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Zeruya Shalev prüft den "Schmerz" Leidenschaft oder Familie?

Zeruya Shalev schreibt ihre Bestseller in ihrem Keller: "In einem Raum ohne Fenster!"

Zeruya Shalev schreibt ihre Bestseller in ihrem Keller: "In einem Raum ohne Fenster!"

(Foto: picture alliance / dpa)

Was tust du, wenn das Leben dir nach Terror und Schmerz deine große Liebe zurückbringt? Lebst du das Leben, das du immer wolltest? In ihrem Roman "Schmerz" findet Zeruya Shalev eine realistische Antwort darauf.

Plötzlich ist er wieder da, der Schmerz. Als wäre er nie fortgewesen. Nicht der Schmerz, mit dem sie ihre Kinder gebar. Sondern der Schmerz, den sie spürte, als die Wucht der Explosion sie auf den brennenden Asphalt schleuderte, ihre Knochen zermalmte, ihre Muskeln und Sehnen zerfetzte. Dabei war der Terroranschlag weder der erste, noch der größte Bruch in ihrem Leben. Das Leben hatte sie schon einmal bewegungslos auf ihrem Bett zurückgelassen. Damals, als Eitan sie verließ.

Auf den Tag genau vor zehn Jahren wurde Iris bei einem Terroranschlag schwer verletzt. Sie hat sich erholt, sie hat Karriere gemacht, mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern an ihrer Seite ist sie ins Leben zurückgekehrt. Dann holt eine Bemerkung ihres Mannes über den Jahrestag des Anschlages nicht nur den Schmerz, sondern auch ihre erste Liebe zurück in ihr Leben. Denn der Schmerztherapeut, den sie in ihrer Not aufsucht, ist kein anderer als ihr Eitan. Kann er sie von den Schmerzen und Wunden befreien? Besonders von denen, die er ihr zugefügt hat?

Iris ist bereit, für ihre Jugendliebe Mann und Kinder zu verlassen. Alma hat ihren Militärdienst abgeschlossen und jobbt nun als Kellnerin in Tel Aviv, Omer steht kurz vor dem Schulabschluss und ihr Ehemann Micki und sie sind nur noch mäßig aneinander interessiert. Eigentlich brauchen sie sie nicht mehr. Doch mitten im wiedergefundenen Liebesglück erzählen Freunde Iris beunruhigende Dinge über Alma.

Gibt es eine zweite Chance?

Berlin Verlag, 368 Seiten, gebunden, 24,00 Euro

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Kann man ein nicht gelebtes Leben nachholen? Und wenn man das tut, was passiert dann mit den Menschen, die man zurücklässt? Das sind die Fragen, denen Zeruya Shalev in ihrem neuen Roman "Schmerz" nachgeht. "Die eigene Vergangenheit hat für viele Menschen eine große Faszination", meint die israelische Bestseller-Autorin. Auch in ihrem Umfeld seien viele ihrer Freunde mehr mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, als mit ihrer Zukunft, erzählt Shalev auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin.

Sie habe über den Konflikt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen einer mythischen und einer realistischen Liebe schreiben wollen, so Shalev. "Iris versucht ihr einstiges Paradies zu finden, muss aber feststellen, dass es nicht das ist, das sie verlassen hatte."

Zudem werde sie von den Problemen ihrer Tochter in ihrem wiedergefundenen Glück gestört. "So ist es doch immer im Leben, immer kommt es zu einer Störung." Zumindest in Israel, in israelischen Familien sei es immer so, sie wisse nicht, ob das in Deutschland auch so sei, lacht Shalev. "Iris muss eine schwierige Entscheidung treffen – ich beneide sie nicht darum."

Nicht autobiografisch, sondern lebenserfahren

In ihrem neuen Buch geht es aber nicht nur um vergangene und gegenwärtige Liebe, sondern auch um den titelgebenden Schmerz. Es ist unmöglich, "Schmerz" zu lesen, ohne zu überlegen, wieviel davon autobiografisch ist, denn Zeruya Shalev wurde im Jahr 2004 bei einem Selbstmordanschlag erheblich verletzt. Iris sei aber eine andere Person als sie selber, betont die Schriftstellerin. "Ich habe nur meine eigene Erfahrung genutzt, um über die Erfahrung einer anderen Frau zu schreiben."

Sie habe zehn Jahre gebraucht, um überhaupt darüber schreiben zu können, verrät die 56-Jährige. "Die Wahrheit ist, ich wollte nie darüber schreiben, ich wollte schreiben nicht als Therapie benutzen, wie es mir immer wieder geraten wurde." So war auch für diesen Roman zunächst kein Erzählstrang mit einem Attentat vorgesehen. "Doch dann floss es beim Schreiben einfach aus mir heraus."

Wie schon in ihren anderen Büchern packt Zeruya Shalev ihre Leser auch in "Schmerz" vom ersten Satz an und entlässt sie erst auf der letzten Seite. Sieht man sie wie in Berlin auf einer Lesung, sind die atemlose, starke Sprache, die kreisenden Gedanken ihrer Romanfiguren, die schmerzhaft realistische Sicht auf die Welt kaum mit der schlanken, freundlich lächelnden Frau zusammenzubringen. Vielleicht macht aber gerade ihre Zurückhaltung sie zu der genauen Beobachterin, die manchmal nur einen Halbsatz braucht, um die Schwächen der modernen Gesellschaft auf den Punkt zu bringen.

Dank Büchern wie "Liebesleben", "Mann und Frau" und "Späte Familie" gilt Shalev als Expertin für Liebe und Familien der Gegenwart, mit all ihren Brüchen. Die studierte Bibelwissenschaftlerin sieht sich selbst in einer viel älteren Tradition: "Wir funktionieren in unserer modernen Welt, aber unsere Emotionen haben sich in den vergangenen 4000 Jahren nicht verändert – man findet solche Geschichten schon in der Bibel." Vielleicht ist es ihr Bemühen um Wahrhaftigkeit, die ihre Liebesgeschichten so packend machen. Ohne romantische Klischees und rosige Happy Ends. Ihre Romanfiguren dürfen so glücklich werden, wie man eben in der Liebe, der Familie, im Leben werden kann.  

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Quelle: ntv.de

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