Beschlüsse vor Scholz-Treffen Länder fordern verkürzte Asylverfahren und Bezahlkarten
13.10.2023, 19:09 Uhr Artikel anhören
Wer eine geringe Anerkennungsquote hat, dessen Antrag soll beschleunigt bearbeitet werden. Das sei zielführender als die Debatte, um die Sicherheit des Herkunftslandes, sagte Ministerpräsident Weil.
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Nach dem Willen der Ministerpräsidenten soll der Asylantrag von Menschen, die kaum Bleibeperspektive in Deutschland haben, innerhalb von drei Monaten abgewickelt werden. Zudem solle eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber kommen. Auch hinsichtlich einer Finanzspritze vom Bund äußerten die Länderchefs klare Vorgaben.
Vor dem Spitzentreffen mit dem Kanzler zur Migration haben die Bundesländer Druck gemacht für eine bessere Steuerung der Zuwanderung. Asylverfahren für Angehörige von Staaten, deren Anerkennungsquote in Deutschland weniger als fünf Prozent beträgt, sollten binnen drei Monaten rechtskräftig abgeschlossen werden und die Voraussetzungen zur Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte für Asylbewerber geschaffen werden, hieß es zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Frankfurt am Main. Die unter dem Vorsitz Hessens tagenden Ministerpräsidenten berieten auch noch über andere Themen, wie etwa die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets.
Am Abend treffen sich der hessische Regierungschef und derzeitige MPK-Vorsitzende Boris Rhein von der CDU und sein niedersächsischer SPD-Amtskollege Stephan Weil in Berlin mit Scholz und Unionsfraktionschef Friedrich Merz, um über die Migrationspolitik zu sprechen. Scholz hatte dazu ins Kanzleramt eingeladen. Entscheidungen werden aber erst bei der nächsten MPK am 6. November erwartet, an der auch Scholz teilnehmen wird. Hintergrund sind die deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen in Deutschland.
Asylverfahren von Menschen mit geringer Bleibeperspektive sollen nach dem Willen der Länder künftig schneller abgewickelt werden. "Bund und Länder haben das gemeinsame Ziel, Asylverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, zügiger als bisher rechtskräftig abzuschließen", heißt es in einem Beschluss der Ministerpräsidenten. Erklärtes Ziel sei es, das Asylverfahren und das darauf oft folgende Klageverfahren jeweils in drei Monaten abzuschließen. Sofern nötig, würden dafür die personellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Bei den Asylverfahren ist der Bund in der Pflicht, genauer gesagt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Verwaltungsgerichtsverfahren betreffen die Justizbehörden der Länder.
Konsequentere Rückführung, wenn Gewaltverbrechen verübt
Ermöglicht werden solle die Beschleunigung der Asylverfahren mit einer prioritären Bearbeitung der Anträge von Menschen aus Staaten mit einer geringen Anerkennungsquote, erklärte Weil. Das sei ein praktischer Schritt, der mehr bewirke als die seit Jahren geführte Debatte darüber, welche weiteren Länder als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollten. Rhein sagte, man wolle "zu einer Harmonisierung von Sozialleistungsstandards" für Asylbewerber und Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union kommen. Er warnte hier jedoch unter Verweis auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz vor überzogenen Erwartungen.
Die Länder dringen zudem auf eine schnellere und konsequentere Rückführung abgelehnter Asylbewerber, insbesondere von denjenigen, die schwere Straftaten oder Gewaltverbrechen verübten. Es gehe um die "Steuerung" der Migration und die Rückführung illegaler Flüchtlinge, sagte Rhein. Die Fehlanreize für einen längeren Verbleib müssten gesenkt, Sozialleistungsstandards innerhalb der EU harmonisiert werden - allerdings immer auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Weil sprach von einer "Migrationspolitik, die Humanität und Ordnung zusammenbringt".
Länder wollen 10.500 Euro pro Migrant vom Bund
Die Ministerpräsidenten bekräftigten ihre Forderung nach deutlich mehr Geld für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. "Hier muss der Bund sich signifikant bewegen, das ist klar", sagte Rhein, der in Hessen gerade eine Landtagswahl gewonnen hat. In ihrem Beschluss verlangten die Länder vom Bund jährlich eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie pro Migrant mindestens 10.500 Euro. Außerdem soll er die Unterkunftskosten vollständig übernehmen. Weil sagte, viele Kommunen seien finanziell überlastet. "Wenn es schon schwer ist für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dann müssen sie doch mindestens den Eindruck haben, dass sie so gut als irgend möglich von ihrem Staat unterstützt werden." Die Länder täten dies. "Unsere Erwartung ist, dass der Bund an dieser Stelle nachzieht."
Die Ministerpräsidenten forderten die Bundesregierung auch auf, in enger Abstimmung mit den Ländern "zeitnah die Voraussetzungen zur Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte zu schaffen und dabei die Umsetzbarkeit in den Kommunen sicherzustellen". Die Option, dass Geflüchtete einen "klar begrenzten Teil" des Leistungssatzes in bar als Taschengeld erhalten, solle geprüft werden. "Das macht nur Sinn, wenn es bundeseinheitlich ist", betonte Rhein. Ferner sollen Geflüchtete schneller als bisher eine Arbeit aufnehmen oder gemeinnützige Arbeiten leisten können. Die Bundesregierung solle zudem prüfen, ob Abschiebungen unmittelbar aus Einrichtungen des Bundes erfolgen könnten, etwa an größeren Flughäfen.
Bayern fordert weiter "Integrationsgrenze"
Bremen hielt in einer Protokollerklärung fest, man sei gegen "diskriminierende Maßnahmen wie etwa weitere, über die gegenwärtige Rechtslage hinausgehende, Arbeitspflichten oder Bezahlkarten, die keine Bargeldabhebungen ermöglichen". Auch Thüringen war mit einzelnen Punkten nicht einverstanden. Bayern wiederholte die Forderung von CSU-Ministerpräsident Markus Söder nach einer "Integrationsgrenze" bei der Asylzuwanderung und betonte, dafür seien "Rechtsänderungen auch verfassungsrechtlicher Art" zu prüfen und zu diskutieren.
Weil zeigte sich gleichwohl erleichtert über die generelle Einigung. Die Ministerpräsidenten seien sich der Stimmung in der Bevölkerung sehr bewusst. "Wir sind fest entschlossen, alle miteinander das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen", betonte Weil. Rhein dankte Scholz ausdrücklich für das am heutigen Freitagabend im Kanzleramt geplante Gespräch über Migrationsfragen: "So, glaube ich, kann man ein Land wirklich so führen, dass die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, die kümmern sich, die haben das im Griff und die machen große Schritte."
Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP