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Wie bei Familie Block-Hensel Was hochstrittige Trennungen für die Kinder bedeuten

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Von dieser elterlichen Eingkeit können die Kinder von Christina Block und Stephan Hensel nur noch träumen.

Von dieser elterlichen Eingkeit können die Kinder von Christina Block und Stephan Hensel nur noch träumen.

(Foto: picture alliance /)

Wenn zehn Jahre nach der Trennung noch immer um jedes Detail beim Umgang mit den Kindern gestritten wird, ist vieles schiefgelaufen. Diese hochstrittigen Trennungen, wie im Fall der Steakhaus-Erbin Christina Block, werden offenbar häufiger und haben verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Kinder.

Bis vor Kurzem dürften die wenigsten in die Familienverhältnisse der Steakhaus-Erbin Christina Block eingeweiht gewesen sein. Das hat sich seit der Silvesternacht geändert, als Unbekannte Blocks Ex-Mann Stephan Hensel niederschlugen und die beiden jüngsten Kinder des Paares nach Deutschland brachten. Seitdem wird der Sorgerechtsstreit des früheren Paares in all seinen juristischen Verästelungen medial begleitet.

Block und Hensel haben vier gemeinsame Kinder. Die älteste Tochter lebt Medienberichten zufolge auf eigenen Wunsch beim Vater in Dänemark, die zweitälteste Tochter bei der Mutter in Hamburg. Umstritten sind jedoch der Aufenthalt der 13-jährigen Tochter und des zehnjährigen Sohnes.

2014 ging die Beziehung des Paares in die Brüche, 2018 folgte die Scheidung. Bis 2021 sind die Kinder regelmäßig beim Vater, haben ihren Lebensmittelpunkt aber bei der Mutter in Hamburg, doch im August 2021 bringt Hensel Sohn und Tochter nicht wieder dorthin zurück. Die älteste Tochter bleibt ebenfalls in Dänemark. Der Vater erhebt Gewaltvorwürfe gegen die Mutter, die allerdings nie bewiesen werden. Die Mutter erhält gerichtlich die Zusage, dass sie die Kinder alle 14 Tage sehen kann, aber das geschieht nicht. Das Ergebnis sind vier Kinder, die jeweils zu einem Elternteil, zu den Großeltern und auch zu einigen Geschwistern keine regelmäßige Beziehung haben und dadurch psychisch vermutlich extrem belastet sind.

Langanhaltende Rachegefühle

Das geschieht gar nicht so selten. Dem Statistischen Bundesamt zufolge wurden 2022 in Deutschland rund 137.400 Ehen geschieden, insgesamt waren mehr als 115.800 Minderjährige von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass fünf bis zehn Prozent aller Trennungen und Scheidungen "hochstrittig" sind. Julia Bleser vom Verein Elternfrieden e.V. sagt ntv.de, sie habe den Eindruck, es gebe immer mehr dieser hochstrittigen Trennungen.

Der Verein begleitet seit Jahren Mütter und Väter, bei denen auch lange nach den Trennungen keine Ruhe einkehrt. Das kann bedeuten, dass sich die früheren Partner und Eltern nicht auf Umgangs- oder Sorgerechtsregeln einigen können, diese nicht einhalten oder die Erziehungsentscheidungen des anderen permanent infrage stellen oder unterlaufen.

Bleser sieht immer wieder ähnliche Ausgangslagen. Bei Trennungen komme es regelmäßig zu emotionalen Verletzungen, beispielsweise wenn ein Partner den anderen verlässt, sagt sie. "Oftmals werden diese Verletzungen nicht mit professioneller Hilfe verarbeitet, sondern über die Kinder ausgelebt", so die Kommunikationspsychologin. Dabei gehe es darum, den anderen Elternteil zu bestrafen oder ihm etwas heimzuzahlen. "Meist geht es erst über die finanziellen Mittel los und dann werden die Kinder entzogen, beispielsweise, indem das Kind immer dann krank wird, wenn der Umgang mit dem anderen Elternteil ansteht." Oder sie werden nach dem Wochenende oder den Ferien einfach nicht zurückgebracht, wie im Fall Block-Hensel.

Kinder nicht mehr im Fokus

Fachleute sehen, dass bei diesen Elternpaaren das Streitniveau auch nach längerer Zeit nicht abnimmt. Stattdessen flammen ständig neue Konflikte auf, die zum Teil auch immer wieder gerichtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Mediations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote sind erfolglos, auch wenn sie wahrgenommen werden. Für das elterliche Handeln werden häufig irrationale, für Dritte nicht mehr nachvollziehbare Begründungen hervorgebracht, bei denen das andere Elternteil dann auch noch dämonisiert wird. Die Kinder stehen in diesen Auseinandersetzungen um der Auseinandersetzungen willen mindestens bei einem Elternteil nicht mehr im Fokus.

