Politik

Nemzow, Politkowskaja & Co. In Putins Russland lebt es sich gefährlich

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Kreml-Kritiker (v.l.): Litwinenko, Politkowskaja und Nemzow.

(Foto: dpa (3))

Noch ist völlig unklar, wer Boris Nemzow in der Nacht kaltblütig erschoss. Doch der russische Oppositionelle galt als einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Und er ist nicht der erste, dem das zum Verhängnis wurde.

Am Freitagabend schreibt Boris Nemzow auf seiner Facebook-Seite. Es ist ein Aufruf zum Antikriegsmarsch seiner Bewegung "Frühling" am 1. März, sein letztes Lebenszeichen. Drei Stunden später postet ein Anhänger "Boris Nemzow, ich glaube es nicht!". Es ist der Anfang einer scheinbar nicht enden wollenden Flut an traurigen und wütenden Beileidsbekundungen. Ein User urteilt: "Wer davon profitiert, ist klar."

Es passierte kurz vor Mitternacht, Nemzow lief mit einer Bekannten im Zentrum Moskaus über die Große Moskwa-Brücke. Doch die andere Seite sollte er nicht mehr erreichen. Aus einem Auto feuerte ein Attentäter sechs Mal auf den 55-Jährigen. Vier Kugeln trafen ihn am Rücken, Nemzow starb noch am Tatort. Die Hintergründe der Tat sind noch unbekannt. Sicher ist: Mit Nemzow  verliert die politische Opposition Russlands einen ihrer wenigen Hoffnungsträger. Nemzow ist nicht der erste Kritiker von Präsident Wladimir Putin, der in den vergangenen Jahren plötzlich gestorben ist oder auf andere Weise beiseite geschafft wurde:

Boris Beresowski: Der Ex-Oligarch wurde am 23. März 2013 tot in seinem Haus in London gefunden. Er starb offenbar an Strangulierungen. Auch nach einer Untersuchung blieb die Todesursache jedoch ungeklärt. Der Medien- und Aluminiumunternehmer war einer der mächtigen Wirtschaftsbosse Russlands und hatte sich offen gegen Putin gestellt. Schon in den 90ern wurden mehrere Attentate auf ihn verübt. 2000 erhielt Beresowski politisches Asyl in Großbritannien. In Abwesenheit wurde er in Russland mehrmals verurteilt und galt als Staatsfeind Nummer eins. Beresowski behauptete immer wieder, Putin zum Nachfolger von Präsident Boris Jelzin gemacht zu haben. Am Abend vor seinem Tod gab er dem "Forbes"-Magazin ein Interview. Darin redete er über eine Rückkehr nach Russland. Über Putin sagte Beresowski, er halte ihn für fähig, jeden seiner Feinde zu töten.

Alexander Litwinenko: Der Ex-KGB-Spion wurde 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet. Der Fall ist bis heute ungeklärt und wird in London gerade erneut aufgerollt. Auf dem Sterbebett machte Litwinenko Putin für seinen Tod verantwortlich. Der Hauptverdächtige ist der russische Duma-Abgeordnete und frühere Geheimdienstmann Andrej Lugowoi. Litwinenko hatte sich mit dem Kreml überworfen und war nach Großbritannien ausgewandert. Später recherchierte er zur Yukos-Zerschlagung und zum Tod der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Als Geheimdienstmann wurde er mit der Ermordung Beresowskis beauftragt. Mit diesem unterhielt Litwinenko später jedoch ein freundschaftliches Verhältnis.

Anna Politkowskaja: Die kremlkritische Journalistin wurde am 7. Oktober 2006, dem Geburtstag von Putin, im Treppenhaus ihres Wohnhauses erschossen. Ein Auftragsmord, wie sich später herausstellt. Ein Verdächtiger wurde 2009 aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Im Juni 2014 wurden schließlich fünf Beteiligte zu Straflager-Haft verurteilt. Die Hintermänner des Mordes sind jedoch bis heute unbekannt. Politkowskaja hatte viele Berichte über den Tschetschenien-Krieg geschrieben und dem Kreml eine Mitverantwortung gegeben.

Michail Chodorkowski: Der früher Yukos-Chef ist nicht tot, aber auch er hat das System Putin zu spüren bekommen. Bevor er Unternehmer wurde, war Chodorkowski in den 90ern politischer Berater und stellvertretender Energieminister. 2003 wurde der frühere Milliardär wegen Betrugs- und Steuerhinterziehung zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Der Fall sorgte international für Aufsehen. 2006 griff ein Mithäftling ihn mit einem Messer an. Chodorkowski wurde schwer verletzt, aber er überlebte. Ende 2013 begnadigte Putin ihn überraschend. Seitdem lebt er im Schweizer Exil. Im vergangenen Jahr gründete er die proeuropäische Protestbewegung "Offenes Russland".

Alexei Nawalny: Der 38-Jährige ist einer der letzten verbliebenen Hoffnungen der russischen Opposition. Bei den Bürgermeisterwahlen in Moskau erhielt Nawalny, der sich als Blogger einen Namen machte, im September 2013 überraschend 27 Prozent der Stimmen. Seit Februar 2014 steht er unter Hausarrest. Im Dezember verurteilte die russische Justiz Nawalny zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung. Gemeinsam mit seinem Bruder soll er den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um umgerechnet knapp eine halbe Million Euro betrogen haben. Obwohl Yves Rocher den Vorwurf zurücknahm, sprach das Gericht die Brüder schuldig.

Am 1. März wollte die russische Opposition um Nemzow in Moskau eigentlich eine Demonstration veranstalten, doch diese wurde nun abgesagt. Am 1. Mai soll stattdessen ein Gedenkmarsch in der russischen Hauptstadt stattfinden. Einige Oppositionelle dürften sich ihre Teilnahme gut überlegen, denn in Putins Russlands lebt es sich gefährlich.

Quelle: ntv.de, cro

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