Als letztes Mittel Filesharing: BGH billigt Internetsperren
26.11.2015, 19:08 UhrDie Gema oder Plattenfirmen können nach einem BGH-Urteil von Providern verlangen, dass sie ihre Kunden von illegalen Filesharing-Netzwerken fernhalten. Doch einfach machen es die Richter den Rechteinhabern nicht.

Netzsperren gegen Filehoster? Theoretisch ist diese Option jetzt gegeben.
(Foto: imago stock&people)
Internet-Provider wie die Deutsche Telekom können zufolge verpflichtet werden, den Zugang zu Internet-Seiten mit illegalen Inhalten zu sperren. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute ein entsprechendes Grundsatzurteil gefällt. Für Sperrungen gelten allerdings sehr strenge Vorbedingungen, das haben die Bundesrichter auch klargestellt. Die Rechteinhaber müssten zunächst selbst genug eigene Anstrengungen unternehmen, bevor sie die Provider in die Pflicht nehmen, ihre Kunden von den entsprechenden Seiten fernzuhalten.
Es waren zwei Klagen, die der BGH verhandelte. In beiden ging es um Filesharing-Netzwerke, die Links zu urheberrechtlich geschützten Musikstücken enthielten. In einem Fall klagte die Musikverwertungsfirma Gema gegen die Telekom, im anderen wollten die Musikkonzerne Universal Music, Sony und Warner die deutsche Tochtergesellschaft der spanischen Telefonica zur Verantwortung ziehen. (Az. I ZR 3/14 und I ZR 174/14).
Beide Klagen scheiterten allerdings an den hohen Hürden, die der BGH für diese Maßnahmen vorsieht: Die Rechteinhaber müssen zunächst gegen die Anbieter vorgehen, bei denen die Musikdateien gespeichert sind. Erst wenn diese sogenannten "Host-Provider" nicht greifbar seien, könnten die Unternehmen, die Endkunden einen Zugang zum Internet verkaufen, selbst in die Pflicht genommen werden, stellte das Gericht klar. Weil die Gema dieses mehrstufige Vorgehen in den vorliegenden Fällen nicht bis zum Ende beschritten hatte, wies der BGH die Klage gegen die Telekom letztlich zurück.
Die Gema hatte gefordert, dass die Telekom die Web-Seite "3dl.am" sperren soll. Denn dort könne auf eine Link-Sammlung, die zu urheberrechtlich geschützten Musikdateien führe, zugegriffen werden. Diese Links seien bei Speicherplatz-Anbietern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden. Konkret ging es um Songs der Band Die Ärzte und des Rappers Bushido. Im zweiten Verfahren forderten Musikkonzerne, dass Telefonica die Webseite "goldesel.to" in ihrem Netz sperren sollte. Über diese Internet-Seite könne auf eine Liste von Links zu geschützten Musikwerken zugegriffen werden, wobei die Links bei dem Datentauschnetzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden seien. Auch diese Klage wiesen die Karlsruher Richter ab. Hier hätten die Musikfirmen die Möglichkeiten zur Aufdeckung der Identität des Seiten-Betreibers nicht vollkommen ausgeschöpft.
Anbieter sind schwer zu greifen
In den Verhandlungen war deutlich geworden, dass eine Verfolgung von Rechten in manchen Fällen schwierig sein kann. Die Seite "goldesel.to" wurde beispielsweise von einer Südseeinsel aus betrieben, Auskünfte über den Betreiber waren von dort zunächst nicht zu bekommen. Um den Internetanbieter in die Pflicht nehmen zu können, müssen die Rechteinhaber nach Auffassung des BGH aber alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um an den Rechteverletzer heranzukommen. So müssten auch Privatdetektive oder staatliche Behörden eingeschaltet werden. Eine einstweilige Verfügung, die nicht zugestellt werden kann, reiche nicht. "Einen Detektiv nach Tonga oder Tuvalu zu schicken, um herauszufinden, wer hinter einer Website steckt, mag theoretisch spannend sein. Faktisch wird dies in einem Rechtsdurchsetzungsnirwana enden", kritisierte der Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) Florian Drücke. Stattdessen forderte der Verband, der etwa 65 Prozent des deutschen Musikmarktes repräsentiert, ein konsequenteres Vorgehen gegen Internetseiten ohne Impressum.
Die Telekom sieht sich durch die Klageabweisung in ihrer Rechtsmeinung grundsätzlich bestätigt. "Der BGH hat klar ausgesprochen, dass im Hinblick auf Internetzugangsanbieter die Zumutbarkeit von potenziellen Sperrmaßnahmen streng zu prüfen ist", sagte ein Konzernsprecher. Wer seine Urheberrechte verletzt sehe, könne sich direkt an den Betreiber der jeweiligen Seite oder dessen Speicherplatzanbieter wenden, auch im Ausland. "Dieses Prinzip des 'Löschen statt Sperren' wird seit Jahren auch bei jugendgefährdenden Inhalten erfolgreich angewendet." Kritik kommt hingegen vom Digitalverband Bitkom. Internet-Sperren sollten das äußerste Mittel der Netzpolitik bleiben, sagte Bitkom-Chef Bernd Rohleder. "Als Maßnahme gegen Urheberrechtsverstöße sind sie völlig überzogen."
Die Gema begrüßte das Urteil, obwohl sie formal vor Gericht verloren hatte. "Diese Grundsatzentscheidung war längst überfällig, denn sie ist wegweisend für den Schutz der Rechte unserer Urheber im digitalen Musikmarkt", teilte Vorstandschef Harald Heker mit. Jetzt bestehe Rechtsklarheit darüber, dass Zugangssperren von Webseiten, die illegal urheberrechtlich geschützte Musikwerke massenhaft anbieten, zulässig seien. Das sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Internetpiraterie.
Quelle: ntv.de, ino/dpa/rts