"Frauen waren meine Droge!" Hansjörg, genannt Giorgio, Giorgio Moroder
04.07.2015, 17:56 Uhr
Uuuuuh, love to love you Baby!
Giorgio Moroder ist ein älterer Herr im Anzug und mit feinen Manieren und gepflegtem Schnäuzer, er sieht auch so alt aus wie er ist, nämlich 75. Der gebürtige Südtiroler, der nach Lehrjahren in Bozen und Berlin ab Mitte der 70er-Jahre in München den Discosound prägte, empfängt in seiner alten Heimatstadt, im feudalen Hotel "Bayerischer Hof". Nach mehr als drei Jahrzehnten hat Moroder, der sich ab dem Ende des Discobooms wacker als Soundtrack-Songlieferant ("Take my Breath away"/"Top Gun" oder "What a Feeling"/"Flashdance") verdingte, wieder ein Album eingespielt. Es trägt den Titel "Déjà Vu". n-tv.de traf den Mann, der nach Ansicht vieler "Disco" erfunden hat, zu einem netten Schwatz.
n-tv.de: Herr Moroder, im Hotel "The Standard" gibt es seit gut zwei Jahren einen Club namens "Giorgio's". Sind Sie Stammgast?
Giorgio Moroder: Ich war vielleicht zwei Mal dort. Der Hollywood-Club hat nur samstags geöffnet, sie spielen ausschließlich Discomusik und die Menschen sind die Schönsten der ganzen Stadt. Unheimlich viele Promis auch. Meine Frau geht zwei Mal im Monat hin, sie liebt die alten Disco-Hits und tanzt wie verrückt.
Stimmen Sie zu, dass Sie Disco erfunden haben?
Nein, erfunden nicht. Ich habe geholfen, Disco populär zu machen und ins Radio zu bringen. "Love to Love you Baby" oder "I feel Love", meine Hits mit Donna Summer, das war schon ein neuer Sound, damals 1976.
"Love to Love you Baby" ist im Original 17 Minuten lang und gilt bis heute als ein Tabubruch: Donna Summer stöhnt wie wild.
Man hat ausgerechnet, dass neun Monate nach der Veröffentlichung des Liedes ungefähr eine Million Kinder mehr als üblich auf die Welt gekommen sind. Die erste Aufnahme war bloß dreieinhalb Minuten lang. Neil Bogart, der Präsident meiner damaligen Plattenfirma Casablanca Records, bat mich, sie für eine Party zu verlängern. Sein Sohn hat mir später mal verraten, dass Bogart damals wohl mehr als eine Party veranstaltet hat.
Eine Sex-Orgie ...
Höchstwahrscheinlich (schmunzelt). Sagen wir: Es war eine Privatparty. Ich war ja nicht dabei.
Wie wild haben Sie selbst es damals eigentlich getrieben?
Also mit den Frauen, da ging es mir ganz gut. Frauen waren meine Droge. Andere Drogen haben mich nie interessiert. In meinem Studio haben ein paar Musiker gekokst, aber nur, wenn ich nicht da war.
Sie umgeben sich auch auf Ihrem Album mit schönen Frauen: Kylie Minogue, Sia, Britney Spears und Charli XCX singen unter anderem mit.
Ja, die Kylie, so ein nettes Mädchen. Und Sia hat mir immer schon als Komponistin gut gefallen. Ich bin froh, dass wir den Deal gemacht haben, bevor sie mit "Chandelier" selbst so einen Riesenhit hatte. Wer weiß, ob sie sonst zugesagt hätte.
Jetzt sind Sie aber sehr bescheiden, so als lebende Legende.
Ach, Legende. Was heißt das schon? Manchmal denke ich, dass die Welt ein bisschen komisch ist. Seit den Achtzigern habe ich fast nichts gemacht, dank Daft Punk bin ich wieder zurück und plötzlich reißt sich alle Welt um mich. Ich konnte mir aus drei guten Angeboten für ein Album das Beste aussuchen.
Als Sie vor drei Jahren zufällig in Paris waren, luden die Jungs von Daft Punk Sie ins Studio ein. Sie erzählten denen Ihre Lebensgeschichte, daraus wurde später das Stück "Giorgio by Moroder" auf dem supererfolgreichen Album "Random Access Memory".
Ja. Ich kann stundenlang erzählen, das kam mir immer schon zugute. Durch Daft Punk bin ich einen Level aufgestiegen, neuerdings werde ich wieder häufig auf der Straße erkannt und angesprochen. Daft Punk haben mich zurückgeholt, auf einmal gelte ich, wie Sie ja auch sagen, als Legende, und dann denke ich "Reden die jetzt wirklich über mich?"
