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"Wollte die Karriere zerstören" Sind Sie eine Diva, Marianne Rosenberg?

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"Bunter Planet, ich kann ihn schon sehen": Marianne Rosenberg.

"Bunter Planet, ich kann ihn schon sehen": Marianne Rosenberg.

(Foto: Ben Wolf / Telamo)

"Bunter Planet" heißt nicht nur das neue Album von Marianne Rosenberg. Das ist auch, was sich die ikonische Sängerin für die Zukunft wünscht. Im ntv.de Interview spricht sie über das Morgen, das Gestern und das Heute. Sie erzählt, wen sie mal liebte, für was sie eintritt und wer für sie ein "Trottel" ist.

Ihr neues Album heißt "Bunter Planet". Das klingt wie ein Statement …

Der Titel des Albums steht auf jeden Fall dafür, dass ich mir eine bunte Welt wünsche. Eine Welt, in der Freiheit, Toleranz und Frieden dominieren. Die Gesellschaft, in der wir leben, polarisiert immer mehr. Hass, Aggressivität, Kriege, Macht, Unterdrückung auf der einen Seite, auf der anderen zum Glück aber auch immer mehr Menschen, die für Toleranz, Freiheit und Diversität auf die Straße gehen. Für das Klima und gegen die rechten Menschenfänger. Das zeigt: Ich bin mit dem Traum vom bunten Planeten nicht allein.

Allein waren Sie auch nicht bei der Produktion des Albums. Der Titelsong "Bunter Planet" etwa, aber auch das Lied "Lass die Liebe gewinnen" sind in Zusammenarbeit mit Leslie Clio entstanden. Wie kam das zustande?

Ich habe natürlich Kontakt zu anderen Musikern und Musikerinnen und man tauscht sich immer wieder aus. Manchmal kommt es dann auch zu einer Zusammenarbeit - wie jetzt mit Leslie Clio. Sie hat die gleiche Empfindung wie ich: dass Disco, wenn auch mit einem etwas anderen Sound, wiederkommt. Das ist ein Kleid, das ich schon oft getragen habe, das mir aber auch gut steht. Darauf aufbauend ist das Lied "Bunter Planet" entstanden.

Die Liste der Menschen, mit denen Sie schon zusammengearbeitet haben, ist ebenso lang wie vielfältig. Das reicht zum Beispiel von Rio Reiser über Blixa Bargeld bis zu Joachim Witt, mit dem Sie erst vor Kurzem das Lied "In unserer Zeit" gesungen haben. Wie wichtig waren und sind diese Grenzgänge für Sie als Künstlerin?

Das ist als Input sehr wichtig! Es ist großartig, andere Menschen und ihre Arbeitsformen kennenzulernen. Ursprünglich wollte ich Anfang der 80er damit nur dieses Schubladendenken durcheinanderbringen. Wie vermessen! Das habe ich natürlich nicht geschafft. Aber: Wenn Blixa Bargeld, Rio Reiser und ich in der Berliner Schaubühne auftraten, war das ein Eklat. In der Presse hieß es mal "Traumpaar" und mal "Albtraum". (lacht) Im Grunde wollte ich meine vorherige Karriere zerstören, weil ich mich nicht mehr als die gesehen habe, die aus mir gemacht wurde.

Wie meinen Sie das?

Sehen Sie: Ich war doch sehr jung. Da wurde man auch ein Stück weit musikalisch zugeordnet oder in einem bestimmten Stil eingekleidet. Die Songtexte zu Liedern wie "Er gehört zu mir" wurden von 25-jährigen Männern für mich geschrieben. In meinem Teenager-Zimmer hingen dagegen die ganzen Soul-Nummern an der Wand: Three Degrees, Aretha Franklin oder Percy Sledge. Ich dachte: "Wow, so will ich auch auftreten!" Für die Schlagerwelt war das aber unmöglich. Viel zu glamourös! Also wurde ich mit dem Kostümbildner losgeschickt, um einen Jeansanzug zu kaufen. Der hatte breite Streifen. Ich sah aus wie ein Sträfling und sang dazu "Warum gerade ich?". (lacht)

Stört es Sie heute denn, wenn Sie als Schlagersängerin bezeichnet werden?

