Kino

Schönheit, Kraft und Vernichtung "Watermark" - es geht um Leben und Tod

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Wie ein Gemälde: Geothermisches Kraftwerk Cerro Prieto in Baja California, Mexiko.

(Foto: Edward Burtynsky)

Wasser ist Leben - aber es kann auch töten. Es ist lebensspendend und vernichtend, schön, kraftvoll und angsteinflößend. In grandiosen Bildern widmet sich der Film "Watermark" dem Wasser und wie der Mensch damit umgeht.

Seit jeher bewegt sich der Mensch im Konflikt zwischen zu wenig und zu viel Wasser. Fehlt es, verdursten er oder die Pflanzen und Tiere, von denen er sich ernährt; im anderen Extrem drohen Ertrinken, Flut, Überschwemmungen und Erdrutsche. Da Wasser lebensnotwendig ist, versucht der Mensch es in die für ihn nutzbaren und nützlichen Bahnen zu lenken.

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Luftaufnahme vom Delta des Colorado River in der Nähe von San Felipe, Baja California, Mexiko im Jahr 2011.

(Foto: Edward Burtynsky)

In ihrem Film "Watermark" zeigen die kanadischen Regisseure Jennifer Baichwal und Edward Burtynsky - der auch als großartiger Fotograf international bekannt ist - in zwanzig Geschichten, gefilmt in zehn Ländern, die ganze Ambivalenz menschlichen Tuns im Bezug auf Wasser: Wie Menschen einerseits unglaublich Schönes, Großartiges schaffen, wie sie sich an Wasser erfreuen und wie sie andererseits rücksichtslos zerstören, die Folgen ihres Handelns nicht bedenken, nur an sich selbst und nicht über Ländergrenzen hinaus denken. Wie etwa beim Delta des Colorado, das laut Burtynsky "in vierzig Jahren nicht einen Tropfen Wasser aus diesem Fluss gesehen hat". Der Fluss mündete einst in Mexiko ins Karibische Meer, heute versiegt er viele Kilometer davor. Durch gigantische Bewässerungsanlagen oberhalb des Mündungsbereichs, auf dem Gebiet der USA, wird derart viel Wasser entnommen, dass das Delta in Mexiko ausgetrocknet ist. In der relativ kurzen Zeitspanne eines Menschenlebens: Eine alte Frau steht auf dem ausgedörrten Boden und erzählt, wie viele Fische man hier früher aus dem Fluss geholt hat, als sie noch jung war.

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Gewaltige Wassermassen am Xiaolangdi-Staudamm am Gelben Fluss in der chinesischen Provinz Henan.

(Foto: Edward Burtynsky)

Der tödlichen Stille dieser Szenen geht ein gewaltiges Brausen voraus: minutenlang sieht man, wie gigantische Wassermassen aus einem Staudamm hervorschießen. Der Xiaolangdi-Staudamm staut den Gelben Fluss in der chinesischen Provinz Henan. Die Bauarbeiten zu der Talsperre begannen 1994 und dauerten elf Jahre. In der Zwischenzeit ist das beeindruckende Bauwerk zu einer Touristenattraktion geworden. Erst durch die winzigen, sich davor fotografierenden Menschen kann man die riesigen Ausmaße erahnen. Durch die Talsperre werden etwa zwei Millionen Hektar Fläche bewässert - was natürlich, ähnlich wie beim Colorado, nicht ohne Folgen bleibt: Der Gelbe Fluss verliert dadurch so viel Wasser, dass er manchmal austrocknet. Zeitweise erreicht er nicht mal mehr das Meer.

Der große Durst der Landwirtschaft

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Wie ein riesiger Patchwork-Teppich: Kreisberegnungs-Systeme in den High Plains im Panhandle, Texas.

(Foto: Edward Burtynsky)

Mit dem Wasser des Colorado wird auch das Imperial Valley in Kalifornien mit Wasser versorgt - hier wurden, wo vorher Wüste war, 12.000 Quadratkilometer Farmland geschaffen, die aber ständig bewässert werden müssen, mit den erwähnten Auswirkungen auf das Delta. Auch der Pegel des Ogallala-Aquifers, des riesigen unterirdischen Grundwasserleiters, der sich über mehrere US-Bundesstaaten erstreckt, sinkt ständig. Mit verheerenden Folgen: Tausende Agrarbetriebe hängen von dem Wasser ab. Wie es aussieht, wenn das Wasser wegbleibt, wenn Trockenheit und Versalzung einsetzen, dokumentiert "Watermark" in beeindruckenden, unkommentierten Bildern. Es sind Luftaufnahmen von kreisrunden Feldern aus Grün über Braun bis zu Grauweiß. Ästhetische Bilder mit einer beängstigenden Botschaft: Das passiert, wenn der Mensch mehr Wasser entnimmt, als sich wieder auffüllt.

