
Die CDU, offen nach allen Seiten.
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Inhaltlich geht es beim Parteitag in Köln vor allem um die Wirtschaft. Wichtiger jedoch sind die strategischen Signale, die von Köln ausgehen. Erkennbar ist: Die CDU will in fast alle Richtung offen sein. Die Überraschung: Das könnte klappen.
Viel war von Konrad Adenauer die Rede am ersten Tag des CDU-Parteitags in Köln. Kein Wunder: Adenauer war gebürtiger Kölner und lange Oberbürgermeister der Stadt, er war der erste CDU-Vorsitzende und der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Auch Angela Merkel, seine Nachfolgerin in beiden Ämtern, kam nicht umhin, Adenauer zu zitieren: "Ich meine, in einer Periode, in der alles fließt, kommt es darauf an, ob man von Anfang an die richtige Richtung eingeschlagen und sie gesichert hat; das ist das entscheidende." Adenauer sagte diesen Satz 1963, er findet sich auf einer Seite mit Adenauer-Zitaten unter der Überschrift "Herausforderungen und Gefahren".
Auch auf die CDU, man verzeihe die Plattitüde, warten Herausforderungen und Gefahren. Seit einiger Zeit sieht sich die Union einer Herausforderung von rechts gegenüber, der AfD. Zugleich hat die Partei ihren "natürlichen Koalitionspartner" verloren - auch wenn Merkel in ihrer Rede genau diese Bezeichnung für die FDP wählte: "Sie ist und bleibt unser natürlicher Koalitionspartner", sagte sie und weckte damit für einen Moment den Eindruck, sie sehne sich nach der mitunter sehr chaotischen schwarz-gelben Koalition zurück.
Verstärkt wurde dieser Eindruck durch Merkels scharfe Kritik an der SPD-geführten Regierung von Nordrhein-Westfalen und ihre Attacken auf die Beteiligung der SPD an der rot-rot-grünen Regierung in Thüringen. Ganz offensichtlich wollte sie eine Botschaft platzieren: Die Große Koalition mag effizient und geräuschlos arbeiten - wir wollen sie trotzdem 2017 nicht fortsetzen.
"Schade drum!"
Aber wer soll die SPD ersetzen, wenn die FDP weiterhin ausfällt? In der Aussprache nach Merkels Rede kritisierte ein Vertreter der viel zitierten Basis, der Erfolg der AfD zeige, dass die CDU ihre konservativen Wurzeln verloren habe. Das blieb, obwohl der Mann sogar ein bisschen Applaus bekam, eine Einzelmeinung. Ansonsten war von der AfD kaum die Rede. Der thüringische CDU-Fraktionschef Mike Mohring attackierte in seiner Bewerbungsrede vor den Wahlen zum Bundesvorstand lieber die Linken, als die AfD zu erwähnen.
Mehr als von SPD, FDP oder AfD wurde über Schwarz-Grün gesprochen. "Wir wären bereit gewesen, eine solche Koalition zu wagen", sagte Merkel den Delegierten, es ist die offizielle CDU-Version von der Geschichte der gescheiterten Sondierungsgespräche. "Manche Grüne waren's nicht - schade drum!" Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier erhielt Applaus, nur weil er sagte, dass er eine Koalition aus CDU und Grünen führe. Dann wies er darauf hin, dass es nur zwei Bundesländer gebe, in denen die SPD nicht an der Regierung beteiligt sei: Bayern und Hessen. Dafür gab es ebenfalls Applaus: "Wir haben traditionelle Grenzen überwunden, aber wir haben unsere Identität nicht aufgegeben", sagte Bouffier.
CDU könnte schaffen, wovon Grüne und FDP träumen
Selbst der thüringische CDU-Fraktionschef Mohring, der als Vertreter des konservativen Flügels gilt, sieht Schwarz-Grün als realistische Option. "Wenn Volker Bouffier in Hessen so erfolgreich bleibt wie bislang, dann ist Schwarz-Grün ein Modell für den Bund 2017", sagte Mohring im Gespräch mit n-tv.de. Eine Kooperation mit der AfD im Thüringer Landtag schloss er aus: "In der Opposition gibt es keine Zusammenarbeit."
Mohring sieht den derzeitigen Erfolg der AfD keineswegs als Anlass, die CDU strategisch oder inhaltlich neu auszurichten. "Die Mehrheit von Rot-Rot-Grün brechen wir nicht im Wettbewerb mit der AfD darum, wer die konservativere Politik macht - wir machen Politik aus der Mitte heraus."
Welches Signal geht also von dem Parteitag aus? Neigt die Union zu den Grünen oder zur AfD, zu den Liberalen oder zur SPD? Die Antwort darauf gibt Merkels Adenauer-Zitat. Mit wem die CDU in Zukunft regieren kann oder muss, ist nicht planbar. Bis mindestens 2017 dürfte die Union sich so deutlich wie möglich von der AfD abgrenzen und Koalitionen mit ihr kategorisch ausschließen. Alles andere lässt die CDU auf sich zukommen.
Bei FDP und Grünen hieß diese Strategie Äquidistanz oder Eigenständigkeit. Beide Parteien haben es nie wirklich geschafft, diesen Kurs durchzuhalten - faktisch verstanden sich die Liberalen, als sie noch eine relevante politische Kraft waren, als Juniorpartner der Union; viel eigenständiger ist das Verhältnis der Grünen zur SPD nicht. Die Christdemokraten dagegen könnten schaffen, zu allen Seiten offen zu sein. Denn sie haben, was Grünen und Liberalen häufig fehlt: Sie platzen vor Selbstbewusstsein.
Quelle: ntv.de