Nein. Das klingt sehr vereinfacht, aber letztlich ist es doch so: Es gibt nur gute oder schlechte Musik. Das Genre ist vollkommen egal. Caterina Valente etwa galt in Deutschland immer als Schlagersängerin. Aber sie hatte ein extrem breites Spektrum. Sie hat selbst wunderbar Gitarre gespielt und ist in so vielen Ländern aufgetreten, auch mit brasilianischen Stücken oder Jazz. Die Festschreibung kommt von Leuten, die immer alles geordnet haben wollen. Aber so ist die Welt eigentlich nicht.

Im Begleittext zu Ihrem neuen Album heißt es, Sie seien heute produktiver, erfolgreicher und unabhängiger denn je. Sind Sie heute auch zufriedener als etwa in den 70ern, in denen Sie Hits wie "Er gehört zu mir" oder "Marleen" hatten?

Das Wort "zufrieden" kommt in meinem Sprachgebrauch kaum vor. Das klingt ähnlich wie die Frage: "Sind Sie heute angekommen?" Nein! Weil anzukommen das Schlimmste ist, was einem passieren kann. (lacht)

Sie sind über 30-mal in der ZDF-Hitparade aufgetreten. Männliche Kollegen von Ihnen wie etwa Howard Carpendale sprechen oft über die wilde Zeit damals - inklusive ausschweifender Partys in der "Todeszelle" genannten Bar des Hotels Schweizer Hof ...

Als Rosenberg berühmt wurde, war sie noch eine Teenagerin.

Als Rosenberg berühmt wurde, war sie noch eine Teenagerin.

(Foto: picture alliance/United Archives)

Das Dumme war: Ich war ein Teenager und durfte nicht rein. Dabei wollte ich das unbedingt, weil ich in Ricky Shayne verliebt war. (lacht) Aber ich ging noch zur Schule und musste ins Bett. Dafür war ich dann am nächsten Tag in der Maske ganz frisch, während sie alle recht ausgepowert hereinkamen. Es gab dann so Tropfen, mit denen sie ihre roten Augen nach der durchzechten Nacht wieder weiß bekommen haben. Und den Frauen haben sie so lange Wimpern angeklebt, wie sie der schöne Ricky in natura hatte. Das habe ich alles so beobachtet.

Das war ja doch eine sehr männlich dominierte Branche. Wie war das für Sie als Frau?

Männlich dominiert, ja, das auf jeden Fall. Aber es haben durchaus auch viele Frauen in ihr gewirkt. Und mal ehrlich: Was war in der Geschichte nicht männlich dominiert? Auch wenn die Frauen aufbegehrt haben, drehte sich das Rad manchmal ganz schnell wieder zurück. Nehmen wir nur die zwölf Jahre Faschismus. Nur kurz davor, in den 20er-Jahren, waren die Frauen noch frei. Ich denke an die ganzen Cabarets und wie die Frauen aussahen - erotisch, mit Glamour und Zigarettenspitzen. Wer hätte geglaubt, dass man das so schnell drehen kann? Darin liegt natürlich auch eine Gefahr für uns heute. Man muss genau hingucken und darf nicht denken, Freiheit sei etwas Selbstverständliches. Man muss für sie eintreten.

Männliche Dominanz haben Sie auch vor elf Jahren zu spüren bekommen, als Sie in der Jury von "Deutschland sucht den Superstar" mitgewirkt haben. Bereuen Sie das im Nachhinein?

2014 war Rosenberg neben Sängerin Mieze Katz von Mia., Kay One (2.v.r.) und Dieter Bohlen Teil der Jury bei "Deutschland sucht den Superstar".

2014 war Rosenberg neben Sängerin Mieze Katz von Mia., Kay One (2.v.r.) und Dieter Bohlen Teil der Jury bei "Deutschland sucht den Superstar".

(Foto: picture alliance / dpa)

Nein. Ich habe mich da auch keiner männlichen Dominanz ausgesetzt gefühlt - für mich war das ein Lacher. Der Titan gibt ja auch bestimmte Dinge von sich, weil er ein Image hat. Mich hat es mehr tangiert, wenn er oder Kay One auch mit jungen Sängerinnen so umgegangen sind. Nur der Witz war: Die fanden das selbst toll. Da konnte ich als ältere Frau schlecht eingreifen. Nach MeToo geht aber Gott sei Dank ganz viel nicht mehr. Das finde ich richtig gut.

