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Im Bann des Zyklopen Thor Freudenthal, unser Mann in Hollywood

Auch als Hollywood-Regisseur bewahrt Thor Freudenthal sich seine deutsche Heimat.

Auch als Hollywood-Regisseur bewahrt Thor Freudenthal sich seine deutsche Heimat.

(Foto: imago stock&people)

Als junger Filmstudent geht der in Berlin geborene Thor Freudenthal nach Kalifornien. Und er bleibt. Bald zieht es den Deutschen nach Hollywood. Anlässlich des Filmstarts von "Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen" spricht n-tv.de mit dem Regisseur über seine Arbeit in der Traumfabrik Hollywood, seine Liebe zur deutschen Heimat und seinen Wunsch, Herkules zu sein.

n-tv.de: Thor Freudenthal, Ihr Vorname ist der Name eines Gottes. Das passt ja zum Film. Wie kamen Sie zur Regie von "Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen"?

Thor Freudenthal: Da kamen mehrere Umstände zusammen. Erstens habe ich in der Zeit, in der das Studio den ersten Film "Percy Jackson: Diebe im Olymp" fertigstellte, für dasselbe Studio einen Film, "Gregs Tagebuch", gemacht. Außerdem habe ich die Buchreihe von "Percy Jackson" gelesen und sehr gemocht. Das Studio hat mir das Skript für den zweiten Film zugeschickt und gefragt, ob ich Interesse hätte. Ich fand, dass es sehr schöne visuelle und auch emotionale und witzige Möglichkeiten gab. Ich fand den Humor im Buch sehr schön.

War Ihre Begeisterung für das Buch der Hauptgrund dafür, dass Sie die Regie bei "Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen" übernommen haben?

"Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen" ist Freudenthals erster Hollywood-Blockbuster.

"Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen" ist Freudenthals erster Hollywood-Blockbuster.

Ja, die Begeisterung am Buch und die Gelegenheit, mit einem größeren Pinsel auf einer größeren Leinwand zu malen als bisher.

Was ist die größte Schwierigkeit, wenn man ein über 300 Seiten langes Buch in einem etwas mehr als 100 Minuten langen Film umsetzen will?

Genau das ist die Schwierigkeit. Man muss leider rigoros Sachen rausschneiden. Man muss sich darauf einlassen, dass man nicht alle Leute befriedigen kann.

Ein großer Teil des Casts kannte sich bereits aus dem ersten Teil der Romanverfilmung. Wie wurden Sie, quasi als der Neue am Set aufgenommen?

Mit offenen Armen. Alle waren sehr neugierig darauf, was ich mit dem Material machen wollte. Ich hatte eine humorvollere Herangehensweise im Sinn und alle Schauspieler haben begeistert mitgemacht. Der Film an sich hat einen anderen Ton als der erste Teil.

Chris Columbus, Regisseur des ersten Teils, war jetzt Produzent. Wie war die Zusammenarbeit zwischen Ihnen als neuem Regisseur und Chris?

Chris hält sich sehr höflich zurück. Er gibt nur Anregungen, wenn er es für absolut notwendig hält. Da er selber Regisseur ist, weiß er, dass der Produzent dem Regisseur einen gewissen Freiraum lassen muss. In der Postproduktion war Chris sehr hilfreich, was die Spezialeffekte anging. Ich musste auch oft beim Studio für Dinge kämpfen, die wir haben wollten. Da war Chris eine große Hilfe.

Bei Fortsetzungen wird immer erwartet, dass es größer, schneller, einfach mehr sein muss als beim ersten Teil. Haben Sie das so empfunden?

Ja, das empfindet man am Anfang und versucht auch, dem gerecht zu werden. Je mehr man sich dann einarbeitet, umso mehr versinkt man im Film selbst. Dann konzentriert man sich nur noch auf den Film und versucht, der Geschichte gerecht zu werden.

Die griechische Mythologie spielt eine wichtige Rolle bei "Percy Jackson" und ist sehr komplex. Mussten Sie sich einarbeiten?

Fabelwesen aus der antiken Mythologie bevölkern die "Percy Jackson"-Reihe.

Fabelwesen aus der antiken Mythologie bevölkern die "Percy Jackson"-Reihe.

Nicht wirklich, weil ich das alles seit meiner Kindheit schon gelesen habe. Als Kind haben mich vor allem die Abenteuergeschichten und die Bestien fasziniert, wie der Minotaurus im Labyrinth. Wenn man heranwächst, merkt man, dass die Götterfamilie unglaublich zerstritten, sehr mackenhaft und menschlich ist. Ich finde es sehr interessant, dass sich eine Kultur solche Götter erschafft, die sich gegenseitig auffressen und abschlachten. Unglaublich eigentlich.

