Razzia beim DFB Chance auf Aufklärung grandios versemmelt
03.11.2015, 21:19 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Eine Razzia in der DFB-Zentrale sowie in den Privathäusern von Verbands-Präsident Wolfgang Niersbach, seines Vorgängers Theo Zwanziger und von Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt sorgt für einen Paukenschlag in der Affäre um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Dabei geht es um eine ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband im Zusammenhang mit der WM-Vergabe. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Für die Kommentatoren der deutschen Zeitungen sind die Durchsuchungen ein logischer Schritt.
Die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle findet: "Vom Einsatz der Steuerfahndung geht ein wichtiges Signal aus, das vielleicht sogar den DFB erreicht. Man wird in Frankfurt nicht mehr so tun können, als sei die Aufklärung der Vorgänge um die Vergabe der Fußball-WM von 2006 eine verbandsinterne Angelegenheit, die man in eingespielten Mustern nach Gutsherrenart beheben kann", denn "die aktuelle Führung des DFB hat sich als handlungsunfähig erwiesen. Sie wird das Feld räumen müssen."
Die Emder Zeitung kommentiert die Lage als "Unfassbar!" und meint: "Da muss man sich nicht wundern, dass gewisse Herren selbstherrlich die Bodenhaftung verlieren und der Betrug zur Normalität wird. Aber beschuldigt werden jetzt doch die vermeintlichen Betrüger. Und ihnen werden die zehn Jahre teuer zu stehen kommen, wenn ihnen noch etwas nachzuweisen ist."
Ähnlich empört textet die Volksstimme aus Magdeburg. Sie nennt den Skandal "unsäglich" und verweist auf Parallelen zu mafiöse Strukturen: "Al Capone war einer der berüchtigsten Verbrecher der USA. Glücksspiel, Prostitution, Alkohol, Schutzgelderpressung, Mord. Sicher auch Geldwäsche und Schmiergeldzahlungen. Sein Repertoire war groß, nachzuweisen war nie etwas. Letztlich landete der Gangsterboss von Chicago wegen Steuerhinterziehung hinter Gittern. So ähnlich kommt einem momentan die Affäre beim Deutschen Fußball-Bund vor. Seit drei Wochen stehen viele Vorwürfe im Raum, im Zentrum steht eine ungeklärte 6,7-Millionen-Euro-Zahlung. Da der DFB bisher so gut wie nichts zur Aufklärung beigetragen hat, im Gegenteil, mit der unsäglichen Pressekonferenz von Präsident Wolfgang Niersbach noch mehr Fragen aufwarf, hat sich nun eben die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main eingeschaltet. Und ermittelt wegen eines Steuervergehens. Ausgang? Ungewiss."
Der Mannheimer Morgen leitet aus dem Skandal eine klare Forderung ab: "Nachdem die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung eingeleitet hat, ist Wolfgang Niersbach als Präsident des größten Sport-Fachverbands der Welt endgültig nicht mehr tragbar. Er muss die Verantwortung für die aus dem Ruder gelaufene Affäre übernehmen und zurücktreten. Die Frage, was sich Niersbach selbst im Vorfeld des 'Sommermärchens' hat zu Schulden kommen lassen und ob ein mögliches Fehlverhalten sogar strafrechtlich relevant sein könnte, ist dabei überhaupt nicht mehr entscheidend. Der gelernte Sportjournalist hat als Krisenmanager versagt, er hat sich in Widersprüche verstrickt und durch sein unbeholfenes Lavieren in der offenen Millionenfrage erst recht den Eindruck erweckt, die DFB-Spitze müsse etwas vertuschen."
Diesem Urteil folgen auch andere Kommentatoren. So zum Beispiel die Südwest Presse aus Ulm, die meint: "Wer bringt Licht in das unerträgliche Dunkel rund um das arg verblasste Sommermärchen des Jahres 2006? Wer hat die zweifellos unlauteren Geschäfte in diesem Zusammenhang zu verantworten? Und welche Konsequenzen sind die Verbandsoberen zu ziehen bereit? Es ist allerhöchste Zeit, dass Präsident Wolfgang Niersbach, sein Vorgänger Theo Zwanziger und auch Franz Beckenbauer alle Fakten auf den Tisch legen. Niersbach, der Verbandsoberste, sollte sein Amt ruhen lassen, bis die Vorwürfe gegen ihn bis ins Detail entkräftet sind."
Auch die Heilbronner Stimme stimmt in den Chor der Forderung ein, denn: "Auch wenn die Unschuldsvermutung gilt, muss der DFB-Präsident schon aus moralischen Gründen zurücktreten - als Vorbild für die Basis dient Wolfgang Niersbach längst nicht mehr. Beim DFB gibt es offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein. Und keine Kontrollorgane. Die wahren Profis sind im Fußball an der Amateurbasis zu finden. In der Frankfurter Zentrale sitzen dagegen Amateure. Es wird Zeit, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden."
Auch die Westfälischen Nachrichten aus Münster heben auf die großangelegte Vorbildfunktion ab: "Der DFB, immerhin ein steuerprivilegierter Verband, ist nicht nur Fußball-Weltmeister 2014, sondern trägt viel zum Zusammenhalt dieser Gesellschaft bei - vor allem durch das Engagement Tausender Trainer, Betreuer und Funktionäre. Doch seine Vorbildfunktion, seine Autorität gründet auch und gerade auf der Rechtschaffenheit und der moralischen Integrität seiner Führung."
Die Frankfurter Rundschau stimmt sich auf den Abschied von einer romantischen Idee ein, denn "die Bösen, das waren die internationalen Verbände, zuvorderst die Fifa mit Präsident Sepp Blatter. Hier und da wurde sie schon länger nicht mehr in die Rankings der Sportorganisationen, sondern in jene der kriminellen Vereinigungen eingeordnet. Der Deutsche Fußballbund, der verkörperte das Gute. In diesem Gefühl sonnte sich der sportinteressierte Teil der Republik. 'Wir' würden den Stall schon ausmisten, wenn 'wir' nur dürften. Nun also wird ausgemistet, aber der Stall steht im Frankfurter Stadtwald und an der Tür DFB. Üble Sache für das Sommermärchen-geprägte Selbstverständnis. Aber noch übler für den DFB." Für den Kommentator bestätigt die Razzia, "dass der Verband in Sachen Aufklärung nichts zustande gebracht hat. Ein Armutszeugnis. Und Präsident Wolfgang Niersbach, oberster Aufklärer in eigener und Verbands-Sache, gehört auch noch zu den Beschuldigten. Es klingt fast, als sei die Fifa im Stadtwald eingezogen."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf und Anne Pollmann
Quelle: ntv.de