Sie machen den Eindruck, sehr im Hier und Jetzt zu leben. Das strahlen auch die meisten Songs auf "Bunter Planet" aus. Dennoch gibt es da auch mal nostalgische Momente - zum Beispiel in einem Lied wie "Anfang und Ende" …

Finden Sie das Lied tatsächlich nostalgisch? Das sehe ich gar nicht so. In dem Lied geht es um Verlust, um Abschied und darum, dass wir alles irgendwann loslassen müssen. Das ist für mich eigentlich sehr akut. Je älter man wird, desto mehr Menschen verabschieden sich - Freunde oder Familie. Aber an sich nimmt jeder von uns ständig von etwas Abschied: von der Schulzeit, der Jugend, von einem Beruf. Eigentlich ist es für mich sogar der Song, der am meisten von allen auf dem Album in der Gegenwart ist. Auch meine Stimme klingt in ihm am meisten danach, wo ich jetzt bin. In anderen Songs mache ich mit ihr dagegen oft das, was Schauspielerinnen mit ihrem Gesicht machen. Ich spiele mit ihr.

Definitiv nostalgisch ist aber die Musikkassette, die in der "Special Edition" von "Bunter Planet" enthalten ist …

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Ja, die Kassette ist toll, oder?

Haben Sie noch einen Kassettenrekorder?

Ja - und auch noch Kassetten. Aber ich müsste erst mal ausprobieren, ob die noch laufen. Ich habe jetzt auch wieder einen Plattenspieler. Das Album gibt es auch als LP. Platten sehen mit dem großen Cover einfach klasse aus.

Mit der Vergangenheit haben Sie sich auch auf dem Vorgängeralbum zu "Bunter Planet" namens "Diva" auseinandergesetzt. Da haben Sie Klassiker zum Beispiel von Sängerinnen wie Diana Ross oder Gloria Gaynor in deutscher Sprache neu interpretiert. Sie werden auch gern mal als "Diva" bezeichnet. Sind Sie eine?

Ich habe ja eine Menge Titel im Laufe meiner Karriere gehabt und finde, dass man damit auf der Bühne gut spielen kann. Die Bühne ist ja nicht das Leben, sondern ein Stück weit Märchen. Ob nun Schlagerprinzessin oder Diva - das sind alles so Rollen. Eigentlich ist es toll, dass so viele Bezeichnungen für mich herumschwirren, aus denen ich immer wieder was machen kann.

Das Album "Diva" hat Platz 5 in den deutschen Album-Charts erreicht. Mit dem Album davor, "Im Namen der Liebe", schafften Sie es sogar zum ersten Mal überhaupt auf den ersten Platz. Ist Ihnen, auch jetzt bei "Bunter Planet", der kommerzielle Erfolg wichtig?

Überhaupt nicht. Aber was mir das Nummer-1-Album gezeigt hat, ist: Lasst euch niemals sagen, dass eure Zeit vorbei sei! Das bekommt man nämlich irgendwann zu hören. Ich bin mit der Idee für "Im Namen der Liebe" zu verschiedenen Plattenbossen gegangen - meistens Männer. Es hieß: "Na ja, ganz spannend. Kann ich mal die Demos hören?" Da dachte ich mir: "Du Trottel! Ich bin seit 50 Jahren im Geschäft - und du willst von mir Demos hören?"

Haben Sie das auch so gesagt?

Nein, aber mir war klar, dass ich mit diesen Leuten nicht zusammenarbeiten werde. Dann habe ich jemanden getroffen, der von der Idee überzeugt war und mir völlig freie Hand gelassen hat. Dass ich jetzt die Regisseurin meiner eigenen Musik und Erfindungen sein kann, ist für mich das Wichtigste überhaupt. So ist nach vielen Jahren eingetreten, was ich mir als junge Sängerin so sehr gewünscht habe. Das war ein langer Weg der Emanzipation.

Bei "Im Namen der Liebe" haben Sie erstmals intensiv mit Ihrem Sohn Max zusammengearbeitet, der ebenfalls im Musikbereich tätig ist. Warum hat er auf "Blauer Planet" nur an zwei Songs mitgewirkt?

Marianne Rosenberg auf RTL+ Musik
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(Foto: picture alliance/dpa)

Auf der Suche nach Musik von Marianne Rosenberg? Songs, Alben und Infos von ihr gibt es auf RTL+ Musik.

