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Telepathie, Machos, andere Laster Auf welchem Planeten lebst du denn?

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"Das Imperium des Atoms": Paul bekommt es mit einem besonders teuflichen Fiesling zu tun.

(Foto: Thierry Smolderen / Alexandre Clérisse / Das Imperium des Atoms, Carlsen Verlag GmbH, 2014)

Lucky Luke muss eine alte Rechnung begleichen. Paul hat Kontakt zu Außerirdischen. Marcé will einen ganzen Planeten retten. Aya muss sich etlicher Machos erwehren. Und Simon Schwartz erkundet obskure Persönlichkeiten. Fest steht: Die Büchersaison hat fabelhafte Comics auf Lager.

Die Leipziger Buchmesse ist in vollem Gange. Traditionell nehmen auf der Bücherschau auch Comics einen großen Platz ein. So viel Platz, dass in diesem Jahr erstmals die Manga und Comic Convention als eigenständige Veranstaltung stattfindet. Von den zahlreichen Neuerscheinungen der neunten Kunst stellt n-tv.de eine Handvoll vor.

Kontakt ins Jahr 110.985

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"Das Imperium des Atoms" ist bei Carlsen erschienen, 144 Seiten im Hardcover, 22,90 €.

(Foto: Thierry Smolderen / Alexandre Clérisse / Das Imperium des Atoms, Carlsen Verlag GmbH, 2014)

Paul hat's auch nicht leicht. Er muss sich als CIA-Mitarbeiter mitten in den 1950er Jahren nicht nur mit dem Kalten Krieg herumschlagen. Daneben wird er auch noch Zeuge der Verhältnisse auf dem Planeten Ninjir im Jahre 110.985. Denn Paul steht in telepathischer Verbindung mit Zarth Arn. Der gehört zur Führungsriege des Imperators, der gerade den bösen Entvölkerer besiegt hat und nun über die galaktische Zivilisation herrscht. Bei seinen Vorgesetzten stoßen Pauls intergalaktische Vorstellungen auf wenig Gegenliebe - sie schicken ihn zum Psychiater. Nur der ominöse Gibb Zelbub ist ganz begierig auf Pauls telepathischen Fähigkeiten. Doch er hat üble Pläne - er will ein "Imperium des Atoms" errichten. Und nur Paul kann sich ihm in den Weg stellen.

"Das Imperium des Atoms" - so lautet auch der Titel des Comics von Thierry Smolderen (Text) und Alexandre Clérisse (Zeichnungen). Ihnen gelingt nicht nur eine ganz wunderbare Hommage an Design und Layout der 50er Jahre, sondern auch an den unbeirrbaren Zukunftsglauben dieser Zeit und an einen Mann: Paul Linebarger. Der Amerikaner war Psychologe, Asien-Experte, Berater von Präsident Kennedy, Geheimdienst-Mitarbeiter - und Autor. Doch er schrieb nicht nur ein einflussreiches Werk über psychologische Kriegsführung, sondern als Cordwainer Smith auch etliche Science-Fiction-Romane.

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Paul lässt seine Gedanken schweifen - in eine weit entfernte Zeit.

(Foto: Thierry Smolderen / Alexandre Clérisse / Das Imperium des Atoms, Carlsen Verlag GmbH, 2014)

Der Comic vermengt Aspekte aus Linebargers Leben mit Motiven aus seinen Zukunftsromanen und macht daraus eine äußerst amüsante Geschichte um einen Mann zwischen Genie und Wahnsinn. Der Comic macht schon deshalb Spaß, weil er zwischen Nierentisch und Weltraumhysterie die Ästhetik der 50er Jahre gekonnt wiederbelebt und Geistesströmungen wie New Age und Hypnoseglauben satirisch überspitzt. Daneben erzählt er aber auch auf mehreren Zeitebenen eine spannende Geschichte über Spionage und Phantasie, Fortschrittsglauben und Manipulation. Bei Cordwainer Smith trifft James Bond auf Kurt Vonnegut - "Das Imperium des Atoms" ist eine Leseempfehlung nicht nur für Science-Fiction-Fans.

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Die Bruderschaft der bewohnten Welten

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Marcé bekommt es mit allerlei Untieren zu tun.

(Foto: Galliano / Peyravernay, Splitter Verlag 2014)

Auch "Horlemonde" spielt in den Weiten des Alls: Marcé ist Agent der Bruderschaft der bewohnten Welten, menschlichen Nachkommen, die sich quer über das Universum verteilt haben. Er wird auf den Planeten Almagiel geschickt, der der Bruderschaft beitreten soll. Doch die Kooperation würde das Ende der Sklaverei bedeuten und die Machtverhältnisse verändern. So wird Marcé in eine Falle gelockt. In der schlimmsten Strafkolonie des Planeten muss er sich nun nicht nur fieser Tiere und Attentäter erwehren, sondern auch die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wiederlegen.

