Punks, Pumpguns & Picard "Green Room" strapaziert die Nerven
02.06.2016, 18:44 Uhr
Mit ihnen ist nicht zu spaßen: Darcy Banker (Patrick Stewart, M.) und seine Gang.
(Foto: Universum Film)
Eigentlich will die Punkband "Ain't Rights" nur ein Konzert in einem abgelegenen Club spielen. Doch sie muss merken, dass im Publikum vor allem Nazi-Skins sind. Erst der Anfang ihres Martyriums in einem Schocker mit "Star Trek"-Star Patrick Stewart in ungewohnter Rolle.
Patrick Stewart dürfte sich beim Lesen des Drehbuchs von "Green Room" mal so richtig ins Fäustchen gelacht haben. Jahrelang gab er als Captain Jean-Luc Picard in "Star Trek" den moralischen und intellektuellen Übervater. Auch als Charles Xavier in der "X-Men"-Reihe ist er der Beste der Guten. In dem Thriller von Regie-Shooting-Star Jeremy Saulnier darf er hingegen nun mal endlich so richtig die Sau rauslassen - als der größte Übeltäter unter den Bösen.
Achtung! Spoiler!
Die Punkband "Ain't Rights" ist abgehalftert und abgebrannt. Als ihr ein Gig irgendwo im amerikanischen Nirgendwo vermittelt wird, greift sie deshalb dankbar zu. Doch schon nach der Ankunft im mitten in den Wäldern gelegenen Clubhaus offenbart sich, dass sie direkt in der Höhle des Löwen gelandet ist. Den Backstage-Bereich zieren eine Südstaaten-Flagge und Hakenkreuz-Embleme. Das Gros der Konzertbesucher erweist sich als Nazi-Skins.
Schweren Herzens betreten die Punker dennoch die Bühne. Doch spätestens als sie den Genre-Klassiker "Nazi Punks Fuck Off" der Dead Kennedys intonieren, wird klar, dass sie sich hier keine Freunde machen werden. Schnell abhauen, lautet deshalb die Devise nach dem Auftritt. Doch daraus wird nichts. Weil die Bandmitglieder Pat (Anton Yelchin), Reece (Joe Cole), Sam (Alia Shawkat) und Tiger (Callum Turner) gemeinsam mit dem Skinhead-Mädchen Amber (Imogen Poots) Zeuge eines brutalen Verbrechens werden, setzen ihre "Gastgeber" sie fest.
Clubbesitzer Darcy Banker (Patrick Stewart) will unter allen Umständen verhindern, dass etwas von den Ereignissen in seinem Etablissement nach außen dringt. Die Zeugen gehen lassen? Auf gar keinen Fall! Und so sitzen die Punks und Amber alsbald im Backstage-Raum - im Englischen auch "Green Room" genannt - in der Falle, während sich draußen Bankers Schläger mit Messern, Pumpguns und Kampfhund formieren …
Horror ohne Hokuspokus
Der jüngste Streich des bereits für seinen Thriller "Blue Ruin" gefeierten Saulnier strapaziert die Nerven. Doch das im besten Sinne. Nein, das Sujet ist alles andere als neu. Filme, in denen die Protagonisten in anscheinend aussichtsloser Lage einer äußeren Bedrohung gegenüberstehen und nach dem Prinzip der - politisch korrekt ausgedrückt - "Zehn kleinen Jägermeister" nacheinander gemeuchelt werden, gibt es speziell im Horror-Genre zuhauf. Doch zum einen ist "Green Room" kein Horror-Film - jedenfalls keiner, bei dem es für das Bedrohungs-Szenario irgendwelchen Hokuspokus, Maskenmörder oder Untote bräuchte. Und zum anderen versteht es der Film, auf der Klaviatur althergebrachter Schock-Prinzipien so virtuos zu spielen wie schon lange kein vergleichbares Werk mehr.
Das liegt einerseits am überzeugenden Ensemble - Stewart allen voran, doch auch sein "Star Trek"-Epigone Yelchin, der Pavel Chekov aus den jüngsten Kinoabenteuern der "Enterprise", und Poots als Skinhead-Braut wissen zu brillieren. Andererseits schafft es der Streifen aber auch, über 95 Minuten in atmosphärisch beklemmenden Bildern einen geradezu perfiden Spannungsbogen aufzubauen und zu halten. Auf die Zuschauer wartet nicht nur die eine oder andere überraschende Wendung. Sie werden auch bei so mancher Szene mit brachialer Gewalt vor Schaudern in den Sitz gedrückt.
Denn auch wenn der Horror in "Green Room" ganz real daherkommt - Splatter-Effekte gibt es in dem Film zu Genüge. Zartbesaitete sollten sich den Streifen daher definitiv nicht antun! Und schon gar keiner, der sich darauf freut, mal wieder dem lieben und netten Onkel Picard von der "Enterprise" auf der Leinwand Hallo zu sagen. Er könnte traumatisiert aus der Vorstellung wanken. Für alle Fans ultraharter Kinokost ist "Green Room" indes schon nahezu ein Muss.
Quelle: ntv.de