Weil er inzwischen als A&R (Verantwortlicher für Künstler und ihr Repertoire, Anm. d.Red.) berufstätig ist und sich um viele Künstler kümmert. Er hätte für mich allein gar nicht mehr die Zeit. Damals hat sich das dagegen einfach so ergeben: Ich habe ihm meine Ideen vorgespielt und er hatte Lust und Zeit, mit mir an ihnen zu arbeiten. Wir hatten sehr viel Spaß dabei, weil wir beide auch sehr humorvolle Menschen sind. Wenn man Musik macht, darf man auch nicht so verkrampfen. Das ist wie Malen. Man hat eine Idee im Kopf, die nach und nach immer hörbarer wird. Da haben wir eben zusammen gemalt und dabei auch sehr viel gelacht, weil wir uns ja nun mal sehr gut kennen. Das hatte sehr viel Leichtigkeit.

Max hat Sie vor einigen Jahren auch zur Oma gemacht. Wie fühlt sich das für Sie an?

Großartig! Für viele Leute hat das ja oft so einen Beigeschmack: "Ich bin nun auch Oma geworden …" Völliger Quatsch! Das ist doch etwas ganz Wunderbares. Mein Sohn ist doch jetzt mehr, er hat sich multipliziert. Und für mich ist es toll, weil man mit einem Enkelchen, bei dem man nicht permanent die Sorgepflicht hat, doch irgendwie lässiger umgehen kann. Eltern können das nicht. Gerade wenn man älter ist, ist der Respekt vor allem, was lebt, auch größer. Wenn man in mittleren Jahren selbst Kinder hat, erachtet man das ja irgendwie als "normal". Aber auch wenn es millionenfach passiert, ist es jedes Mal ein Wunder.

Wir hatten schon Schlagerprinzessin, Diva oder Oma. Mir fällt noch ein Begriff zu Ihnen ein: LGBTQ-Ikone. Manche Künstlerinnen und Künstler rutschen in diese Rolle irgendwie rein. Bei Ihnen hatte man dagegen den Eindruck, dass Sie die Nähe zu dieser Community bewusst gesucht haben ...

Nein, das habe ich eigentlich nicht. Auch da war ich noch ganz jung. Ich war 16, als ich das erste Mal bei "Fremder Mann, schau mich an, du bist schuld daran" mitbekommen habe, dass die schwul-lesbische Community darauf völlig abfährt. Das kam von außen an mich ran, nachdem meine Produzenten mir davon erzählt hatten. Ich war gerade auf der Oberschule und wusste gar nicht so genau, um was es eigentlich geht. Aber ich war und bin ein offener Mensch. Und ich wünsche mir, dass es egal ist, woran jemand glaubt, woher jemand kommt oder was für eine Sexualität jemand hat. Deswegen war ich da ganz weich, inspiriert und offen.

Sie sind dann aber alsbald auch in entsprechenden Clubs aufgetreten …

Stimmt, aber in den 70ern konnte man noch nicht so einfach recherchieren, für was welcher Club steht. Ich hatte ein Management, wurde immer begleitet und konnte keine Verträge alleine unterschreiben - damals war man erst mit 21 Jahren volljährig. So kam es, dass ich dann auch mal in einem Club wie dem "Pulverfass" aufgetreten bin (Hamburger Travestie-Club, Anm. d. Red.). Dort habe ich dann die Männer mit ihren Wahnsinnskleidern und all dem Make-up gesehen. Ich fand das superspannend. Diese Perfektion und Grazie hat mich vollkommen fasziniert.

"Er gehört zu mir" darf definitiv auf keiner queeren Party fehlen. Können Sie selbst das Lied eigentlich noch hören?

Das ist für mich natürlich Fluch und Segen zugleich. In den 80ern habe ich es eher verflucht, weil ich ja nicht mehr die sein wollte, die da von den Plakatwänden lächelte. Aber heute ist es so, dass ich das Repertoire, das die Männer damals für mich geschrieben haben, für diese Zeit sehr fortschrittlich finde. Es hatte wirklich Elemente, die es so in Deutschland damals nicht gab. Eigentlich war es die erste deutsche Popmusik und ich kann mich vor diesen Kompositionen und ihrer Produktion nur verbeugen. Wenn das im Radio läuft, mache ich lauter. (lacht)

Lange hatte man den Eindruck, dass sich die Lebenssituation und auch die Akzeptanz der Menschen in der LGBTQ-Community nach und nach verbessert. Aktuell erleben wir aber ein gesellschaftliches Rollback, in dem auf einmal viele Errungenschaften wieder in Frage gestellt werden. Von staatlich verordneter Homophobie wie in Russland mal ganz zu schweigen. Wie empfinden Sie das?

