"Das war wie ISIS" Emmerich verteidigt "Stonewall"
20.11.2015, 15:39 Uhr
Lässt sich seinen Film "Stonewall" nicht madig machen: Roland Emmerich.
(Foto: imago/UPI Photo)
Sein Film über die "Stonewall"-Unruhen Homosexueller 1969 in den USA sorgte noch vor Kinostart für Proteste. Roland Emmerich zeigt sich davon im n-tv.de Interview geschockt. Aber auch die Attentate von Paris treiben den deutschen Regisseur um.
Sie gehen schon lange offen mit Ihrer eigenen Homosexualität um. Wie sehr war es Ihnen ein persönliches Anliegen, "Stonewall" auf die Leinwand zu bringen?
Emmerich: Eigentlich war das initiiert von zwei Freunden von mir - einer schwul, der andere heterosexuell. Sie haben zu mir gesagt: "Du musst 'Stonewall' machen!" Ich war zuerst eher skeptisch: "Ja, das ist ein wichtiges Thema. Aber warum gerade ich?" Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich mich letztlich durchgerungen habe, den Film zu machen. Aber ich habe gesagt: Das wird ein ganz anderer "Stonewall"-Film als ihn sich alle Leute vorstellen.
Sie ziehen die Geschichte an dem Schicksal des Kleinstadt-Jungen Danny auf. Weshalb haben Sie sich für diese Umsetzung entschieden?
Weil mir durch all die Recherchen klar geworden ist, dass eine Gruppe von Straßenkindern die wichtigste Rolle in den "Stonewall Riots" gespielt hat - mit allen Schattierungen von Sexualität. Für sie war das "Stonewall" mehr oder weniger ihre Heimat. Es war der einzige Platz, an dem sie sich austoben konnten. Sie haben gesagt: "Jetzt ist Schluss! Warum sollen wir zu tanzen aufhören? Warum müssen wir uns jetzt an die Wand stellen?" Sie haben etwas gemacht, wozu kein anderer den Mut hatte. Und letztlich hat das zur Schwulenbewegung geführt - "Gay Liberation".
Sie sind 1955 geboren und haben vor Kurzem Ihren 60. Geburtstag gefeiert. Erst einmal: Glückwunsch!
Warum kriegt man da Glückwünsche? Beileid würde vielleicht besser passen. (lacht)
Das heißt, Sie sind im Jahr der Aufstände in der New Yorker Christopher Street 14 geworden. Haben Sie an die "Stonewall"-Proteste Erinnerungen oder waren Sie dafür dann doch noch zu jung?
Das hat man in Sindelfingen nicht erfahren. So etwas gab es bei uns nicht - da wurde davon, schwul zu sein, nicht geredet. Ich kann mich noch erinnern, dass ich irgendwann mal in die Bücherei gegangen bin, um zu wissen, was Homosexualität eigentlich bedeutet. Das muss man sich mal vorstellen! Heute kann sich das jedes Kind im Internet einfach so runterladen. (lacht)
Die "Stonewall"-Unruhen waren ein wichtiger Wendepunkt im Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. In den USA wurde vor wenigen Monaten die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Ist der Kampf damit abgeschlossen?
Nein! Das ist genau das Seltsame daran. Gesellschaftlich-rechtlich ist schon viel erreicht worden, weil viele reiche Leute - wie ich - diese Bewegung unterstützt haben. Es kostet ja irre viel Geld, so ein Verfahren vor Gericht durchzufechten. Aber wenn jemand jetzt auf dem Land wohnt und seine Mutter etwa in der Kirchengemeinde ist, hat er heute noch immer genau das gleiche Problem, das er 1969 hatte.
Noch bevor er überhaupt in die Kinos gekommen ist, hat Ihr Film in den USA Proteste und sogar Boykottaufrufe hervorgerufen - und das von Mitgliedern der LGBT-Community (LGBT steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender). Sie haben Ihnen etwa vorgeworfen, Transsexuelle in dem Film zu vernachlässigen und aus typisch weißer Sicht auf die Geschichte zu blicken …
Das ist doch ungerecht, oder? Sie haben den Film doch gesehen …
Ja, ich habe ihn gesehen.
Und? Die zweite Hauptfigur ist transsexuell. Sie trägt ein Kleid. (lacht) Die Proteste kamen wegen des Trailers zustande. Dass ein Film wegen eines Trailers so verteufelt wird, hat mich wirklich schockiert! Jon Robin Baitz (Drehbuch-Autor von "Stonewall", Anm. d. Red.) hat das mit ISIS verglichen. Das sind die gleichen Tendenzen: Da wird etwas verteufelt, ohne wirklich zu wissen, um was es eigentlich geht. Das passiert auch in der amerikanischen Politik oft. 75 Prozent aller Amerikaner glauben ja, dass Obama ein Moslem sei. Okay, 75 Prozent glauben auch an Aliens. (lacht) Das ist unglaublich.
Mit Aliens kennen Sie sich - zumindest im Film - ja auch ganz gut aus. Sie haben viele Bedrohungs- und Untergangsszenarien auf die Leinwand gebracht. Was geht Ihnen nach den Anschlägen in Paris durch den Kopf?
Es macht einen einfach irre traurig, wie immer wieder Religion dazu benutzt wird, Gewalt auszuüben. Aber - das ist wichtig - die Religion allein ist nicht ursächlich dafür. Das Pulverfass zwischen westlicher und arabischer Welt, Moslems und Christentum, geht einfach nicht weg. Und ich habe leider keine Ahnung, wie das jemals weggehen soll.
Mit Roland Emmerich sprach Volker Probst
"Stonewall" läuft derzeit in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de