Erst abblitzen, dann kassieren Kein Schutz für "Scheinbewerber"
28.07.2016, 17:13 UhrEin Rechtsanwalt bewirbt sich gezielt auf Stellen, die er voraussichtlich sowieso nicht bekommt. Dahinter verbirgt sich ein fragwürdiges Geschäftsmodell, dem der EuGH jetzt einen Riegel vorschiebt.

Wer sich nur bewirbt, um danach eine Entschädigung zu erstreiten, kann sich nicht aufs AGG stützen.
(Foto: dpa)
Bewerbungen verschicken, Absagen kassieren, als Diskriminierungsopfer klagen – das kann durchaus ein Geschäftsmodell sein. Nun schiebt der Europäische Gerichtshof dem Treiben der sogenannten AGG–Hopper einen Riegel vor. Wer eine "Scheinbewerbung" einreicht, kann sich im Falle einer Ablehnung nicht auf Antidiskriminierungs-Regeln des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) berufen, befanden die Luxemburger Richter (Rechtssache C-423/15). Der Schutz vor Benachteiligung wegen Religion, Weltanschauung, Alter, Geschlecht oder sexueller Orientierung im Berufsleben sei nur für ernsthafte Bewerber gedacht.
Für den Juristen K., einen bekannten "AGG-Hopper", sieht es damit schlecht aus. Der Münchner hatte sich 2009 für eine Nachwuchs-Stelle bei einer deutschen Versicherung beworben. Als Voraussetzung nannte diese unter anderem einen zeitnahen und sehr guten Hochschulabschluss. Damals war K. bereits Ende 30. In seiner Bewerbung gab er unter anderem an, er verfüge als Rechtsanwalt und ehemals leitender Angestellter über Führungserfahrung.
Vorstellungsgespräch unerwünscht
Wie zu erwarten wurde er abgelehnt. Daraufhin verlangte er von der Versicherung zunächst 14.000 Euro wegen vermeintlicher Altersdiskriminierung. Eine nachträgliche Einladung zum Vorstellungsgespräch lehnte er ab. Als er erfuhr, dass die vier fraglichen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt worden waren, obwohl es ungefähr gleich viele männliche und weibliche Bewerber gegeben hatte, verlangte er eine weitere Entschädigung von 3500 Euro wegen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts. Ähnlich ging er im gleichen Jahr gegen einige weitere Firmen vor und teilweise hatte er damit auch Erfolg.
Diesmal aber nicht: Das Bundesarbeitsgericht ging davon aus, dass der Jurist sich nur bewarb, um abgelehnt zu werben und eine Entschädigung einfordern zu können. Der EuGH sollte nun entscheiden, ob dieses Vorgehen rechtsmissbräuchlich ist. Genau das haben die Luxemburger Richter nun bestätigt. Wer keine Stelle sucht, sondern sich nur bewirbt, um aus dem formalen Status als Bewerber Entschädigungsansprüche ableiten zu können, kann sich nicht aufs Antidiskriminierungsgesetz berufen. Den konkreten Fall muss jetzt nochmal das Bundesarbeitsgericht prüfen.
Die Arbeitsrechtsexpertin Ina-Kristin Hubert von der Hamburger Kanzlei Rödl & Partner sieht in der Entscheidung einen Schutz vor Missbrauch des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) als "Geschäftsmodell für Entschädigungsklagen". Mit dem AGG hat Deutschland die relevanten EU-Vorgaben umgesetzt.
Quelle: ntv.de, ino/dpa