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Jahrhundertealte Reisterrassen in West-Yunnan, China.

(Foto: Edward Burtynsky)

Auf das Konto der Landwirtschaft gehen weltweit etwa 70 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs. Dies geschieht nicht nur durch die erwähnten, nicht nachhaltigen Arten der Bewirtschaftung, "Watermark" zeigt auch die jahrhundertealten kunstvollen Reisfeld-Terrassen: nachhaltiges Wassermanagement in einer seiner schönsten Formen. Ebenso eindrucksvoll und ästhetisch sind die Stufenbrunnen Nagar Sagar Kund in Rajasthan in Indien. Je nach Niederschlag sind sie mal mehr, mal weniger gefüllt und man muss zum Wasserholen mal mehr, mal weniger Treppen hinuntersteigen. Die Brunnen entstanden im 12. Jahrhundert. Heute ist darin mehr Müll als Wasser, da der Grundwasserspiegel auch hier ständig sinkt.

Viel Chemie für billige Schuhe

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Kumbh Mela, das größte religiöse Fest der Hindus, findet alle 12 Jahre statt. Dann nehmen viele Millionen Pilger im Ganges ein rituelles Bad, um sich von ihren Sünden zu reinigen.

(Foto: Edward Burtynsky)

Wasser ist aber nicht nur Grundlage der Herstellung von Lebensmitteln, sondern auch von Produkten aller Art, vom Auto bis zur Kleidung. Beim Gerben von Leder etwa - hier zeigt "Watermark" schockierende Bilder aus einem Gerberviertel in Hazaribagh in Bangladesh. Pro Arbeitsgang werden hier bis zu 2000 Liter Wasser benötigt. Die Abwässer landen im Fluss Buriganga, in dem die Anwohner ihre Wäsche waschen und Kinder baden. Der Ort gehörte 2013 laut der Umweltorganisation Blacksmith Institute zu einem der am stärksten verseuchten Orte der Welt: Er nahm Platz fünf auf der unrühmlichen Top-Ten-Liste ein.

Unter mittelalterlich anmutenden Arbeitsbedingungen stehen die Arbeiterinnen zum Teil mit bloßen Füßen in der Brühe und hieven die schweren Lederlappen von einer Tonne in die nächste. Sie schuften hart, verdienen wenig, verschmutzen ihren Fluss, damit die Käufer in den westlichen Industrienationen billige Schuhe und Taschen kaufen können. Denn produziert wird, so heißt es später im Film, für den europäischen und den US-Markt. Das alles bleibt - im Gegensatz etwa zu den polemischen, anklagenden Filmen von Michael Moore - unkommentiert. Die Fakten sprechen für sich, allzu deutlich. Jeder denkende Mensch kann die Zusammenhänge erkennen und daraus seine Schlüsse ziehen.

Viele große Themen

"Watermark" schneidet viele große Themen an, fast schon zu viele. Er zeigt die Allgegenwärtigkeit des Wassers, seine elementare Bedeutung: für das Klima, die Landwirtschaft, Biologie und Zellteilung, aber auch für Religion und Wohnen. Oder für unser Vergnügen, wie etwa beim Springbrunnen des Hotels Bellagio in Las Vegas, bei Surfmeisterschaften in Kalifornien und beim Baden in der Blauen Lagune auf Island. Der Film riskiert damit, den Zuschauer zu überfordern. Dennoch lohnt es sich unbedingt, ihn anzuschauen - seine Bilder, seine Tabloid-artigen Aufnahmen sind von beeindruckender Schönheit, gewaltig, im Großen wie im ganz Kleinen. Er gibt einem jede Menge Ansätze zum Nachdenken mit auf den Weg - vielleicht sogar zum Umdenken.

Die Galerie Springer Berlin zeigt noch bis zum 24. Mai 2014 großformatige Fotografien von Edward Burtynsky aus seinem neuen Bildband "Water" (2009-2013).

"Watermark" startet am 15. Mai in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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