In "Percy Jackson" werden die Figuren aus ihren ursprünglichen Mythen herausgerissen und neu interpretiert. Kam Ihnen da der Gedanke, dass der Film die griechische Mythologie zu radikal modernisiert?

Kann man so sehen. Es ist radikal, aber das reizt mich gerade daran. Wir kennen die Geschichten. Rick Riordan versetzt mit seiner "Percy Jackson"-Reihe die Götter in die moderne Welt, was emotionale und humoristische Effekte hat. Für mich ist das nicht zu radikal.

Welcher Halbgott wären Sie gerne?

Uh, … (überlegt) Herkules wahrscheinlich. Kraftstrotzend und selbstbewusst. Auch nicht unbedingt frei von Zweifeln und Herausforderungen. Herkules hat mich immer sehr gereizt als Kind.

Jetzt sind Sie gerade in Berlin, wo Sie aufgewachsen sind. Hier haben Sie als Schüler mit Comiczeichnungen für verschiedene Verlage angefangen. Dann sind Sie als Student an der Berliner Akademie der Künste zum Film gewechselt. Wie kam es dazu?

Ich war schon immer sehr am Film interessiert. Ich bin mit Disneyfilmen aufgewachsen und mit Filmen von Steven Spielberg. Der Comic war der Anfang einer Faszination vom Medium Film, dem visuellen Geschichtenerzählen. Das war für mich ein natürlicher Sprung von Comics zu Animation und dann zum Film. Meine Sehnsüchte waren immer schon einen Schritt voraus und Spielfilme zu machen ist sozusagen der letzte Schritt.

Freudenthal hat auch als Hollywood-Regisseur sein Talent für Comiczeichnungen und seine Liebe zu Berlin nicht verloren.

Freudenthal hat auch als Hollywood-Regisseur sein Talent für Comiczeichnungen und seine Liebe zu Berlin nicht verloren.

Dann bekamen Sie ein Stipendium und gingen an die Kunsthochschule in Kalifornien. Sie haben sich entschieden, in den USA zu bleiben. Warum?

Das hat sich so ergeben. Ich kam an der Hochschule an und hab gefühlt, da gehöre ich hin. Ich hatte einen Kurzfilm gemacht während meines Auslandsjahres, der einen Studentenemmy gewonnen hat und auf Festivals im ganzen Land gezeigt wurde. Ich kam genau zur richtigen Zeit dorthin, als die Animationsindustrie nach "Toy Story" voll durchgestartet ist. Sehr viele Studios haben fähige Leute gesucht und die Jobangebote haben mich dazu bewogen, dort zu bleiben.

Dann sind Sie nach Hollywood gekommen - ein Traum, den sich viele deutsche Filmschaffende zu gerne auch erfüllen würden. Was braucht es Ihrer Meinung nach, um als Deutscher wie Diane Kruger oder Wolfgang Petersen in Hollywood langfristig erfolgreich zu sein?

Hollywood ist nicht der glorreiche Gipfel, wie man sich den so vorstellt. Einerseits schon, es gibt nirgendwo sonst so viele talentierte Menschen und so viele wundervolle Filmschaffende wie da. Andererseits ist Hollywood auch eine große Industrie, die ihre Produkte weltweit vertreibt und die bestimmte finanzielle Interessen hat, die befriedigt werden müssen. Die größte Herausforderung für dauerhaften Erfolg ist, nie die eigene Stimme oder das, was einen zum Unikat macht, zu verlieren, während man sich in die Industrie einfügt. Sonst wird man zum Fabrikarbeiter, der austauschbar ist.

Gibt es eine deutsche Community in Hollywood?

Die gibt es hier und da. Ich war nie so ganz Teil davon, was ich auch irgendwie vermisse. Es gibt die Villa Aurora (eine gemeinnützige Einrichtung, die deutschen Kulturschaffenden ein Forum gibt), wo man sich mit deutschen Regisseuren austauschen kann. Aber so eine richtige deutsche Community habe ich da nicht entdeckt.

Kämpft also jeder für sich alleine?

Ich habe schon meinen Club von Leuten, aber das sind nicht nur Deutsche.

Von den USA aus verfolgt Freudenthal Tom Tykwers Arbeit.

Von den USA aus verfolgt Freudenthal Tom Tykwers Arbeit.

(Foto: REUTERS)

Beobachten Sie die deutsche Filmindustrie?

