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Quo vadis, "Gladiator II"? Mitbürger, Freunde, Römer: Augen auf bei der Berufswahl!

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Pedro Pascal und Paul Mescal bei der Gesprächstherapie im Kolosseum.

Pedro Pascal und Paul Mescal bei der Gesprächstherapie im Kolosseum.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

24 Jahre nach "Gladiator" bringt Ridley Scott eine Fortsetzung seines Sandalen-Epos in die Kinos. Dank neuester CGI-Technik ging Rom niemals schöner unter. Nur das Menschliche wird ab und an den Haien in der Arena zum Fraß vorgeworfen. Ja, den Haien.

Fünf Oscars heimste Ridley Scotts "Gladiator" aus dem Jahr 2000 ein. Allein in Deutschland haben bis Anfang 2001 3,4 Millionen Kinobesucher dabei zugesehen, wie der von Russell Crowe verkörperte Maximus Decimus Meridius für ein freies Rom kämpft, den bösen Kaiser Commodus (gespielt von "Joker" Joaquin Phoenix) tötet und am Ende heldenhaft sein Leben in der Arena verliert. So weit, so auserzählt. Doch offenbar nicht für den inzwischen 86-jährigen Regisseur. Und so nimmt Scott die Kinogänger 24 Jahre später wieder mit zurück ins alte Rom, wo immer noch nichts gut läuft und mit Carcalla (Fred Hechinger) und Geta (Joseph Quinn) gleich zwei mehr oder weniger irre Kaiser auf dem Thron sitzen und das römische Volk knechten.

Alle Fans des Original-"Gladiator", die sich gerade verzweifelt fragen, warum eine Fortsetzung überhaupt nötig war, müssen jetzt ganz stark sein. Denn die Frage nach der Notwendigkeit beantwortet Ridley Scott mit "Gladiator II" leider so gar nicht. Im Gegenteil. Statt die 24 vergangenen Jahre zumindest dafür zu nutzen, sich eine originelle Handlung für Teil zwei auszudenken, kopiert er recht schamlos das, was im Jahr 2000 schon mal bestens funktioniert hat. Allen, die sich ganz neu oder zumindest vorurteilsfrei ins alte Rom verirren, steht dafür allerdings echtes Popcorn-Kino bevor, das trotz der epochalen Filmlänge erstaunlich kurzweilig ist.

Worum geht es? Lucius, der Sohn von Original-Gladiator Maximus, wurde von seiner Mutter Lucilla zu seinem eigenen Schutz nach Numidien geschickt, wo er unter neuer Identität als Hanno zum Mann (gespielt von Paul Mescal) heranwächst. Bei einer Invasion der Römer unter dem Kommando von General Marcus Acacius (Pedro Pascal) wird Hannos Frau getötet. Er selbst wird gefangen genommen, vom Römer Macrinus (Denzel Washington spielt grandios auf) als Sklave gekauft und nach Rom verschifft, wo er seinem neuen Chef als Gladiator Geld einbringen soll.

Gesprächstherapie beim Schwertkampf

Da trifft es sich ausgezeichnet, dass eine von Hannos Kernkompetenzen ist, Gegnern schnell, gnadenlos und ziemlich brutal den Garaus machen zu können. Dabei ist er eigentlich ein herzensguter Kerl, der sich zuvor liebevoll um die heimischen Hühner gekümmert hat. Doch nun gilt es, den Tod seiner Gattin zu rächen. Dafür muss Acacius' Kopf rollen, findet der Witwer, und nimmt die neue berufliche Herausforderung daher engagiert an.

Ziemlich verschlagen: Denzel Washington spielt Macrinus.

Ziemlich verschlagen: Denzel Washington spielt Macrinus.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

Dumm nur, dass der verhasste Römer nicht nur mit Hannos Mutter Lucilla liiert ist, sondern insgeheim eigentlich auch ein ganz Guter ist. Das stellt sich aber erst beim Showdown zwischen Hanno und Acacius in der Arena heraus, wo für klärende Beziehungsgespräche eigentlich Zeit und Muße fehlen. Trotzdem zwingt Scott seinen Protagonisten zwischen den Schwerthieben eine gehetzte Aussprache auf, die Hanno zum völligen Umdenken bringt. Da staunen nicht nur die Kaiser-Brüder auf der Tribüne, sondern auch das Kinopublikum. Eine Szene, die metaphorisch dafür steht, dass Charakterzeichnung, ausgefeilte Dialoge und plausible Handlungsstränge bei "Gladiator II" oftmals zu kurz kommen. Hauptsache, die Optik stimmt.

Paviane, Nashörner und Haie im alten Rom

Tatsächlich scheint die extra für "Gladiator II" gebaute Kampfstätte für Scott die heimliche Hauptdarstellerin seines Films zu sein. Nur zu gut kann man ihn sich bei den Planungsmeetings für den Film vorstellen, wo er seine Freude über die nach 24 Jahren inzwischen so viel weiter entwickelte CGI-Technik vermutlich nach Herzenslust ausgelebt hat. Am Computer generierte gruselige Paviane als Gegner für die Gladiatoren? Gekauft! Ein Nashorn in der Arena? Jeden Pixel wert! Eine Seeschlacht im Kolosseum? CGI-Wasser marsch! "Aber ich will auch ganz viele Haie!", wird der Regie-Imperator dann vermutlich noch gerufen haben. Haie? Ja, richtig gelesen. "Sharknado" im alten Rom.

Hoch zu Rhinozeros(s) in die Arena - bei "Gladiator II" geht es tierisch ab.

Hoch zu Rhinozeros(s) in die Arena - bei "Gladiator II" geht es tierisch ab.

(Foto: IMAGO/Landmark Media)

Bei so viel - durchaus spaßigem und auch beeindruckendem - CGI-Bombast bleibt leider die Gefühlswelt auf der Strecke. Hanno zeigt seine Trauer über den Verlust seiner Frau vorzugsweise durch dumpfes Brüten und eine dauerhaft angespannte Kieferpartie. Schade, dass Mescal, der zuletzt im Film "All Of Us Strangers" eindrucksvoll gezeigt hat, wie gut er die leisen Schauspieltöne beherrscht, hier so wenig Raum bleibt, Gefühle nuanciert spielen zu können. Gleiches gilt für "The Last Of Us"-Star Pedro Pascal. Er drückt General Acacius' ganzen Schmerz darüber, dass er einst bei der Berufswahl einen eklatanten Denkfehler gemacht hat und nun für Rom morden und brandschatzen muss, hauptsächlich über traurige Hundeblicke aus. Nie hat ein römischer Arbeitnehmer mit zwei kaiserlichen Vollpfosten als Chefs unglücklicher geschaut als hier. Vielleicht ist es aber auch Pascals persönlicher Schmerz wegen der hölzernen Dialoge, die Ridley Scott ihn zeitweise aufsagen lässt.

Und wie lautet nun das Urteil der Kritiker-Götter? Daumen hoch oder Daumen runter für "Gladiator II"? Der Daumen zeigt mit leichter Tendenz nach oben. Denn dieses CGI-Feuerwerk vergeht trotz über 140 Minuten Länge wie im Fluge und ist sehr unterhaltsam - wenn man über die recycelte Handlung und schwachen Dialoge gnädig hinwegsieht. Und über die Haie.

Nostalgische "Gladiator"-Fans sollten sich einfach noch mal das Original anschauen (zum Beispiel hier auf RTL+). Ob sich in 24 Jahren noch jemand an die Fortsetzung erinnert, wissen eh nur die Götter.

"Gladiator II" läuft ab sofort in den deutschen Kinos

Quelle: ntv.de

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