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"Horlemonde" ist bei Splitter erschienen, 112 Seiten im Hardcover, 22,80 €.

Der Comic von Patrick Galliano (Text) und Cédric Peyravernay (Zeichnungen) orientiert sich an den Büchern der französischen Autorin Julia Verlanger (bürgerlich Éliane Taïeb). Diese beschreiben eine Welt, in der sich die Menschen im gesamten All angesiedelt, aber ganz unterschiedlich entwickelt haben. Diese Anspielung auf den Kolonialismus verleiht dem Comic neben dem Sklaverei-Thema eine weitere politische Dimension. Doch im Vordergrund stehen packende Actionszenen, die diese Ebene in den Hintergrund treten lassen. Ohnehin ist die Graphik die Stärke des Bandes: Mit viel Phantasie stellt Peyravernay Menschen und Welten in verschiedenen Entwicklungsstadien dar. Das Setting erinnert stellenweise an "Star Wars" und "Alien". Der zweite Teil, nun von Bazal gezeichnet, kann die Qualität leider nicht ganz halten, zumal die Story etwas zu holprig wird. Deshalb reicht "Horlemonde" nicht ganz an die Erfolgsserie "Saga" heran, ist aber eine überzeugende Science-Fiction-Erzählung, die der Splitter-Verlag abgeschlossen in einem Band vorlegt.

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Das Hotel der tausend Sterne

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"Aya" ist bei Reprodukt erschienen, 360 Seiten im Hardcover, 39 €.

Aus dem Weltall nach Afrika. Wobei der Kontinent auf viele Europäer auch wie ein weit entfernter Planet wirkt: Armut, Aids und Krieg sind die Themen, die das Afrikabild hierzulande prägen. Dass das nicht die ganze Wahrheit ist, zeigt "Aya". Der preisgekrönte Comic stammt aus der Feder von Marguerite Abouet, die in Abidjan in der Elfenbeinküste geboren wurde und aufwuchs. Mithilfe ihres Ehemanns, dem französischen Zeichner Clément Oubrerie, verarbeitet sie in "Aya" diese Kindheitserinnerungen aus den 70er Jahren und skizziert ein liebevolles, vielschichtiges, vor allem aber farbenfrohes Bild ihrer Heimat.

Titelfigur Aya ist nicht gerade ein typischer Teenager. Statt sich auf Partys mit Jungs zu amüsieren und im Hotel der tausend Sterne rumzuknutschen wie ihre besten Freundinnen Adjoua und Bintou, lernt sie lieber - denn Aya will Medizin studieren. Ihr Vater allerdings ist dagegen, er will sie mit dem Sohn seines Chefs verkuppeln. Daran erkennt man schon, wie hier die Rollen verteilt sind: Die Männer sind die Machos, die Frauen sollen gefälligst gehorchen. Doch Aya muss sich nicht nur aufdringlicher Männer erwehren, sie muss sich auch noch um ihre Freundinnen kümmern. Denn Adjoua wird schwanger - von Bintous Freund.

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Auf der Tanzfläche geht's heiß her - auch in der Elfenbeinküste.

(Foto: Gallimard / 2014 Reprodukt)

"Aya" zeigt ein Afrika, in dem traditionelle und moderne Vorstellungen immer wieder aufeinanderprallen, das aber weit entfernt von den hierzulande gängigen Klischees ist. Die Hauptfigur lässt sich von all den Widerständen ohnehin nicht aufhalten - sie symbolisiert das neue, das weltoffene Afrika. Zeichner Oubrerie übersetzt die wunderbar leichte Stimmung der Geschichte in lockere Zeichnungen, die an Joann Sfar erinnern und farbenfroh koloriert sind. Die Lektüre ist ein augenzwinkernder Genuss, der aber auch Probleme aufzeigt, die selbst in Europa nicht fremd sind. Der Band, erschienen bei Reprodukt, fasst die drei Teile zusammen, die einzeln bei Carlsen erschienen sind. Im Anhang gibt es ein paar Tipps zu Mode und Küche der Elfenbeinküste.

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Aus Lucky Lukes Flegeljahren

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Lucky Luke muss sich einem alten Bekannten stellen.