Bleser hat im Zuge ihrer Masterarbeit festgestellt, dass oft auch Dritte in der Elterndynamik eine Rolle spielen. "Es kann eine Zeit lang gut funktionieren, man hat Absprachen, dann kommen neue Partnerinnen und Partner hinzu und stellen das vielleicht mit Bemerkungen infrage." Häufig werde schlecht über das andere Elternteil gesprochen. Bleser zufolge handelt es sich dabei nicht um unbedachte Bemerkungen an einem schlechten Tag, sondern um systematische Abwertungen. "Man hört das schon, wie sich die Eltern gegenseitig regelrecht in den Dreck ziehen." Das gehe hin bis zu schwerwiegenden Unterstellungen wie Gewaltausübung oder Suchterkrankungen.

Die Folgen für die Kinder sind meist verheerend. Ein anhaltend hohes Konfliktniveau zwischen den Eltern ist für die betroffenen Kinder und Jugendlichen eine riskante Entwicklungsbedingung, die häufig in eine Gefährdung und tatsächliche Beeinträchtigung des Kindeswohls mündet, belegen Studien. Berichtet wird von psychosomatischen Beschwerden, Depressionen, Ess- und Angststörungen, schlechteren schulischen Leistungen, Neigung zu Gewalt und antisozialem Verhalten, ausgeprägtem Suchtverhalten bis hin zu höheren Neigungen zu Suizidalität.

Bleser sieht diese Auswirkungen in der Arbeit immer wieder. "Bei Mädchen äußert sich das oft in einer nach innen gerichteten Haltung, einem erheblichen Mangel an Selbstwert, der aber so schädigend ist, dass sie sich gar nicht lieben können." Die Expertin sieht darin eine logische Folge der Entfremdung von einem Elternteil. Indem man einem Kind abverlangt, einen Elternteil abzulehnen, müsse es auch einen Teil von sich selbst ablehnen. "Ich muss mein Herz in zwei Hälften teilen, nur noch zu einer Seite halten und die andere hassen." Das entspreche aber nicht der Natur des Kindes und dadurch entstünden selbstzerstörerische Prozesse. Bei Jungen zeige sich das eher in aggressivem Verhalten und einer starken Tendenz zu Suchtverhalten.

Verlust von vielen Bezugspersonen

In den Gerichtsunterlagen aus dem Block-Hensel-Fall, aus denen die "Zeit" zitiert, warf das Hamburger Oberlandesgericht dem Vater "Bindungsintoleranz" vor, also, dass er den Umgang der Kinder mit der Mutter verweigert. Umgekehrt argumentieren dessen Anwälte, dass die Kinder in den vergangenen beiden Jahren, die sie beim Vater verbrachten, in keinem der zahlreichen Verfahren geäußert hätten, zu ihrer Mutter zurückkehren zu wollen. Sie hätten sie nicht einmal treffen wollen.

Die Expertin von Elternfrieden e.V. weist darauf hin, dass die Aussagen von Kindern in hochstrittigen Trennungen schwer zu beurteilen sind. In Gerichtsverfahren werde aber auch "ein manipulierter Kindeswille als Kindeswille" akzeptiert. Für nicht psychologisch ausgebildete Richterinnen und Richter sei die mögliche Manipulation durch ein Elternteil ohnehin kaum nachzuweisen. Normalerweise möchten Kinder mit Vater und Mutter gleichermaßen Kontakt und Nähe. Sei dies nicht der Fall, müsse man von massiven Störungen in der Beziehung ausgehen.

Gleiches lässt sich auch für die Geschwisterbeziehungen sagen. Die vier Block-Hensel-Geschwister haben seit Jahren keinen Alltag mehr miteinander und geraten durch die Festlegung auf ein Elternteil immer wieder in Konflikte, weil sie die Auseinandersetzung der Eltern nicht lösen können. "Sie verlieren nicht nur die Mutter oder den Vater, sondern sehr viele Bezugspersonen gleichzeitig", schätzt Bleser ein.

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Juristisch lasse sich der Fall kaum lösen, meint die Expertin. Solange nicht beide Eltern wieder zu Gesprächsbereitschaft und Kompromissfähigkeit zurückkehren und das Wohlergehen der Kinder zu ihrer Hauptaufgabe machen, werde sich die Situation nicht verbessern. Der Familienrechtler Alexander Ganz sagte ntv.de, entscheidend sei, dass es den Kindern gut gehe. "Ob man an diesem Ziel mitarbeitet oder nicht, daran würde ich auch die sorgerechtliche Kompetenz der Eltern messen."

Da die Fälle sehr individuell sind, gibt es keine Pauschallösungen. Selbst, wenn die Situation noch so festgefahren erscheint, empfiehlt Bleser in der Beratung, mit professioneller Hilfe zum Wohl der Kinder aufeinander zuzugehen. Sie sollten sich bewusst machen, was ein jahrelanger Elternkrieg insbesondere bei den dadurch traumatisierten Kindern für Spuren hinterlassen wird, egal ob die Eltern dies wahrhaben wollen oder nicht.

Quelle: ntv.de

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