Hätten Sie geglaubt, nochmal ein ganzes Album zu machen?
Nein, nie. Ich war zuletzt DJ, habe einen Remix für Coldplay gemacht oder die Musik für eine Modenschau von Vuitton und war so weit zufrieden mit meinem Leben. Dass meine Karriere noch einmal eine solche Wendung nimmt, das war nicht zu erwarten. Na, ich bin schon ganz glücklich darüber.
Waren Sie in Rente?
Gedanklich war ich Pensionär. Lange juckte es nicht richtig, es war nie so, dass ich dachte "Ich will unbedingt zurück". Ich hatte hundert Projekte am Start, von denen ein paar gut gelaufen sind. Viel Golf habe ich gespielt. Jetzt spielt meine Frau nicht mehr und alleine habe ich keine Lust.
Also gehen Sie wieder richtig arbeiten. Einer der neuen Songs heißt "74 is the new 24". Fühlen Sie sich demnach so alt wie Ihr Sohn, der Jahrgang 1989 ist?
Ach, das Lied heißt nur so, das darf man nicht zu ernst nehmen. Ich fühle mich aber in der Tat recht jung. Was die Musik angeht, höre ich praktisch nur die ganz aktuellen Sachen im Popradio, das interessiert mich viel mehr als das alte Zeugs. Ein Frank Sinatra, der hat mich vielleicht mit 20 interessiert. Heute höre ich lieber jemanden wie Skrillex. Wir haben uns letztens getroffen, vielleicht machen wir was zusammen.
Denken Sie, wenn Sie die Synthie-Disco- Stücke von David Guetta hören, nicht auch, dass der massiv bei Ihnen klaut?
Nein, das nicht. Guetta ist talentiert, geschäftstüchtig und intelligent, ich mag ihn. Vor ein paar Monaten war ich bei ihm auf Ibiza, er hat gesagt, er habe 60 Lieder komponiert, die ihm alle nicht gefallen. Jetzt macht er alles neu. Das fand ich stark. Jungs wie er, Calvin Harris oder Avicii haben Dance Music wieder populär gemacht. Ist doch Wahnsinn, wie angesagt das gerade ist. 50 Prozent der Songs im Chartradio sind Dance.
Wie geht es weiter? Mit wem wollen Sie als nächstes arbeiten?
Das habe ich noch niemandem erzählt: Ein sehr guter Freund produziert gerade mit Lady Gaga, da war ich im Studio zu Besuch. Gaga sagte, sie fand mich auf "Giorgio by Moroder" so gut, ich solle ihr bitte was auf Italienisch für einen ihrer Songs sprechen. Ich war irritiert und fragte sie, was ich denn sagen soll.
Was denn?
Gaga meinte: "Egal, irgendwas, das sexy ist." Ich sagte: "Ich bin nicht sexy", und dann habe ich halt was gesprochen.
Was ist in Ihrem Beruf der größte Unterschied zwischen den Siebzigern und heute?
Als Produzent hat man heute nicht mehr so viel Kontrolle wie früher. Einer Donna Summer konnte ich noch sagen "Du singst das jetzt so" und dann sang sie das so und fertig. Heute wissen die Sängerinnen und Sänger ganz genau, wo es langgeht, viele sind gleichzeitig auch die Komponisten ihrer Songs. Einer Charli XCX zum Beispiel kann ich nichts mehr erzählen, obwohl sie gerade mal Anfang 20 ist. Erst recht einer Sia nicht.
Mit Donna Summer waren Sie bis zu deren Tod vor drei Jahren befreundet, oder?
Es gab eine Phase, in der wir nur wenig Kontakt hatten, aber die letzten sechs, sieben Jahre waren wir praktisch Nachbarn. Meine Frau und ich, wir leben in einem Hochhaus, Donna kam mal zum Mittagessen und fand es so schön, dass sie die Wohnung unter uns gemietet hat.
Warum hat man das Gefühl, dass die Musiker heute weniger schillernd waren als früher?
Singen können die jungen Leute alle erstklassig und gerade die Frauen sehen auch alle sehr gut aus. Was heute meistens fehlt, ist eine Story. Die Musiker sind nicht mehr so spannend wie früher.
Sie leben seit den späten Siebzigern in Los Angeles. Ist das für einen Naturburschen aus den Bergen eigentlich schwierig?
Ach nein, ich bin ja schon mit 13 aus den Dolomiten weg. Ich vermisse die Berge in Los Angeles nicht. Wenn ich nach Gröden in die Ferien komme, dann spaziere ich gern mal einen Berg hinauf. Maximal zwei Wochen ist es schön zu Hause, dann wird es mir langweilig.
Mit Giorgio Moroder sprach Steffen Rüth
Quelle: ntv.de