(Foto: Lucky Comics 2013 by Achdé)

Lucky Luke hat nicht gerade wenige Feinde. So gut wie jeder Gesetzlose zwischen Mississippi und San Francisco ist nicht gut zu sprechen auf den Mann, der schneller schießt als sein Schatten. Schließlich hat er sie mit großer Wahrscheinlichkeit ins Gefängnis gebracht. Dass er aber noch eine Rechnung aus seiner Kindheit offen hat, überrascht selbst den Revolverhelden. Dabei ist Billy Bad, der ihn da zum Duell herausfordert, ein alter Bekannter aus dem Sandkasten. Also muss sich Luke erinnern: an seine Kindheit in Nothing Gulch, als er noch Lucky Kid genannt wurde.

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"Lucky Luke 91 - Ein starker Wurf" ist bei Ehapa Egmont erschienen, 48 Seiten als Softcover (5,95 €) oder Hardcover (12 €).

(Foto: Lucky Comics 2013 by Achdé)

In "Lucky Luke 91 - Ein starker Wurf" steht erneut die Kindheit des glücklichen Luke im Mittelpunkt. Die Titelgeschichte, die die Fehde zwischen Kid und Billy erzählt, umfasst allerdings nur sechs Seiten. Wie schon in Band 89 wird der Rest des Bandes mit einseitigen Abenteuern von Lucky Kid gefüllt. Zeichnungen und Text stammen von Achdé, der seit Morris' Tod den Cowboy am Leben hält. Während aber Achdés Bände mit durchgehenden Geschichten, zuletzt etwa "Auf eigene Faust", überaus überzeugend ausfielen, will bei den Kindheitsabenteuern der Funke nicht so recht überspringen. Vielleicht liegt es daran, dass sich die einzelnen Geschichten auf einer Seite nicht entfalten können. Schade ist es allemal. So werden wohl eher junge Leser ihren Spaß an dem Slapstick-reichen Band haben. Alle anderen dürfen auf das kommende Langabenteuer gespannt sein.

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Der Mann, der Einsteins Gehirn stahl

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Shin Sang-ok und Choi Eun-hee wurden nach Nordkorea entführt - sie sollten das Land zu Filmruhm führen.

(Foto: Simon Schwartz & Avant-Verlag 2014)

In einem früheren Abenteuer traf Lucky Luke übrigens auf den Kaiser von Amerika, der nun in einem anderen Comic mitspielt. Schließlich ist jener Kaiser eine historische Persönlichkeit: Joshua Norton ernannte sich 1859 selbst zum Kaiser der USA - allerdings beteiligte sich nur die Bevölkerung seiner Residenzstadt San Francisco an der Posse des Landstreichers. Norton ist eine der Figuren, die Zeichner Simon Schwartz in "Vita Obscura" vorstellt. Der Band enthält die Comicstrips, die zwischen 2012 und 2014 in der Zeitung "Der Freitag" erschienen. Für die Buchversion hat Schwartz seine Arbeiten aber überarbeitet und neue Strips beigesteuert.

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"Vita Obscura" ist bei Avant erschienen, 72 Seiten im Hardcover-Querformat, 19,95 €.

(Foto: Simon Schwartz & Avant-Verlag 2014)

Vorgestellt werden 33 obskure Persönlichkeiten, deren Geschichten dem ursprünglichen Wortsinn nach in Vergessenheit gerieten. Neben dem Kaiser der USA sind das etwa der Mann, der Einsteins Gehirn stahl, die kurzzeitige englische Königin Jane Grey, die legendären siamesischen Zwillinge Chang und Eng Bunker (denen diese Bezeichnung zu verdanken ist), der Prophet Mani, der Kunstfurzer Joseph Pujol, der sturste japanische Soldat und viele weitere. Sie alle stellt Schwartz in jeweils einem Strip vor. Und er tobt sich so richtig aus: Er schafft es nicht nur, Layout und Inhalt immer wieder in Beziehung zueinander zu setzen, sondern betont mit seinem karikativen Stil auch den augenzwinkernden Charakter des Bandes. Freunde von obskuren und skurrilen Geschichten werden um das Buch nicht herum kommen.

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Und noch ein Bonustipp: Der Österreicher Nicolas Mahler hat zuletzt mit Comicadaptionen von Thomas Bernhard und Robert Musil für Aufsehen gesorgt. In "Franz Kafkas nonstop Lachmaschine" (Reprodukt, 128 Seiten, 16 €) nimmt er nun den Hype um Literaturadaptionen in Comicform und sich selbst gehörig auf die Schippe. In Karikaturen oder kurzen Panelfolgen erzählt er von Begegnungen auf Buchmessen und Lesereisen, von ahnungslosen Journalisten und komischen Träumen. Zwischen Kalauer und lakonischem Witz ist alles zu haben. Vor allem Bücherfreunde und Comicfans kommen dabei voll auf ihre Kosten.

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Quelle: ntv.de

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