Geld wird teurer Das bedeutet der Zinsanstieg für Ersparnisse und Kredite
20.06.2022, 12:01 Uhr (aktualisiert)
Kreditzinsen dürften weiter steigen.
(Foto: imago images/MiS)
Lange Zeit hat die Europäische Zentralbank eine Nullzinspolitik verfolgt. Angesichts der erheblichen Teuerung ist sie nun gezwungen, gegenzulenken. Das hat auch Auswirkungen für Verbraucher. Welche das sind, lesen Sie hier.
Zum 1. Juli hebt die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 0,25 Prozent an. Banken können sich also nicht mehr zum Nulltarif Geld bei der EZB leihen. "Die Einlagen privater Kundinnen und Kunden werden daher wieder interessanter", sagt Philipp Rehberg von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Wie und wo wirkt sich die Leitzinsanhebung also für Verbraucherinnen und Verbraucher aus?
Wer glaubt, dass jetzt kurzfristig die Verzinsung auf Tages- oder Festgeld ansteigt, dürfte wohl enttäuscht werden. Denn laut Duygu Damar vom Institut für Finanzdienstleistung (IFF) hängt diese nicht vom Leitzins ab. "Für die Sparkonten ist vielmehr der Referenzzinssatz für die EZB-Einlagefazilität von Relevanz", sagt sie. Also dem Zinssatz, den Finanzinstitute entrichten müssen, wenn sie Einlagegelder ihrer Kunden bei der EZB parken. Und dieser bleibt vorerst unverändert bei minus 0,5 Prozent. Für Einlagen zahlen Banken also weiterhin Negativzinsen.
Zinserhöhung für gespartes Geld wird schrittweise kommen
Die Erhöhung des Leitzinssatzes ist laut Damar aber ein Anfang. "Es zeigt, dass die EZB ihre Negativzinspolitik beenden möchte." Daher sei zu erwarten, dass in den kommenden Quartalen auch der Zinssatz für die Einlagefazilität erhöht wird. Solange das nicht passiert, würden Zinsen auf Einlagegelder noch nicht ansteigen.
Dass Banken einen zukünftigen positiven Referenzzinssatz auf EZB-Einlagen umgehend weitergeben, bezweifelt Damar. Im Einlagengeschäft hätten Banken seit Jahren keine Gewinne erwirtschaftet. Sie hätten dort vielmehr Verluste erlitten. "Daher wird die Zinserhöhung für gespartes Geld der Kundinnen und Kunden schrittweise kommen", sagt sie. Doch selbst wenn einzelne Finanzinstitute die Zinsen im Einlagengeschäft vorzeitig im Zehntelbereich anhöben, wäre der Realzins bei aktuell fast acht Prozent Inflation noch immer deutlich negativ, der Kaufkraftverlust enorm.
Umgang mit Negativzinsen dürfte gelockert werden
Rehberg geht aber zumindest davon aus, dass Banken jetzt nach und nach ihren Umgang mit Strafzinsen auf hohe Guthaben lockern. Mehrere Finanzinstitute hätten bereits angekündigt, die Freibeträge für Verwahrentgelte deutlich zu erhöhen.
Damar schätzt, dass die Negativzinsen ab dem Moment, an dem die EZB-Einlagefazilität in den neutralen oder positiven Bereich klettert, komplett fallen. Denn viele Banken würden sich in den sogenannten Verwahrentgeltvereinbarungen, die sie mit ihren Kundinnen und Kunden getroffen haben, auf eben jene EZB-Negativzinsen berufen.
Im Kreditbereich werden die Zinsen weitergegeben
Anders als Sparzinsen dürften Kreditzinsen hingegen weiter ansteigen. "Steigende Marktzinsen werden hier meist direkt an Kundinnen und Kunden weitergegeben", sagt Philipp Rehberg. Das betreffe Verbraucherinnen und Verbraucher sowohl bei Immobilien- und Dispositionskrediten als auch bei Konsumentendarlehen.
Der Verbraucherschützer empfiehlt, teure Kontoüberziehungskredite gut im Blick zu behalten und höchstens bei kurzfristigen finanziellen Engpässen zu nutzen. Langfristig sei ein normaler Verbraucherkredit meist sinnvoller.
Bei auslaufenden Immobilienkrediten stellt sich für Betroffene jetzt die Frage, wie es nach dem Ende der Zinsbindung weitergeht. Hier könne allerdings niemand sicher voraussagen, wie sich die Bauzinsen mittel- und langfristig entwickeln, sagt Rehberg.
Ob ein Forward-Darlehen - also die vorzeitige Zusage der Anschlussfinanzierung zu einem festgeschriebenen Zinssatz - sinnvoll ist, müsse im Einzelfall entschieden werden. "Vorrangiges Ziel sollte immer sein, die Finanzierung abzusichern, um den Erhalt der Immobilie nicht zu gefährden", sagt der Verbraucherschützer.
Bauzinsen für zehnjährige Kredite über 3-Prozent-Marke
Der effektive Zins für zehnjährige Finanzierungen ist gestern im Mittelwert erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder über die Marke von 3 Prozent gestiegen, wie die Frankfurter FMH-Finanzberatung mitteilte. Zinsen von mehr als 3 Prozent bei zehnjährigen Baukrediten hat es demnach zuletzt am 5. April 2012 gegeben.
Der jüngste Anstieg der Bauzinsen sei seit 7. Juni "besonders extrem" gewesen mit einem Sprung von 2,79 auf 3,02 Prozent innerhalb einer Woche. Auslöser sei vermutlich die hohe Inflation und die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), die Leitzinsen zu erhöhen.
Kredite für Immobilienkäufer dürften sich weiter verteuern, erwartet FMH-Gründer Max Herbst. Im April habe er 4 Prozent Zinsen für zehnjährige Finanzierungen bis Jahresende für vorstellbar gehalten. Das sei nun "bereits nach der Sommerpause" denkbar.
Die Bauzinsen sind in den letzten Monaten kräftig gestiegen. Im Dezember hatte der Zins für zehnjährige Finanzierungen noch bei 0,9 Prozent gelegen. Der Münchner Immobilienfinanzierer Interhyp sieht die Bauzinsen für zehnjährige Kredite aktuell noch knapp unter 3 Prozent im Schnitt. Sie lägen bei 2,95 Prozent, sagte eine Firmensprecherin.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 16. Juni 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, awi/dpa