Wenig. Bestimmte Sachen, die Tom Tykwer macht oder Florian Henckel von Donnersmarck, die nach Amerika rüberschwappen und da Erfolge haben. Die interessieren mich sehr. Ich finde es auch wundervoll, den lokalen Flair von deutschen Filmen zu sehen. Ich sehe davon nicht genug. Ich habe vor, jetzt mal wieder ein paar deutsche Filme zu sehen.

Ihr Englisch klingt fast akzentfrei. Werden Sie in den USA noch als Deutscher wahrgenommen?

Mein Englisch ist gar nicht so akzentfrei. Aber die Leute staunen schon, wenn sie hören, dass ich aus Deutschland bin. Ich will auf jeden Fall meine Heimat im Sinn bewahren, weil das das Einzige ist, was mich in den USA noch einzigartig macht. Das darf man auch nicht verlieren. Amerika an sich ist ein Einwanderungsland, wo selbst die dritte Generation Amerikaner Ursprünge überall auf der Welt hat. Das ist auch sehr reizvoll. Die Ursprünge muss man sich schon beibehalten und darf man nicht verlieren.

Jetzt wieder hier in Berlin zu sein, ist für Sie also wie nach Hause kommen …

Ja, das ist wie seine Batterien wieder aufzuladen.

Es gibt die Klischees, die Deutschen seien immer pünktlich, gründlich …

Ich bin sehr pünktlich! (lacht) Überaus pünktlich. Pünktlicher als die Amerikaner.

Ich habe auch gelesen, dass Sie sich immer gründlich vorbereiten und gerne vorausplanen.

Auf jeden Drehtag hat sich Thor Freudenthal akribisch vorbereitet.

Auf jeden Drehtag hat sich Thor Freudenthal akribisch vorbereitet.

Ja, ja. Das kann auch damit zu tun haben. (lacht) Wenn ich aus irgendeinem Grund nicht pünktlich bin, dann werde ich richtig nervös. Aber alle Deutschen sind auch nicht unbedingt pünktlich. Ich habe mehrere Freunde hier, die immer zu spät kommen. Beim Vorausplanen ist es dasselbe. Alles, was ich mache, wird skizziert oder vorher geprobt. Bei "Percy Jackson" wollte ich alles gut organisiert haben.

Bei einem Dreh wie diesem sind unvorhergesehene Ereignisse ja nicht auszuschließen. Gab es eine Situation, in der Sie sich die Haare gerauft haben?

Nicht so richtig. Ich finde, je mehr man sich vorbereitet, desto einfacher wird es, Improvisationen einzufügen. Man kann sich immer wieder auf die Vorbereitung zurückbesinnen. Wenn man das nicht tut, wird man wirr.

Also kann man gerade mit einer guten Vorbereitung auf Unvorhergesehenes flexibler reagieren?

Richtig. Je mehr man sich vorbereitet, umso relaxter ist man und umso empfänglicher ist man für neue Ideen.

Gibt es auch Situationen, bei denen Ihnen Ihre deutschen Wurzeln im Wege standen?

Eigentlich nicht. Es hat nur einige Jahre gedauert, um mir die amerikanische Populärkultur anzueignen. Jetzt bin ich über die sehr gut informiert, weniger über die letzte deutsche Popkultur. (lacht)

Können Hollywood und die deutsche Filmindustrie voneinander lernen?

Ja und nein. Was die technische Methode, die Organisation und die Arbeitsweise angeht, wie ein Film hergestellt, beleuchtet und wie das Bild in Szene gesetzt wird, kann man von Hollywood viel lernen. Das deutsche Kino sollte sich aber nicht in Hollywood verwandeln. Das, was deutsches Kino so sinnvoll und reizvoll macht, ist die Lokalität, der Bezug auf das Leben hier. Hollywood macht immer mehr Filme für den breiten internationalen Markt. Der Nebeneffekt ist oft die Gleichheit der Produkte. Was mich auf deutsche und europäische Filme zurückgreifen lässt, ist der sehr spezifische Blickwinkel. Es macht keinen Sinn für mich, wenn Deutschland versucht, Hollywood zu imitieren.

Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft in Deutschland zu drehen?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe sehr viel Werbung hier gedreht. Es war immer sehr reizvoll, nach Hause zu kommen und zu drehen. Wenn der richtige Stoff da ist und sich eine Gelegenheit ergibt, auf jeden Fall.

Mit Thor Freudenthal sprach Judith Leipnitz

"Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen" ist am 15. August in den deutschen Kinos gestartet

Quelle: ntv.de

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