Frank Sinatra wäre 100 Der Mercedes Benz unter den Männern
12.12.2015, 20:54 Uhr
"The Voice" bei der Arbeit, 1974.
(Foto: imago stock&people)
Hätten Sie gedacht, dass Frank Sinatra nach Lavendelseife geduftet hat? Dass er an seinem eigenen Geburtstag anderen Geschenke machte? Dass er ein Beschützer war und nicht nur ein Aufreißer? Egal - diese Bilder müssen Sie sehen, diese Songs müssen Sie hören.
"Auf dass wir alle 100 werden und ihr als letztes meine Stimme hört!" Ob sich das kürzlich auch Kirk Douglas vorgenommen hat, der drei Tage vor dem 100. Geburtstag von Frank Sinatra 99 wurde? Alive and kicking, wohlgemerkt! Bei mir könnte das hinkommen, denn ich würde seine Musik auf eine einsame Insel mitnehmen, wenn ich nur drei Platten oder CDs einpacken dürfte.
"Je ne regrette rien" heißt ein französisches Chanson, das auch Edith Piaf schon schmetterte und das ich grundsätzlich bejahe, und doch, wenn ich eines bedauere, dann, dass ich Francis Albert "Frank" Sinatra nicht mehr live gesehen habe, als er 1993 noch ein letztes Mal durch Deutschland tourte. Und auch wenn das sicher nicht mehr der beste seiner Auftritte gewesen sein wird - Sinatra war eine lebende Legende! Ich werde meinen Bruder darum ewig beneiden. Und thanks to Daddy - er hat mir das "Rat Pack" vorgestellt. Die Herren sind mir ans Herz gewachsen wie Onkels und meine Vorliebe für deren Drinks wohl leider auch.
Aber bevor ich hier meine eigene, kleine, persönliche und herzzerreißende Geschichte mit Frank aufschreibe, überlasse ich das Wort lieber einer Frau, die Ol' Blue Eyes viel besser kannte: Barbara Sinatra. In einem neuen Bildband von Andrew Howick schreibt seine vierte und letzte Ehefrau ein wunderschönes Vorwort. Die 88-Jährige macht damit deutlich, wie großartig er gewesen sein muss, auch wenn man nicht mit all seinen Aktivitäten einverstanden gewesen sein wird. Und natürlich ehren ihn an diesem Wochenende, diesem und dem nächsten Jahr sicher viele Künstler. Aber Stimmen wie die von Barbra Streisand, die in dem großartigen Bildband zitiert werden, sind die, die zählen: "Ich weiß noch, wie ich ihn auf einer Party kennenlernte und dachte, er ist genauso, wie ich ihn mir vorgestellt habe, sehr beschützend: Er sagte, falls ich je Probleme mit jemandem hätte, sollte ich ihm Bescheid sagen." Großartig, diese Männer, denen man nur "Bescheid" sagen musste, und sie regelten die Probleme unschuldiger Damen - mit dem Vermieter, dem Verehrer, dem Verleiher. So einen Beschützer sollte jede Frau haben!
Doch zurück zu Barbara, seiner Frau für 22 Jahre: "Frank wäre gerne 100 Jahre alt geworden. Er hätte es höchst amüsant gefunden, entgegen allen Erwartungen so lange zu leben. Der Mann, der zu recht als "Entertainer des Jahrhunderts" bezeichnet wurde, berührte im Lauf der Jahre die Herzen zahlloser Menschen und seine Musik wurde für Generationen zum Soundtrack ihres Lebens. Frank war Schauspieler, Regisseur, Dirigent, Produzent, Songwriter und einer der erfolgreichsten Künstler aller Zeiten." Barbara Sinatra hat das Vorwort zu dem Bildband geschrieben, in dem Andrew Howick für die Agentur mptvimages die weltgrößte und exklusivste Sammlung von Frank Sinatra-Fotos zusammengestellt, kuratiert und veröffentlicht hat. Rechtzeitig zum 100. Geburtstag von "The Voice" darf es einen natürlich nicht wundern, dass viele Künstler sich an ihm versuchen, einige schaffen das ja auch. Außerdem wird natürlich neu aufgelegt, wo es nur geht. Aber warum auch nicht? Ein Künstler wie Frank Sinatra ist einzigartig, seine Musik und sein Filme leben weiter.
Was für eine Party er geschmissen hätte!
