Politik

Solidarität mit Deutschland? Madame Guigou weicht der Frage aus

Élisabeth Guigou, die Vorsitzende des Außenausschusses der französischen Nationalversammlung, und Norbert Röttgen, ihr deutscher Kollege, bei der Pressekonferenz in Berlin.

Élisabeth Guigou, die Vorsitzende des Außenausschusses der französischen Nationalversammlung, und Norbert Röttgen, ihr deutscher Kollege, bei der Pressekonferenz in Berlin.

(Foto: dpa)

Im Kampf gegen den IS betont die Bundesregierung ihre Solidarität mit Frankreich. Aber wie sieht es mit Frankreichs Solidarität in der Flüchtlingskrise aus? Auf diese Frage gibt es französische Floskeln und eine deprimierende deutsche Diagnose.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, Norbert Röttgen, und seine Kollegin aus Frankreich, Élisabeth Guigou, wollen Solidarität demonstrieren. In Zeiten wie diesen merke man, wie wichtig es sei, dass es eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit und Solidarität gebe, sagt Röttgen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin.

Guigou ergänzt, dass die Gesten der Solidarität aus Deutschland die Franzosen nach den Anschlägen von Paris getröstet hätten. Doch dann ist sie schnell bei der konkreten Politik. Im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat brauche man eine politische Lösung, aber militärische Maßnahmen seien unerlässlich. Man habe Verständnis für die deutsche Tradition der militärischen Zurückhaltung, so die Französin, und man wisse, dass es in Deutschland verfassungsrechtliche Hürden gebe. Umso mehr wisse man die Hilfe zu schätzen, die am morgigen Freitag im Bundestag beschlossen werden soll. Es dürfe nicht beim Handeln einzelner europäischer Nationen bleiben, sagt Röttgen noch, Europa sei als Ganzes gefordert. Die Krise sei eine Chance, Europa zu einem "Friedensakteur" zu machen.

"Die objektive Lage ist unterschiedlich"

Was macht Russland?

Beim Verhältnis zu Russland scheint, bei aller Solidarität, eine deutsch-französische Differenz durch. Norbert Röttgen sagte in der gemeinsamen Pressekonferenz, von einem entschlossenen Kampf gegen den IS könne man mit Blick auf Russland "leider noch nicht reden". So greife die russische Luftwaffe auch die turkmenische Bevölkerung an der Grenze zur Türkei an. Élisabeth Guigou wies darauf hin, Russlands Präsident Wladimir Putin habe sich im Gespräch mit Hollande dazu verpflichtet, nur noch Stellungen des IS anzugreifen.

Dann fragt ein französischer Journalist Guigou, ob es die gleiche Solidarität, die Frankreich jetzt von Deutschland erfahre, nicht auch aus Frankreich geben könne, und zwar mit Blick auf die Flüchtlingskrise. Sie holt für ihre Antwort weit aus. Am Abend der Attentate, am 13. November, hätten Präsident François Hollande und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen auf der Ehrentribüne des Stade de France gesessen, um sich das Freundschaftsspiel ihrer Länder anzusehen. Als Hollande das Stadion verließ, um sich zu informieren und Anordnungen zu treffen, sei Steinmeier sitzen geblieben, damit die Ehrentribüne nicht leer bleibe. Er habe so dazu beigetragen, dass keine Massenpanik ausbrach.

Guigou erzählt diese Geschichte vermutlich, um zu demonstrieren, wie gut die deutsch-französische Solidarität funktioniert. "Wir müssen uns noch solidarischer zeigen, was die Probleme unserer Länder angeht", fügt sie hinzu. Aber gilt das auch für die Flüchtlinge? Die "objektive Lage" in Deutschland und Frankreich sei unterschiedlich, Frankreich befinde sich nicht in einer so günstigen wirtschaftlichen Situation wie Deutschland, "wir sind weniger attraktiv". Guigou spricht darüber, dass die Verteilung der Flüchtlinge in Europa noch nicht gut genug funktioniere, "das muss man leider feststellen". Sie spricht über das Schengen-System, das ebenfalls verbessert werden müsse, über die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Kontrolle der Außengrenzen und darüber, dass man Griechenland helfen müsse, ein effizientes System der Grenzkontrollen einzurichten. "Aber wir müssen uns in allen Bereichen solidarischer zeigen." Was das bedeutet, sagt Madame Guigou nicht.

"Europa war noch nie in so schlechter Verfassung"

Röttgen plädiert für mehr europäisches Engagement im Nahen Osten. Zu lange habe Europa diese Region den Amerikanern überlassen. Ob man zu spät auf den Bürgerkrieg in Syrien und die Flüchtlingsbewegung reagiert habe, will ein Journalist wissen. Die Antwort des CDU-Politikers ist ein klares Ja: Die Fakten seien bekannt gewesen, "aber wir haben es vorgezogen zu verdrängen, zu verschweigen, nicht zu reagieren". Europa habe "den bequemen Weg des Wegschauens" gewählt.

Kritik an Frankreich kommt Röttgen nicht über die Lippen, nicht einmal andeutungsweise. Allerdings sagt er, die Europäische Union sei noch nie so stark von außen herausgefordert worden und noch nie im Inneren in so schlechter Verfassung gewesen. Die Krise der EU sei "im Kern eine Krise der Solidarität". Konkret spricht er die Jugendarbeitslosigkeit in Europa an, "die ich für nicht kompatibel mit der Demokratie halte". Aber er sagt auch, dass Solidarität "im Umgang mit der europäischen Herausforderung der Flüchtlingskrise" nötig sei, wobei er das Wort "europäisch" betont. Diese Krise sei "kein deutsches Problem, das ist eine europäische Herausforderung".

Quelle: ntv.de

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