren Gänsebraten pochen und erschnorrtes Kleingeld, das im Kaffeebecher landet - wirklich jetzt?
Würde Santa Claus sich diesen Fall vorknöpfen, müsste er zweigleisig fahren. Tröstende Geschenke für die rumänischen Mädchen. Und eine Rute für die Kommissare, die sich am Ende nur mit Müh' und Not - und Schnaps - hinüberretten.
Quelle: ntv.de