Seine Legende ebenso! Die Zahl der Affären des Frank Sinatra ist endlos. Wenn eine Marlene Dietrich über ihn sagte: "Frank Sinatra ist der Mercedes-Benz unter den Männern", dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat und dass er, obwohl er weder das Charisma von Sammy Davis jr. oder das gute Aussehen von Dean Martin hatte, seine blauen Augen einsetzte - und seine unverwechselbare Stimme - um die Damenwelt von sich zu überzeugen. Barbara Sinatra muss eine sehr liebe, geduldige Frau sein - aber sie ist ja auch seine letzte Ehefrau. Das Alter hatte Frankie sicher ein wenig milder werden lassen. "Was für eine Riesenparty er veranstaltet hätte", schreibt Barbara Sinatra, "keiner gab Partys wie er. Jack Daniels, Martini und Champagner wären geflossen, serviert von weiß behandschuhten Kellnern. Dazu hätte es bestes italienisches Essen gegeben." Und auch über die Beziehung des Paares erfahren wir mehr: "Frank hätte wie immer stark nach Lavendelseife geduftet und einen perfekt geschnittenen Anzug und maßangefertigte Schuhe getragen. Als unverbesserlicher Romantiker hätte er mir, seiner Frau, die er 1976, umgeben von weißen Orchideen, geheiratet hatte, an seinem Festtag ein sorgsam gewähltes Geschenk gemacht. Seine Großzügigkeit kannte keine Grenzen. (...) Frank hat sein Leben lang unermüdlich gearbeitet und das verdiente Geld hatte er vor allem für andere ausgegeben: Wohltätigkeitsorganisationen, Einzelpersonen. Doch am freigiebigsten verschenkte er seine Liebe."
So spricht nur eine Frau, die mit dem Mann, der wahrlich keinen makellosen Ruf hatte, 27 Jahre nach seinem Tod vollkommen im Reinen ist. Frank Sinatra war ein Star in der Zeit, als Männer im Smoking und mit Whiskeyglas in der Hand sangen und als es okay war, auf der Bühne zu rauchen. Selbst angebliche Verbindungen zur Mafia sah man Sinatra nach. Die er immer wieder bestritt. Aber mit einigen der berüchtigsten Mafiosi spielte er Golf oder Poker, trank mit ihnen Whiskey oder investierte mit ihnen in Casinos. In der Figur des Entertainers Johnny Fontane in Mario Puzos "Der Pate", der seine Karriere mit der Gewalt der Mafia wieder ankurbelt, ist Sinatra leicht zu erkennen. In seiner dicken FBI-Akte geht es um Morddrohungen und anrüchige Verwicklungen des Stars. Das kostete ihn einige politische Beziehungen. Er war den Demokraten zugewandt und die Kennedys umgaben sich gern mit dem Star. Als aber die Mafia-Gerüchte zunahmen, ließen sie ihn fallen. Später freundete sich Sinatra mit Ronald Reagan an, der Republikaner war wie er: erfolgreich, fleißig, perfektionistisch - und ein eitler Selbstdarsteller. Aber muss man das nicht sein in diesem Geschäft? Zu Frank Sinatras Zeiten kam es auf die Stimme mehr an als auf "dance moves" - wenngleich Herren wie Frank Sinatra auch das auf dem Kasten hatten.
"Angel Eyes"
Zwei interessante Fakten noch, die vielleicht nicht ganz so bekannt sind: "Sinatra-Doktrin" nannte man die Öffnung der Sowjetunion Ende der 1980er-Jahre, weil Moskaus Außenamtssprecher Gennadi Gerassimow gesagt hatte: "Sie kennen Frank Sinatra und sein Lied 'I did it my way'? Nun, Polen und Ungarn machen es jetzt eben auf ihre Art." Und der Song war nicht einmal der größte Hit des Mannes, der mehr als 150 Millionen Alben verkaufte.
Und: Als Frankie, die Zangengeburt mit den lebenslangen Narben im Gesicht, der, nachdem er als singender Kellner für 15 Dollar die Woche angefangen hatte oder einfach nur für eine warme Mahlzeit oder Zigaretten sang, seine ersten Platten aufnahm, verkauften sie sich gar nicht gut. Aber nach einigen Bühnenauftritten lagen ihm Tausende Teenager zu Füßen. Als 1944 nach einem ersten Konzert die Mädchen einfach nicht gehen wollten und deshalb die für das zweite Konzert nicht reinkamen, brachen Tumulte aus, die als "Columbus Day Riots" in den New Yorker Geschichtsbüchern stehen.
Der Junge aus Hoboken, New Jersey, war ein Star, als er längst noch kein Star war. Seine Täler überwand er. Nach der "Frankie"-Hysterie war Sinatra erst einmal abgemeldet. In den 1950ern wollte die Jugend Rock'n'Roll hören, doch er blieb beim Jazz - und ging zum Film. Für die Nebenrolle im Pearl-Harbor-Drama "Verdammt in alle Ewigkeit" bekam er einen Oscar. Er hat alles erreicht.
Barbara Sinatra hat das Schlusswort: "Als Frank sich 1972 von der Bühne zurückzog, vor seinem triumphalen Comeback, überlegte er lange, mit welchem Song er abtreten würde: Er entschied sich für 'Angel Eyes'". Frank liebte Worte und wählte den Song wegen eines Textes. Und der scheint jetzt umso passender, da wir seinen 100. Geburtstag begehen. Durch den Song konnte Frank den Fans die Botschaft vermitteln, Freude am Leben zu haben. Während er für die Drinks und die Witze aufkam."
Quelle: ntv.de, mit dpa