Genau so, wie Sie es sagen: Wir haben uns da enorm verschlechtert. Das gilt aber generell in Sachen Diskriminierung, Übergriffe und Hass. Deswegen ja "Bunter Planet" - das ist meine Antwort darauf. Ich glaube aber, dass viele Menschen auch verstehen, dass es so nicht bleiben darf - schon gar nicht auf unseren Straßen mit unserer Vergangenheit. Sie verstehen, dass Liebe und Mitgefühl stärker sind als Macht und Geld.

Ein wichtiges Event für die LGBTQ-Community ist jedes Jahr auch der ESC. Für den haben Sie sich mehrfach ohne Erfolg beworben. Wurmt Sie das eigentlich?

Nein, ich bin ja zum Beispiel mit "Er gehört zu mir" im deutschen Vorentscheid durchgefallen. Die Entscheidung hing damals aber nicht vom Publikum ab, sondern von sogenannten Musikredakteuren, die sehr ernste, sehr steife, meistens ältere Männer waren. Sie haben sich für Joy Fleming entschieden (Flemings Song "Ein Lied kann eine Brücke sein" landete beim ESC auf dem drittletzten Platz, Anm. d. Red.). Wäre ich mit "Er gehört zu mir" dort gewesen, hätte ich mindestens den dritten Platz geholt. Das Lied war dann in Deutschland ein Riesenhit. Deshalb wurmt es mich gar nicht - ich bin ja noch zum Zuge gekommen.

Vor knapp einem Monat ist der ESC mal wieder in Malmö über die Bühne gegangen - gewonnen hat Nemo aus der Schweiz. Verfolgen Sie den ESC noch?

Ja, ich fiebere da schon irgendwie mit. Nicht immer. Wir haben auch schon mal mit Freunden verrückte Partys gefeiert, weil wir es nicht mehr richtig ernst genommen haben. Aber in jüngster Zeit interessiert es mich wieder mehr, weil es ja doch immer wieder sehr gute Beiträge gibt. Frankreich mit diesem tollen Mann und seiner tollen Stimme war für mich in diesem Jahr zum Beispiel ein Highlight. Auch die israelische Sängerin fand ich großartig.

Sie erheben zu verschiedenen politischen Themen immer wieder Ihre Stimme. Als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, haben Sie Song-Erlöse spontan gespendet. Sie engagieren sich gegen Rechtsextremismus und positionieren sich dabei auch gegen die AfD. Machen Sie das als Privatperson oder sehen Sie sich auch als Künstlerin in der Pflicht?

Das Wort "Pflicht" würde ich streichen. Aber in meinen Konzerten begegnen sich Leute, die sich sonst nie begegnen würden. Wenn man die Möglichkeit hat, sie anzusprechen und ihnen Liebe und Mitgefühl näherzubringen, muss man die doch nutzen. Erst recht, wenn man sieht, wie gerade alles um einen herum explodiert und Krieg plötzlich wieder ein ganz gewöhnliches Wort in unserer Sprache wird. Für mich ist alles politisch, von der kleinsten gemeinsamen Einheit an. Schon zwei Menschen zusammen sind ein Politikum: nicht oben, nicht unten, neben dir, wie es bei Ton Steine Scherben hieß.

Sie sind selbst die Tochter eines Sinto und Auschwitz-Überlebenden. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn heute zum Beispiel der Antisemitismus wieder Aufwind erfährt?

Das Kind eines Auschwitz-Überlebenden betrachtet die Welt anders. Das betrifft den Respekt vor dem Leben an sich, aber auch die Weltoffenheit - eben nicht danach zu fragen, wo jemand herkommt, woran er glaubt oder welche Sexualität er hat. Ich weiß nicht, ob die Menschen aus der Vergangenheit lernen. Aber wir könnten eine Menge daraus lernen. Vor allem: Es darf nie wieder dahin kommen. Nie wieder.

Im Titelsong Ihres neuen Albums heißt es: "Wir werfen Blumen gegen Kriege, dürfen jeden lieben." Und weiter: "Bunter Planet, ich kann ihn schon sehen." Blicken Sie trotz allem optimistisch in die Zukunft?

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Ich glaube an uns. Wenn wir geboren werden, sehen wir Mutter oder Vater an und erwarten Liebe. Wir haben das von Anfang an Bord. Das heißt: Wir müssen es nur aktivieren. Meine Botschaft ist: Lass es Liebe sein. Wenn andere mich deshalb auslachen, antworte ich mit John Lennon: Imagine.

Mit Marianne Rosenberg sprach Volker Probst

Quelle: ntv.de

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